Regulierung: So muss man gegen die Rohstoff-Spekulation vorgehen

Der foodwatch-Report „Die Hungermacher“ liefert erdrückende Belege dafür, wie unverantwortliche Spekulationsgeschäfte weltweit die Preise für Nahrungsmittel treiben. Die Politik sieht der Zockerei im globalen Rohstoff-Kasino weitgehend unentschlossen zu – dabei gibt es durchaus Instrumente, regulierend in die Spekulation mit Rohstoffen einzugreifen.

Der Einfluss der Kapitalanleger auf die Preise an den Warenterminbörsen muss gemindert werden. Hierzu bieten sich insbesondere drei Instrumente an:

In der Debatte um eine stärkere Regulierung der Spekulation wird vor allem eine Beschränkung des Zugangs für Spekulanten zu den Terminbörsen diskutiert. Dazu muss die absolute Zahl der zum Zweck der Spekulation geschlossenen Warenterminverträge begrenzt werden. Dies kann durch die Einführung von „Positionslimits“ geschehen – eine für jede Börse und jeden Rohstoff definierte Obergrenze, wie viele Kontrakte einzelne Unternehmen und Händler jeweils zeichnen dürfen. Ob damit aber die Spekulation so weit gemindert werden kann, dass sie keine preisverzerrende Wirkung mehr hat, ist fraglich. Zwar könnten die großen Investmentbanken wie Goldman Sachs oder Deutsche Bank nicht mehr wie bisher im Auftrag ihrer Kunden enorme dreistellige Milliardenbeträge auf die Futures-Börsen lenken. An ihre Stelle könnte aber eine größere Zahl anderer Finanzunternehmen treten. Das Gesamtvolumen der spekulativen Anlagen und damit ihr Einfluss auf die Preise an den Warenterminbörsen würde dadurch vermutlich nur wenig oder gar nicht gesenkt.

„Aggregierte“ Positionslimits

Um der Spekulation Herr zu werden, bedürfte es daher „aggregierter Positionslimits“, also absoluter Obergrenzen nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern für den Anteil der Spekulation am Terminhandel insgesamt. Alle Finanzanleger zusammen dürften demnach zum Beispiel nicht mehr als 30 Prozent aller Derivate für einen an den Börsen gehandelten Rohstoff halten. Würde die Grenze überschritten, müssten die Anleger ihre Positionen jeweils anteilig vermindern. Für Rohstoff-Indexfonds könnte zudem eine besondere Grenze in Höhe von 10 Prozent aller Positionen gelten.

Rein spekulative Anleger schwer zu erkennen

Aber Positionsgrenzen – gleich in welcher Form – bergen ein grundsätzliches Problem: Ihre Anwendung setzt voraus, dass die Aufsichtsbehörden in der Lage sind, die rein spekulativen Anleger klar von jenen Akteuren zu unterscheiden, die Terminkontrakte zeichnen, um sich gegen Preisschwankungen für Kauf und Verkauf der tatsächlichen physischen Rohstoffe abzusichern. Doch diese Unterscheidung ist in der Praxis kaum trennscharf durchzuführen. Denn anders als noch vor zehn Jahren haben sich die Grenzen zwischen den beiden Seiten des Geschäfts mit Rohstoffderivaten heute weitgehend aufgehoben. Alle großen Investmentbanken sind mittlerweile auch im Handel mit den physischen Rohstoffen aktiv. Und umgekehrt betreiben auch die Handelskonzerne für Getreide, Rohöl und Industriemetalle umfangreiche Finanzgeschäfte. Das bedeutet nicht, dass die Einführung der in den USA geplanten und in Europa geforderten Positionsgrenzen sinnlos wäre. Aber fraglich ist, ob allein damit der exzessiven Spekulation wirksam Einhalt geboten werden kann.

Um die Spekulation mit Rohstoffen einzudämmen, wären „Positionslimits“ allein nicht ausreichend. Als mögliche Ergänzung bietet sich an, die Rohstoffspekulation auch an der Quelle zu bekämpfen – also bei Pensionsfonds, Versicherungen, Stiftungen und Vermögensverwaltern. Denn diese sogenannten „institutionellen Investoren“ stellen einen großen Teil des Kapitals, das für die Wetten auf steigende Rohstoffpreise eingesetzt wird. Die Ersparnisse von Millionen Arbeitnehmern, die Prämien von Versicherungskunden oder das Vermögen von gemeinnützigen und steuerbefreiten Stiftungen werden für die Spekulation auf steigende Rohstoffpreise eingesetzt.

Kapitalquellen trockenlegen

Obwohl die auf den Rohstoffmärkten erzielten Erträge keineswegs mehr sicherer oder höher sind als die auf den Märkten für Aktien und Anleihen, investieren Pensionsfonds, Stiftungen und andere Großanleger nach wie vor Milliarden im Agrarbereich. Diese Kapitalquellen für die Rohstoffspekulation müssen trockengelegt werden – durch gesetzliche Regelungen, die die institutionellen Investoren von der Spekulation mit Rohstoffen ausschließen.

Rentenkassen, Versicherungen und gemeinnützige Stiftungen unterliegen ohnehin strengen Auflagen zum Schutz ihrer Kunden und der Stiftungsvermögen. Eine weitere Auflage, das Geld der Sparer und Stifter nicht in Rohstoffen anzulegen, könnte leicht hinzugefügt werden. Und anders als die Positionslimits könnten die Aufsichtsbehörden dies auch ohne großen Aufwand durchsetzen. Zudem wäre kein wirtschaftlicher Schaden damit verbunden. Im Gegenteil: Potenziell würde mehr Kapital für produktive Zwecke zur Verfügung stehen.

Neben den institutionellen Investoren wie Versicherungen oder Stiftungen sind die sogenannten Publikumsfonds ebenfalls von Bedeutung. Die börsengehandelten Fonds und Zertifikate für Rohstoffe, die vornehmlich von individuellen Anlegern gezeichnet werden, stellen mittlerweile bereits ein Drittel der gesamten Anlagesummen auf den Märkten für Rohstoffderivate. Auch für diese Fonds ist keinerlei volkswirtschaftlicher Nutzen erkennbar – nur die potenziellen Schadwirkungen. Was für die institutionellen Anleger (Stiftungen, Pensionsfonds etc.) richtig ist, gilt also auch für die Publikumsfonds: Sie könnten vom Gesetzgeber einfach verboten werden.