Nachricht 10.09.2014

Berlin will Korrekturen bei CETA-Abkommen mit Kanada

In zwei Wochen soll das umstrittene Handelsabkommen CETA zwischen Europa und Kanada unter Dach und Fach sein. Konzerne sollen weitreichende Klagemöglichkeiten gegen Staaten erhalten. Die Bundesregierung protestiert. foodwatch fordert weiterhin klipp und klar: CETA muss gestoppt werden, um einen gefährlichen Präzedenzfall für TTIP zu verhindern!

Die Bundesregierung pocht im Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada in letzter Minute auf Korrekturen. Beim umstrittenen Investorenschutz soll verhindert werden, dass ausländische Geldgeber die EU oder Mitgliedsstaaten auf Schadenersatz verklagen könnten, wenn es zu Sanierungen oder Abwicklungen von Banken sowie Schuldenschnitten kommt. Das geht aus einem vertraulichen Bericht der Regierung über eine Sitzung des handelspolitischen Ausschusses des EU-Parlaments hervor. Er lag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.

CETA = TTIP durch die Hintertür?


CETA gilt als Blaupause für das Freihandelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA. Verbraucherschützer kritisieren nun, dass vom kategorischen Nein von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zu Schutzklauseln für Investoren keine Rede mehr sei.

Gabriel selbst steht zu seinem Wort: „Es ist meine Überzeugung (...), dass man für eine solche Verhandlung zwischen zwei entwickelten Rechtssystemen kein Investitionsschutzabkommen braucht“, sagte er am Mittwoch im Bundestag. Man gehe nicht „naiv und blauäugig“ an die Abkommen heran. Es müsse aber auch die Chancen sehen: „Wir sind das exportstärkste Land Europas. Wer, wenn nicht wir, hat eigentlich Interesse an Freihandel?“

Experten fürchten, ausländische Konzerne könnten vor internationalen Schiedsgerichten von Staaten Milliarden einklagen, wenn neue Gesetze oder Steuern gegen Regeln aus den Handelsabkommen verstoßen.


Die Regierung schreibt jetzt, es bestehe bei CETA in verschiedenen Bereichen noch Handlungsbedarf – „auch mit Blick auf ihre Präzedenzwirkung für TTIP“. Allerdings werde Deutschland bei wichtigen Einwänden im Banken- und Steuerbereich bisher nicht von großen EU-Staaten wie Großbritannien und Frankreich unterstützt.

Berlin streitet mit Brüssel

Keine Lösung zeichne sich im Streit mit Brüssel ab, welchen rechtlichen Charakter das CETA-Abkommen hat, erklärt die Regierung.
Davon hängt jedoch ab, ob Bundestag und die übrigen 27 EU-Parlamente dem Vertrag überhaupt zustimmen müssen. Gabriel und die Bundesländer pochen darauf. Bei einem sogenannten gemischten Abkommen wären sowohl die EU als auch die Mitgliedstaaten Vertragspartner der Kanadier.

Überraschend habe die EU-Kommission angekündigt, dass der CETA-Vertrag nicht offiziell paraphiert werden soll. Der endgültige CETA-Abschluss solle beim EU-Kanada-Gipfel am 26. September in Ottawa lediglich per Erklärung verkündet werden.

Wird das Kanada-Abkommen neu verhandelt?

Außerdem habe die Kommission deutlich gemacht, dass sie trotz massiver Einwände aus den EU-Staaten die Verhandlungen mit Kanada „nicht insgesamt wiederöffnen“ will, heißt es im Regierungsbericht. Dann bestünde die Gefahr, dass auch Kanada über Kapitel neu reden wolle, in denen die EU „gute Ergebnisse“ erzielt habe, etwa bei öffentlichen Beschaffungen oder im Pharmabereich.

In Berlin wird befürchtet, dass die EU-Richtlinie zur Abwicklung von Krisenbanken ausgehebelt werden könnte, wenn das Kapitel zu Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) zwischen EU und Kanada unverändert bleibt. So verlangt Berlin von Brüssel und der italienischen EU-Ratspräsidentschaft, dass Schadenersatzklagen bei Umschuldungen von Staatsanleihen sowie Klagen gegen die vorrangige Beteiligung von Gläubigern bei der Rettung von angeschlagenen Geldhäusern ausgeschlossen sind.

Weiter warnt die Bundesregierung davor, dass das deutsche Steuerrecht durch den Investorenschutz unterlaufen werden könnte. Der Vorrang nationalen Steuerrechts sowie bilateraler Doppelbesteuerungsabkommen müsse präzisiert werden. Allerdings habe die EU-Kommission hier „keine Bereitschaft zu Entgegenkommen“ erkennen lassen.

Protestaktion an Sigmar Gabriel

foodwatch fordert in einer E-Mail-Protestaktion Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf, das CETA-Abkommen jetzt zu stoppen! Denn wenn das Abkommen in der aktuellen Version kommt, wird ein gefährlicher Präzedenzfall für das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA geschaffen. Die Verhandlungspartner in den Vereinigten Staaten könnten sich mit Recht auf den Standpunkt stellen: Wenn die EU die private Schiedsgerichtsbarkeit im Abkommen mit Kanada anerkennt, kann sie diese im Abkommen mit den USA nicht verweigern.

(mit dpa)