Nachricht 21.09.2014

Die "Welt am Sonntag" und der Goldene Windbeutel

In der Welt am Sonntag vom 21. September 2014 greift Redakteur André Tauber die von foodwatch initiierte Online-Wahl zum Goldenen Windbeutel auf, bei der Verbraucher über die dreisteste Werbelüge des Jahres abstimmen können. Zu dem Text nehmen wir Stellung.

„Windige Wahl“, ist der Artikel in der Sonntagszeitung des Springer-Verlags überschrieben. Zu einzelnen Punkten im Text möchten wir gern Stellung nehmen:

1.

Die Welt am Sonntag geht ausführlich auf den ADAC-Autopreis „Gelber Engel“ sowie die ZDF-Wahl der „beliebtesten Deutschen“ ein. Damit rückt der Autor den Goldenen Windbeutel in die Nähe von zwei Abstimmungen, bei denen bekanntermaßen die Veranstalter der Wahl das Ergebnis manipuliert hatten. Offenbar soll der Eindruck entstehen, Ähnliches könnte beim Goldenen Windbeutel auch der Fall sein.

Richtig ist: foodwatch manipuliert die Abstimmung zum Goldenen Windbeutel selbstverständlich nicht. Die Welt am Sonntag hat dafür auch folgerichtig keinerlei Hinweis gefunden – dass sie im Zusammenhang mit dem Goldenen Windbeutel dennoch auf die manipulierten ADAC- und ZDF-Wahlen verweist, halten wir für: manipulativ.

2.

Die Welt am Sonntag schreibt: „Doch wie genau der ‚Preis‘ vergeben wird, das ist Geheimsache. Auf die Frage, wer über die Kandidaten für den ‚Goldenen Windbeutel‘ entscheidet, antwortet foodwatch knapp: ‚Die Entscheidung über die fünf Kandidaten trifft das foodwatch-Team.‘ Aus welchen Mitgliedern dieses Team besteht, teilt die Organisation […] nicht mit.

Richtig ist: foodwatch hat der Welt am Sonntag eine ausführliche Antwort mit einer detaillierten Erklärung des Wahl-Prozederes und der Produktauswahl zur Verfügung gestellt. Dass das foodwatch-Team die finale Entscheidung über die Nominierungen trifft, ist korrekt. Unsinnig ist die Bemerkung, dass foodwatch nicht mitteile, aus welchen Mitgliedern dieses Team besteht – die Mitglieder des foodwatch-Teams sind schließlich schon auf unserer Internetseite unter dem Menüpunkt „Team“ für jeden sichtbar und gut auffindbar eingestellt.

Daran, wie der Preis vergeben wird, ist zudem wenig „geheim“: foodwatch schlägt fünf Kandidaten vor und stellt diese zur Wahl, danach stimmen die Verbraucher online ab – wer am Ende des Wahlzeitraums von rund einem Monat die meisten Stimmen erhält, dem verleihen wir den Preis. So geheim ist das nicht.

3.

Auch die Auszählung der Stimmen ist für die Öffentlichkeit nicht transparent“, schreibt die Welt am Sonntag weiter.

Richtig ist: Selbst bei einer Bundestagswahl werden die Stimmzettel nicht zum Beispiel vor live übertragenden Kameras ausgezählt. Was sich die Welt am Sonntag unter einer transparenten Auszählung vorstellt, bleibt offen. Der Eingang von online erfassten Stimmen kann zuverlässig elektronisch erfasst und ausgewertet werden. foodwatch hat zudem eine Reihe von technischen Hürden aufgestellt, um Manipulationen (Mehrfachabstimmungen, computergesteuerte Stimmabgaben, gezielte und wiederholte Stimmabgaben für einen oder mehrere bestimmte Kandidaten etc.) aufzuspüren und zu verhindern. Dies geschieht durch technische Blockaden sowie eine detaillierte Beobachtung des Stimmverhaltens im zeitlichen Verlauf, wodurch wir Abweichungen vom typischen Stimmverhalten feststellen können. Allein bei der laufenden Wahl hat unser System bis zum heutigen Tage eine fünfstellige Zahl von Mehrfachabstimmungen festgestellt und automatisiert als ungültig gewertet.

Die technischen Details haben wir gegenüber der Welt am Sonntag in wesentlichen Zügen in einer schriftlichen Antwort sowie in Telefonaten offen gelegt. Wir haben gleichzeitig darum gebeten, diese Details nicht zu publizieren, um denjenigen, die vielleicht tatsächlich einen Manipulationsversuch unternehmen wollen, keine Hinwiese zu geben. Denn gleichzeitig wissen wir um die Grenzen aller technischen Mittel: Die Wahl zum Goldenen Windbeutel ist und bleibt eine Online-Wahl, die einen anderen Sicherheitsstandard hat als etwa eine Bundestagswahl. Etwas anderes haben wir auch nie behauptet. Wir tun jedoch unser Bestes, um Manipulation zu verhindern – und haben auch keinen Hinweis darauf, dass die von uns kommunizierten Ergebnisse der Wahlen zum Goldenen Windbeutel manipuliert waren.

4.

Die Welt am Sonntag schreibt korrekt: „Die Organisation [foodwatch] hat der ‚Welt am Sonntag‘ auch angeboten, das System anzusehen.

Richtig ist auch: Die Welt am Sonntag hat an diesem Angebot keinerlei Interesse gezeigt. Wir freuen uns, dass der Autor diese am vergangenen Mittwochabend (17.9.) ausgesprochene Einladung zumindest erwähnt, fragen uns aber, weshalb das Thema Manipulationsmöglichkeiten auf spekulativer Basis im Blatt behandelt wird, ohne die offen stehenden Möglichkeiten der journalistischen Recherche zu nutzen.

5.

Wie die Welt am Sonntag berichtet, beklagt die Lebensmittelindustrie „mangelnde Dialogbereitschaft“ seitens foodwatch.

Richtig ist: foodwatch hat in der Vergangenheit bereits mehrfach die beiden Industrie-Lobbyverbände BLL und BVE um Gespräche gebeten. In der Regel wurden diese Anfragen abgelehnt bzw. gar nicht erst beantwortet. Auch einige Unternehmen lehnen Gespräche ab. Wo der Dialog gescheitert ist, dann nicht an foodwatch.

Mit einer ganzen Reihe anderer Unternehmen – darunter Großkonzerne ebenso wie kleinere Mittelständler – sind wir dagegen immer wieder im direkten Kontakt, häufig auch unter dem Siegel der Vertraulichkeit. Richtig ist aber auch: Dialog bedeutet nicht, dass alle Parteien nach dem Gespräch in allen Punkten einer Meinung sein müssen oder diese nicht mehr kundtun dürfen, weil man sich untereinander ausgetauscht hat. In der Vergangenheit gab es Unternehmensvertreter, die mit dem Wunsch auf uns zukamen, dass foodwatch von jeglicher öffentlichen Kritik absehen solle, solange man sich im Dialog befindet. Eine solche Anfrage weisen wir selbstverständlich zurück.

Wir freuen uns, dass die Welt am Sonntag richtig anmerkt, dass wir die Stellungnahmen von Unternehmen zu der von uns vorgetragenen Kritik (zum Beispiel beim Goldenen Windbeutel) öffentlich zugänglich machen, so dass sich die Leser ein vollständiges Bild der Argumente machen können.

6.

Weiter heißt es in der Welt am Sonntag, es werde bemängelt, dass unsere Kritik an den Produkten nicht „wirklich neu“ sei.

Richtig ist: Tatsächlich kritisieren foodwatch, aber auch Verbraucherzentralen, Wettbewerbshüter, Politiker und viele andere seit vielen Jahren die irreführenden Werbepraktiken in der Lebensmittelwirtschaft. Dass dabei ähnliche Produkte oder Werbestrategien schon früher auffällig wurden, macht die Kritik nicht schwächer. Im Gegenteil: Das zeigt, dass die Branche sich der Kritik bewusst ist und dennoch nicht von ihren Praktiken abrückt. Alte „Kamellen“, wie ein Branchenlobbyist in der Welt am Sonntag zitiert wird, bieten insofern die Hersteller mit ihren unvermindert irreführenden Produktaufmachungen. foodwatch wird jedenfalls nicht aufhören, dies öffentlich zum Thema zu machen. Denn unser Ziel ist nicht, Verbandsfunktionären mit immer neuen Themen die Langeweile zu vertreiben, sondern öffentlichen Druck zu erzeugen und damit auf eine Lösung des Problems hinzuarbeiten.

7.

Die Welt am Sonntag schreibt, Teilnehmer der Abstimmung zum Goldenen Windbeutel würden nach der Wahl „dazu aufgerufen, ihre Daten einzugeben“; diese würden dann genutzt, um „Spenden einzutreiben“.

Richtig ist: Die Arbeit von foodwatch ist nur möglich durch die Beiträge von gut 30.000 Fördermitgliedern. Dass wir auf Basis von Spenden arbeiten, sichert uns die Unabhängigkeit – das betonen wir deshalb nicht verschämt, sondern sehr offen.

Bei den „Daten“, auf die sich die Welt am Sonntag bezieht, handelt es sich schlicht um ein kostenloses und jederzeit kündbares Newsletter-Abonnement. Nach der Abstimmung fragen wir, ob Interessen an unserem Newsletter besteht – und um diesen zu abonnieren, müssen Nutzer ihre E-Mail-Adresse eingeben (und können optional ihren Namen nennen). Innerhalb des Newsletters, der durchschnittlich einmal pro Woche verschickt wird, informieren wir über Entwicklungen in der Lebensmittelpolitik und über unsere Arbeit. Und wir thematisieren dabei auch die Möglichkeit einer Fördermitgliedschaft. Das ist alles, was die Welt am Sonntag meint, wenn sie schreibt: Die bei der Wahl zum Goldenen Windbeutel optional erfragten „Daten“ würden genutzt, um „Spenden einzutreiben“.

8.

Zum Abschluss zitiert das Sonntagsblatt – nach der Einleitung „Allerdings muss auch die Marke foodwatch aufpassen“ – einen Marketingexperten mit dem Ratschlag, foodwatch müsse transparent sein: „Denn wenn auch nur leichte Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen, dann stehen sie in derselben Ecke wie die Unternehmen, denen foodwatch den Goldenen Windbeutel verleiht.

Richtig ist: Wir stellen fest, dass der zitierte Marketingexperte diese Zweifel offenbar nicht hat, denn weder er noch die Welt am Sonntag benennen Punkte, in denen foodwatch unglaubwürdig aufgetreten sei. Transparenz über unsere Arbeit wie über unsere Organisation (Struktur, Finanzen etc.) ist für uns selbstverständlich; die Informationen sind z. B. auf unserer Internetseite für jeden einsehbar. Und falls dort etwas nicht beantwortet sein sollte, so antworten wir gern auf Nachfrage.