Nachricht 25.09.2015

Urteil: Werberat in Niederlanden rügt Kinderwerbung

Zwölf Lebensmittelunternehmen haben gegen Regeln zu Kinderwerbung verstoßen. Das hat die Werbekommission in den Niederlanden in einem Urteil am Mittwoch festgestellt. Die Reclame Code Commissie (RCC), vergleichbar mit dem Deutschen Werberat, hat damit einer Beschwerde von foodwatch Recht gegeben. Bekannte Hersteller wie Unilever, Kellogg's oder Iglo hatten in einem Gratis-Kinderheft einer Supermarktkette geworben – unter anderem für Süßigkeiten, Kekse oder Limonade und oft versteckt in Malspielen, Puzzles und Rätseln.

Die Kritik von foodwatch Niederlande richtete sich gegen Werbung in einem Heft mit Ferientipps und Spielen für Kinder, die die Supermarktkette „Hoogvliet“ vor den Sommerferien gratis verteilte. Unterstützt wurde die foodwatch-Beschwerde von der „Alliance Stop Childrenmarketing“, einem Bündnis aus Gesundheitsorganisationen, Ärzten, Verbraucherorganisationen und Wissenschaftlern.

Werbekommission gibt foodwatch Recht

Die Werbekommission in den Niederlanden gab foodwatch in allen Punkten Recht: Die betroffenen Unternehmen hätten gleich mehrfach gegen die Regeln für Kinderwerbung, die sich die Lebensmittelbranche selbst auferlegt hat, verstoßen, so das Urteil der RCC. So wären mit der Werbung auch Kinder unter sieben Jahren angesprochen worden, obwohl die RCC-Regeln für diese Altersgruppe gar keine Werbung erlaubt. Für Kinder zwischen sieben und 13 Jahren sei zudem nach der Branchenregelung Werbung nur für solche Produkte zulässig, die bestimmte Nährwertkriterien einhalten. Die 16 in dem Heft beworbenen Kinderlebensmittel erfüllen diese Vorgaben jedoch allesamt nicht: Sie sind zu süß, zu fettig, zu salzig. Die RCC bemängelte auch, dass die Produktwerbung in vielen Fällen in Spielen oder Malvorlagen versteckt war – trotz der Selbstverpflichtung, dass Werbung immer klar als solche erkennbar sein muss, gerade bei Kinderprodukten. Die Lebensmittelbranche in den Niederlanden hatte sich am 1. Januar 2015 die neuen Regeln für an Kinder gerichtetes Marketing auferlegt.

Selbstverpflichtungen als billige PR-Manöver

foodwatch begrüßte das Urteil des Werberats und erneuerte gleichzeitig die Forderung nach einer gesetzlichen Beschränkung des Marketings für Kinderlebensmittel. Mit rein freiwilligen Maßnahmen der Industrie lässt sich das Problem von Fehlernährung und Übergewicht bei jungen Menschen nicht in den Griff bekommen. Denn die Lebensmittelwirtschaft geht nur Selbstverpflichtungen ein, die ihr nicht wehtun – oder deren Vorgaben sich problemlos umgehen lassen. Die wohlklingenden Versprechen und Selbstverpflichtungen der Lebensmittelbranche sind nur billige PR-Manöver. Unilever, Kellogg’s und Co. inszenieren sich zwar gerne als verantwortungsvolle Kinderfreunde, vermarkten aber in Wahrheit massenhaft Süßigkeiten und Junkfood an die Kleinen – weil sich damit gutes Geld verdienen lässt.


foodwatch fordert gesetzliche Regulierung

foodwatch forderte klare gesetzliche Regeln für an Kinder gerichtetes Marketing: Nur noch Produkte, die den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entsprechen, dürfen gezielt an Kinder vermarktet werden. Das WHO-Regionalbüro für Europa hatte Anfang 2015 konkrete Vorgaben definiert, wonach nur noch ernährungsphysiologisch ausgewogene Produkte an Kinder vermarktet werden sollten. Dabei spielen unter anderem die Anteile von Fett, Zucker und Salz, aber auch der Kaloriengehalt oder zugefügte Süßstoffe eine Rolle.

In Deutschland sind 15 Prozent der Kinder übergewichtig, sechs Prozent sogar adipös, also fettleibig – ihnen drohen Krankheiten wie Diabetes Typ 2, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herz-Kreislauferkrankungen. In den letzten Jahrzehnten ist der Anteil übergewichtiger Kinder um 50 Prozent gestiegen. Sie essen zu viele Süßigkeiten, fettige Snacks und trinken zu viele zuckerhaltige Getränke; Obst und Gemüse kommen dagegen zu kurz.