Nachricht 12.07.2016

Verbraucher fühlen sich durch „alkoholfreie“ Biere getäuscht

Die Kennzeichnung so genannter alkoholfreier Biere ist irreführend und nicht verbraucherfreundlich. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid, die foodwatch beauftragt hat. Demnach gehen fast zwei Drittel der Befragten davon aus, dass ein „alkoholfreies“ Bier keinerlei Alkohol enthält. Tatsächlich aber sind bis zu 0,5 Vol.-Prozent üblich und auch zulässig.

Die Ergebnisse untermauern, was foodwatch schon seit Jahren bemängelt: Die Alkoholangabe im Kleingedruckten, zu der sich die Brauerei-Branche vor zwei Jahren durchgerungen hatte, führt nicht zu mehr Transparenz. Zwar „empfiehlt“ der Deutsche Brauerbund seinen Mitgliedern seit 2014 eine „freiwillige Kennzeichnung des Restalkoholgehaltes alkoholfreier Biere (Alk.<0,5 %vol.)“. Ein Blick in die Supermarktregale zeigt jedoch: Wenn überhaupt, erfolgt diese Angabe im Kleingedruckten, auf der Rückseite oder am Flaschenhals. Der Brauerbund ist nicht bereit, auf die irreführende „alkoholfrei“-Angabe zu verzichten und diese durch einen unmissverständlichen Begriff wie „alkoholarm“ zu ersetzen.

90 Prozent lehnen Bezeichnung „alkoholfrei“ ab

Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich allerdings zu 90 Prozent eine andere Kennzeichnung, so ein weiteres zentrales Ergebnis der repräsentativen Emnid-Befragung: Fast die Hälfte findet, Biere mit bis zu 0,5 Vol.-Prozent sollten als „alkoholarm“ ausgewiesen werden. Gut ein Fünftel votierte für „alkoholreduziert“. Nur zehn Prozent sprachen sich für „alkoholfrei“ aus. Das sind noch weniger, als in einer 2013 durchgeführten Studie, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft selbst finanziert hatte. Bundesminister Christian Schmidt kennt die Zahlen zwar, ignoriert sie aber. Sein Verhalten ist dabei geradezu symptomatisch: Der Minister setzt lieber auf weichgespülte freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie, anstatt Verbraucherinnen und Verbraucher mit gesetzlichen Vorgaben vor Täuschung und Irreführung zu schützen.


„Legale Täuschung“ ist auf der Tagesordnung

Menschen, die bewusst komplett auf Alkohol verzichten wollen – beispielsweise in der Schwangerschaft – können mit der „alkoholfrei“-Kennzeichnung in die Irre geführt werden. Schon 2007 hatte foodwatch erstmals von „legaler Täuschung“ gesprochen und seitdem den alltäglichen Etikettenschwindel immer wieder öffentlich kritisiert. Auf abgespeist.de (inzwischen in foodwatch.de integriert) illustrierte foodwatch regelmäßig, wie Verbraucherinnen und Verbraucher durch irreführende Werbung und Etikettierung getäuscht werden. Dies betrifft nicht nur die vermeintlich alkoholfreien Biere, sondern auch irreführende Regionalkennzeichnungen, Gesundheitsversprechen auf viel zu süßen, fettigen oder salzigen Produkten und die so genannten Clean Labels, die vorgaukeln, dass bestimmte Zutaten wie Geschmacksverstärker nicht enthalten seien.

Die Politik reagiert und gründet lebensmittelklarheit.de

2011 reagierte die Bundesregierung und finanzierte das Internetportal www.lebensmittelklarheit.de des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, auf dem Verbraucherinnen und Verbraucher sich über irreführende Produkte beschweren können. Das Portal begeht in der kommenden Woche (20. Juli) seinen fünften Geburtstag. Doch erst wenn die Bundesregierung dem Problem der weit verbreiteten legalen Verbrauchertäuschung bei Lebensmitteln endlich gesetzliche Riegel vorschiebt, besteht aus Sicht von foodwatch ein echter Grund zum Feiern.

Wirksame Gesetze statt freiwillige „Selbstverpflichtungen“

Dass legale Verbrauchertäuschung an der Tagesordnung ist, hat die Bundesregierung sich selbst und der Ernährungsindustrie mit dem Informationsportal „Lebensmittelklarheit“ längst bewiesen. Längst ist auch klar, dass die Branche sich nicht durch „Selbstverpflichtungen“ zu korrekten Produktaufmachungen durchringen wird. foodwatch fordert Bundesernährungsminister Christian Schmidt auf, die Industrie nicht länger für ihre wirkungslosen Initiativen zu loben und stattdessen wirksame Gesetze vorzulegen – solange er das nicht tut, ist er mitverantwortlich für massenhafte Täuschung und Irreführung im Supermarkt.