Hintergrund

Dringender Handlungsbedarf

Ppete Pahham/stock.adobe.com [Montage: foodwatch]

In grellen Farben und mit auffälligen Verpackungen locken die angesagten Getränke im Supermarktre­gal: Energy Drinks sind vor allem bei Jugendlichen beliebt. Doch sowohl die hochkonzentrierten, in kleinen Fläschchen verkauften Energy "Shots" als auch herkömmliche Energy Drinks stehen im Verdacht Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle, Nierenversagen und sogar Todesfälle zu verursachen. Bei den Shots ist die Gefahr einer Überdosierung besonders groß.

Energy Drinks gibt es mittlerweile von vielen Herstellern. Deutlicher Marktführer ist und bleibt aber Red Bull. Am 1. April 1987 brachte das Unternehmen aus Österreich seinen Drink auf den Markt – das war (wie es stolz auf der Firmen-Homepage heißt) „nicht nur die Einführung eines völlig neuen Produktes, sondern auch die Entstehung einer völlig neuen Produktkategorie.“ Seit ein paar Jahren sind zudem sogenannte „Energy Shots“ erhältlich – die stark konzentrierte Form von Energy Drinks. Ein Red Bull Energy Shot (60ml) enthält dieselben „funktionalen Bestandteile“ und damit dieselben Anteile an Koffein, Taurin, Glucuronolacton und Inosit wie eine Dose Red Bull Energy Drink – im Vergleich zur klassischen 250ml-Dose in etwa vierfacher Konzentration.

Gesundheitliche Risiken

Wissenschaftler weisen auf mögliche unerwünschte gesundheitliche Wirkungen von Energy Drinks sowie Energy Shots hin. Vor allem im Zusammenhang mit ausgiebiger sportlicher Betätigung, mit Alkohol sowie bei Risikogruppen wurden Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle, Nierenversagen bis hin zu Todesfällen beschrieben. Ein kausaler Zusammenhang ist bislang nicht zweifelsfrei bewiesen. Die französische Lebensmittelbehörde ANSES warnte 2013, dass die Sicherheit der hochkonzentrierten Shots nicht garantiert werden könne. In den USA ermittelt die zuständige Food and Drug Administration (FDA), ob mehrere Todesfälle durch Energiegetränke ausgelöst wurden. Trotzdem bewirbt Marktführer Red Bull die Getränke in Deutschland mit jungen, angesagten Extremsportlern für angeblich „erhöhte Leistungsfähigkeit“, „Konzentrationsfähigkeit“ und „Wachheitsgrad“.

Besonders kritisch werden die kleinen Energy Shots gesehen, da diese hochkonzentriert sind und somit die Gefahr des übermäßigen und zu schnellen Konsums besteht. Begründet werden die gesundheitlichen Risiken nicht mit dem erhöhten Koffeingehalt allein, sondern vor allem durch die möglichen Wechselwirkungen mit den weiteren Inhaltsstoffen oder mit begleitend konsumierten Alkohol.

Bundesinstitut empfahl ein Verbot der „Shots“

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stufte bereits im Dezember 2009 in einer Untersuchung für das Bundesverbraucherministerium Energy Shots als „nicht sicher“ ein und sprach sich für ein Verbot aus: Da ein Warnhinweis auf der Packung nicht ausreiche, um eine Überdosierung auszuschließen, empfahlen die Wissenschaftler „das Inverkehrbringen von ‚Energy Shot‘ Produkten zu untersagen“.

Passiert ist das bisher allerdings nicht. Im Januar 2013 fragte foodwatch daher beim BfR an, ob die Einschätzung aus dem Dezember 2009 – dass Energy Shots als „nicht sicher“ einzustufen sind und das Inverkehrbringen untersagte werden sollte – nach wie vor gilt. In der Antwort an foodwatch schrieben die staatlichen Risikoprüfer: „Im Grundsatz hat sich die Einschätzung des BfR nicht geändert.“ Dennoch wich das Institut (ohne weitere Begründung) von seiner ursprünglichen Forderung nach einem Verbot der „Shots“ ab und empfahl stattdessen lediglich „entsprechende Warnhinweise auf dem Etikett anzubringen“.

Hersteller umgehen Höchstgrenzen

Aufgrund einer Änderung der sogenannten Fruchtsaftverordnung gelten für herkömmliche Energy Drinks seit Mai 2012 verbindliche Höchstwerte für Inhaltsstoffe wie Koffein und Taurin. Das Verbraucherministerium feierte das als eine Verbesserung des Verbraucherschutzes: „Die einheitlichen Höchstmengen, die für alle diese Getränke gleichermaßen gelten, tragen zu einem nachhaltig verbesserten gesundheitlichen Verbraucherschutz bei.“ 
Allerdings gilt dieser „nachhaltig verbesserte gesundheitliche Verbraucherschutz“ nicht für die Energy Shots. Denn die Hersteller umgehen die Höchstwerte ganz einfach, indem sie die stark konzentrierten Getränke offiziell als Nahrungsergänzungsmittel klassifizieren. Damit fallen sie nicht unter die Fruchtsaftverordnung. Der Red Bull Shot enthält mehr als 415 Prozent an Koffein und Taurin als für Energy Drinks erlaubt ist. Die Anteile der weiteren, laut Red Bull „funktionalen“, Bestandteile Inosit und Glucuronolacton sind nicht auf dem Etikett ausgewiesen und der Hersteller hat diese auch auf Nachfrage von foodwatch nicht angeben wollen.

Vor allem bei Jugendlichen beliebt

Laut der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) konsumiert fast jeder dritte Erwachsene Energy Drinks, besonders beliebt sind sie bei Kindern und Jugendlichen: 68 Prozent der Teenager greifen zu den Getränken. Davon sind 12 Prozent „high cronic consumers“ (Konsum mindestens viermal wöchentlich) sowie 12 Prozent „high acute consumers“ (mehr als ein Liter pro Konsum).

Dringender Handlungsbedarf!

foodwatch sieht bei den Energy Drinks und vor allem bei den Energy Shots dringenden Handlungsbedarf. Das gebietet schon das im europäischen Recht verankerte Prinzip des „vorsorgenden Gesundheitsschutzes“. Dieses Prinzip verlangt von der Politik, dass schon, wenn die „Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen festgestellt wird“, Maßnahmen zum Gesundheitsschutz getroffen werden sollen.

foodwatch fordert daher:

  1. Die Energy Shots müssen verboten werden. Eine deutliche Überschreitung der maximalen Tagesmenge von einer 60ml-Flasche pro Tag ist zu erwarten, weshalb die Produkte als „nicht sicher“ zu bewerten sind.
  2. Für Energy Drinks muss eine Altersbeschränkung ab 18 Jahre erlassen werden, um den potenziellen gesundheitlichen Risiken gerecht zu werden. Zusätzlich müssen folgende verpflichtende Warnhinweise in auffälliger Größe und Farbe auf die Schauseite der Verpackung gedruckt werden: 
    a) Nicht mehr als eine Portion am Tag konsumieren 
    b) Nicht in Verbindung mit Alkohol oder sportlicher Betätigung konsumieren 
    c) Bei Nichtbeachtung der Verzehrsempfehlungen können gesundheitliche Folgen (z.B. Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle, Nierenversagen) nicht ausgeschlossen werden 
    d) Nicht für Kinder, Schwangere, Stillende, und koffeinempfindliche Personen geeignet (dazu gehören auch Patienten mit Herz-Rhythmus-Störungen und psychischen Erkrankungen).