Nachricht 19.09.2013

Kultusminister wollen „McSchule“

Mit ihrem aktuellen Beschluss zur Verbraucherbildung an Schulen öffnen die Kultusminister aus Bund und Ländern Wirtschaftslobbyisten und Unternehmen die Türen der Klassenzimmer. foodwatch fordert die Kultusministerkonferenz auf, den Beschluss zurückzunehmen und klarzustellen, dass Unternehmen keine geeigneten Partner für Verbraucher- und Ernährungsbildung an Schulen sind. Werbung und Sponsoring an Schulen müssen grundsätzlich untersagt werden.

Mit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12. September 2013 wurden die „zentralen Ziele und allgemeinen Grundsätze“ der Verbraucherbildung an Schulen festgelegt, dazu zählen Unterrichtseinheiten zu Themen wie gesunder Ernährung oder dem Umgang mit Geld. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen wird dabei ausdrücklich empfohlen. Zwar heißt es im Beschluss der Kultusminister, das „Gebot der Neutralität“ sei zu beachten und Verbraucherbildung solle „frei von wirtschaftlichen Interessen und unternehmensunabhängig“ sein.

„Unternehmensunabhängige“ Verbraucherbildung in der Schule?

foodwatch meint: So lange Unternehmen als „Partner“ auftreten und akzeptiert werden, kann Verbraucherbildung jedoch nie „unternehmensunabhängig“ sein. Nach den Vorstellungen zumindest einiger Bundesländer ist dies offenbar ohnehin nicht beabsichtigt.

Mit dem gemeinsam vom Land Nordrhein-Westfalen und der Wirtschaft finanzierten Portal „Partner für Schule NRW“ beispielsweise soll die „dauerhafte und systematische Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft“ ausdrücklich gefördert werden. Konkret heißt es: „Mit einem Engagement im Schulbereich dokumentieren Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung. Darüber hinaus ergeben sich konkrete Vorteile für die Unternehmen durch eine zielgruppenadäquate Kommunikationsstrategie, die die Verknüpfung der ‚positiven Besetzung‘ der Sponsorleistungen mit dem Namen des Unternehmens ausnutzt.“

Konzerne als „Partner“ der Schulen

foodwatch kritisiert: Unternehmen, die Bildung finanzieren, wollen dafür eine Gegenleistung. Entweder ist das die Möglichkeit „zielgruppenadäquater“ Werbung im Klassenraum. Oder aber es sind politische Gefallen, namentlich weniger Regulierung – denn „Partner“ reguliert man nicht so leicht. So dient der Ernährungsindustrie beispielsweise regelmäßig ihr Engagement in Sachen Ernährungsbildung als willkommenes Argument gegen eine strengere gesetzliche Beschränkung von Junkfood-Marketing an Kinder. Unternehmen sind jedoch weder für die Erstellung von Unterrichtsmaterialien noch für die Organisation von Sportprojekten oder Ernährungsbildung verantwortlich. Stattdessen sollen sie Kindern ein vernünftiges Produktangebot machen und die manipulative Junkfood-Werbung an Kinder stoppen. Es ist Aufgabe der Schulbürokratie, die Lehrerinnen und Lehrer weiterzubilden und neutrales Unterrichtsmaterial zur Verfügung zu stellen.

Kostenloses Unterrichtsmaterial der Industrie

Für Fragen der Ernährungsbildung etwa gibt es längst hervorragendes Material von der staatlich geförderten Organisation „aid infodienst“. Doch während dieses Unterrichtsmaterial bislang von den Lehrern und Schulen gekauft werden muss, sind die Broschüren der Industrie kostenlos. Gleichzeitig tun die Kultusminister so, als seien ausgerechnet Lebensmittelhersteller, die mit allen Mitteln Kinder zum Konsum von süßem und fettigem Junk Food verführen, geeignete „Partner“ von Schulen und Lehrern.

Lobbyismus im Klassenzimmer

Mit dem aktuellen Beschluss der Kultusministerkonferenz gibt die Politik somit bereitwillig den Türöffner für Wirtschaftslobbyisten. Während die Minister scheinheilig vorgeben, für „neutralen“ und „unternehmensunabhängigen“ Unterricht sorgen zu wollen, hat der Ausverkauf der Schulen längst begonnen, und „McSchule“ ist offenbar auch politisch gewollt. Statt seinem grundgesetzlich verankerten Bildungsauftrag nachzukommen, überlässt der Staat offensichtlich bereits Grundschüler den Einflüsterungen und Manipulationen von Wirtschaftsvertretern.