Nachricht 25.01.2017

„Zynische Argumentation“

In der FAZ sprachen sich vor einigen Tagen Vertreter mehrerer Krankenkassen gegen eine Sonderabgabe auf Zucker aus. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) kritisiert deren Argumente als „wirklichkeitsfremd“: „Grotesk ist es, gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass man das Problem der Lebensstilkrankheiten mit Information und Aufklärung lösen solle. Das haben wir in den letzten Jahrzehnten versucht und sind dabei kläglich gescheitert.“ 

Eine Replik von Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Sprecher der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK).

Die Argumente der Krankenkassenvertreter gegen eine Zucker-/Fettsteuer sind einigermaßen erstaunlich und wirklichkeitsfremd. Im Wesentlichen werden zwei „Totschlagsargumente“ vorgebracht. Zum einen sei die Steuer „ungerecht, da sie einkommensschwächere Haushalte besonders stark belastet“, so der Vorstandsvorsitzende der DAK. Bei dieser Argumentation wird unterschlagen, dass die einkommensschwächeren Haushalte auch überproportional von den Folgen unserer heutigen Ernährung betroffen sind, also besonders unter Übergewicht, Diabetes und all den Folgekrankheiten leiden. Und grotesk ist es, gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass man das Problem der Lebensstilkrankheiten besser mit Information und Aufklärung lösen solle. Das haben wir in den letzten Jahrzehnten versucht und sind dabei kläglich gescheitert, mit katastrophalen Folgen für die Gesundheit besonders der bildungsfernen Schichten.

Parallel zu dieser zynischen Argumentation wird von der Lebensmittelindustrie alles getan, damit eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung verhindert wird, während sie gleichzeitig den Zuckeranteil in den Lebensmitteln weiter hochfährt und die Menschen immer häufiger zu industriell erzeugten Fertiggerichten greifen, wie der gerade veröffentlichte Ernährungsreport 2017 des Bundeslandwirtschaftsministers zeigt.

Das zweite „Totschlagargument“ behauptet, eine Zucker-/Fettsteuer sei eine Strafsteuer und wirke nicht. Wenn dem so wäre, müssen wir natürlich alle Steuern als Strafsteuern bezeichnen. Dann ist die Einkommensteuer eine Bestrafung für Erwerbstätigkeit und die Mehrwertsteuer eine Bestrafung für das Shoppen. Und das Argument der Wirkungslosigkeit wird klar widerlegt durch die positive Erfahrung mit der Alkopop-Steuer und dem wirkungsvollsten Instrument zur Reduzierung des Rauchens, den Tabaksteuererhöhungen.

Dass es in Deutschland immer noch keine wirkungsvolle Präventionspolitik gibt, kann man besonders deutlich an der Lebenserwartung der sozialen Schichten erkennen; die oberen 20 Prozent der Bevölkerung leben 10 Jahre länger als die unteren 20 Prozent. Und wer hier allein auf den Appell an die Verantwortung des Einzelnen baut, verkennt die Ursachen unserer Lebensstilkrankheiten oder ist zynisch.

Bild: DGG

Dietrich Garlichs ist Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Sprecher der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK).