Pressemitteilung 10.11.2016

Studie von „Die Lebensmittelwirtschaft“: Nur jeder 10. Verbraucher fühlt sich bevormundet

  • Lobbyverein der Lebensmittelwirtschaft verfälscht eigene Studienergebnisse
  • Zwei Drittel der Verbraucherinnen und Verbraucher finden Ampelkennzeichnung nicht bevormundend
  • Nur 30 Prozent der Befragten empfänden finanzielle Ansätze wie Steuern als bevormundend

Berlin, 10. November 2016. Der Lobbyverein „Die Lebensmittelwirtschaft“ hat die Ergebnisse seiner eigenen Verbraucher-Studie „Das sollst Du essen“ grob verzerrt widergegeben. Die Ergebnisse belegen: Nur etwa jeder zehnte der Verbraucherinnen und Verbraucher fühlt sich laut Umfrage beim Lebensmitteleinkauf bevormundet. 69 Prozent von ihnen würden sich von zusätzlichen Angaben (Smileys, Ampeln oder andere) auf Produktverpackungen nicht bevormundet fühlen. Gerade einmal jeder Dritte würde sich bevormundet fühlen, wenn der Staat einen Höchstwert für den Salzanteil von Lebensmitteln festlegen würde. Und nur 30 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher empfänden „Finanzielle Ansätze (Steuern)“ als bevormundend.

„Der Lobbyverein ‚Die Lebensmittelwirtschaft‘ täuscht die Öffentlichkeit, weil ihm die Umfrageergebnisse nicht passen. Weder fühlen sich Verbraucherinnen und Verbraucher beim Lebensmitteleinkauf bevormundet noch lehnen sie eine Lebensmittelampel oder Werbebeschränkungen ab“, erklärte Oliver Huizinga von der Verbraucherorganisation foodwatch. 

Der Lobbyverein der Lebensmittelwirtschaft zieht in der Pressmitteilung zu seiner Studie den zentralen Schluss, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher beim Essen nicht vom Staat bevormundet werden wollen. Diese Interpretation basiert auf zwei von 73 Umfrageergebnissen: Demnach lehnt eine Mehrheit der Befragten  die Aussage ab: “Der Staat hat das Recht über meinen Kopf hinweg zu entscheiden, was gesund ist und was nicht“. Zudem wollten die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher selbstbestimmt einkaufen. Zahlreiche gegenteilige Antworten werden vom Lobbyverein  in der Pressemitteilung verschwiegen.

Die Lobbyverbände der Lebensmittelwirtschaft, darunter auch der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), stemmen sich seit Jahren gegen mehr Transparenz und verbindliche Regeln – sei es eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln oder eine Beschränkung der Kinderwerbung – mit dem Argument, der Staat dürfe die Verbraucher nicht bevormunden. „Der Kampfbegriff ‚Bevormundung‘ ist eine reine Erfindung der Lebensmittelindustrie. Da hilft auch keine manipulative Studie mit suggestiven Fragen“, sagte Oliver Huizinga. 

Mehrere aktuelle Umfragen belegen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sehr wohl gegenüber gesetzlichen Regeln aufgeschlossen sind. Drei von vier Befragten sprechen sich in einer Emnid-Umfrage vom Januar dieses Jahres für Werbebeschränkungen bei Kinderlebensmitteln aus. 78 Prozent fordern eine „Ampelkennzeichnung“. Und einer foodwatch-Umfrage vom Oktober 2016 zufolge hält mehr als die Hälfte aller Verbraucherinnen und Verbraucher (54 Prozent) eine zweckgebundene Hersteller-Abgabe auf zuckerreiche Getränke für eine geeignete Maßnahme, um eine gesunde Ernährung bei Kindern zu fördern.

„Die Lebensmittelwirtschaft“ hatte bereits 2014 die Ergebnisse einer eigenen Studie zum „Verbraucherverständnis von Transparenz“ verzerrt wiedergeben. Der Lobbyverein behauptete damals, die Mehrheit der Verbraucher würden die existierenden Informationen auf Lebensmittel nicht oder kaum nutzen. In Wahrheit gaben 90 Prozent der Befragten an, vor dem ersten Kauf eines Produktes die Informationen auf der Verpackung „gelegentlich“, „oft“ oder „immer“ durchzulesen.