Pressemitteilung 16.10.2019

Hessische Behörden raten Schwangeren zu Arztbesuch nach Verzehr von Wilke-Produkten, halten Informationen zu Verkaufsstellen aber weiter zurück

foodwatch kritisiert lückenhafte Angaben von Ministerin Priska Hinz in Ausschusssitzung im Landtag

Die hessischen Behörden empfehlen Schwangeren, die zurückgerufene Wilke-Produkte gegessen haben, einen Arzt aufzusuchen – halten aber gleichzeitig genau jene Informationen zurück, mit denen Schwangere prüfen können, ob sie die betroffenen Produkte verzehrt haben. Diese Informationspolitik hat die Verbraucherorganisation foodwatch als unverantwortlich kritisiert und Landesverbraucherschutzministerin Priska Hinz in einem Offenen Brief aufgefordert, endlich alle vorliegenden gesundheitsrelevanten Informationen öffentlich zu machen. 

„Schwangere, die betroffene Produkte verzehrt haben, sollten sich auch ohne Symptome in ärztliche Behandlung begeben und sich beraten lassen“: So lautet die offizielle Empfehlung der hessischen Behörden, wie sie etwa an der zum Fall Wilke eigens eingerichteten Verbraucherhotline ausgesprochen wird. Das erklärte das Regierungspräsidium Darmstadt in einer mit dem Ministerium abgestimmten Antwort auf eine Anfrage von foodwatch. Damit stufen die hessischen Behörden es selbst als gesundheitsrelevant ein, prüfen zu können, ob Schwangere Wilke-Produkte verzehrt haben. Da die Ware jedoch lose und ohne Kennzeichnung an Wursttheken, in Kantinen und Restaurants abgegeben wurde, ist dies bisher nicht möglich – denn die hessischen Behörden halten ihnen vorliegende Angaben über die Wilke-Abnehmer und Verkaufsstellen geheim. 

„Die hessischen Behörden empfehlen also offiziell, dass Schwangere aus dem alleinigen Grund, dass sie vom Rückruf erfasste Lebensmittel verzehrt haben könnten, einen Arzt aufsuchen sollten. Gleichzeitig aber enthalten sie Schwangeren (und anderen Risikogruppen) jedoch genau jene Informationen vor, mit denen diese überhaupt erst prüfen könnten, ob sie die zurückgerufenen Lebensmittel tatsächlich verzehrt haben! Diese Empfehlung und die Informationspolitik der hessischen Behörden stehen in eklatantem Widerspruch zueinander“, schrieb foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker in dem Offenen Brief an Ministerin Priska Hinz. „Für die Informationspolitik der hessischen Behörden tragen Sie die politische Verantwortung. Ich fordere Sie daher auf: Sorgen Sie dafür, dass die hessischen Behörden die ihnen vorliegenden, gesundheitsrelevanten Informationen nicht länger unter Verschluss halten!“

Hintergrund ist, dass eine Listeriose auch unbemerkt ohne Symptome verlaufen kann, bei Schwangeren jedoch auf das ungeborene Kind übergehen kann. Hessische Behörden hatten zuletzt argumentiert, dass ihnen keine „vollständige“ Liste der Verkaufs- und Abgabestellen der Wilke-Produkte vorliege. „Dass womöglich noch Informationen fehlen, kann doch nicht ernsthaft als Argumentation herhalten, die vorhandenen, gesundheitsrelevanten Informationen zu verschweigen. Muss denn wirklich erst noch mehr passieren?“, so foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker in seinem Schreiben an Priska Hinz.
Zudem kritisierte foodwatch die heute von Ministerin Priska Hinz anlässlich einer Ausschusssitzung im hessischen Landtag verbreiteten Informationen als lückenhaft. In einer Pressemitteilung erklärte Frau Hinz: „Sobald sich die Hinweise verdichteten, dass von Produkten der Firma Wilke möglicherweise eine Gefahr ausgeht, hat das Ministerium als Oberste Fachaufsicht mit dem Landkreis Waldeck-Frankenberg das weitere Verfahren und mögliche Maßnahmen besprochen, denn der Landkreis ist in diesem Fall die zuständige Überwachungs- und Kontrollbehörde.“ Diese Verdichtung von Hinweisen gab es jedoch bereits am 12. August 2019: Zu diesem Zeitpunkt informierte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) das hessische Ministerium über einen Listerien-Verdacht bei Wilke-Produkten im Zusammenhang mit Erkrankungen und Todesfällen – gleichzeitig wussten die hessischen Behörden zu diesem Zeitpunkt, dass es bereits einige Monate zuvor Listeriennachweise und eine Rücknahmeaktion aus diesem Grund bei Wilke gegeben hatte. 

„Frau Hinz muss im Detail darlegen, was ihr Ministerium seit dem 12. August getan hat und warum es dann noch bis zum 2. Oktober dauerte, bis Wilke-Produkte zurückgerufen wurden und die Öffentlichkeit gewarnt wurden“, sagte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. 

In ihrer Pressemitteilung räumte Frau Hinz zudem heute ein, dass die – im EU-Lebensmittelrecht eindeutig vorgeschriebene – Rückverfolgbarkeit entlang der Lieferkette nicht funktioniert: „Wir können schlicht nicht nachvollziehen, in welchem Supermarkt und in welcher Kantine die Wilke-Wurst verkauft wurde“, heißt es darin. Aus Sicht von foodwatch ein „Offenbarungseid“. Die hessischen Behörden hätten damit gleich doppelt versagt: Zwei Wochen nach dem Rückruf und fast zwei Monate, nachdem ihnen eine Kundenliste von Wilke vorlag, können sie noch immer nicht sagen, wo die Ware überall verkauft wurde. Gleichzeitig kennen sie jedoch offenbar einen Teil der Verkaufs- und Abgabestellen – und diesen Teil halten sie weiter zurück.