Es ist Erkältungszeit. Gerade jetzt sind viele Menschen offen für gesundheitsfördernde Produkte, um entweder schnell wieder fit oder gar nicht erst krank zu werden. Genau das nutzen Lebensmittelhersteller aus: Mit irreführenden Werbeversprechen wollen sie uns zum Kauf vermeintlich gesunder Produkte verleiten. Doch: Hinter dem Schein von „Immunprodukten“ verbergen sich oft ungesunde Zuckerbomben – ein Angriff auf unsere Gesundheit und unser Recht auf klare Informationen.
Gesundheitsversprechen als Täuschungsmanöver
Vom „Immunschutz”-Shot über den „Immun-Fit”-Tee bis hin zum gefüllten Zuckerl „für dein Immunsystem” – in der kalten Jahreszeit überbieten sich Nahrungsmittelhersteller mit kreativen Namen und besonderen Eigenschaften für ihre vermeintlich gesundheitsfördernden Produkte. Unsere Recherche zeigt: Aktuell sind rund 50 Lebensmittel im Handel erhältlich, die aufgrund von Aufmachung und Verpackung den Anschein erwecken, dass sie unser Immunsystem stärken.
Die Realität? Viele dieser Produkte enthalten enorme Mengen Zucker. So kommt etwa ein empfohlenes 250-ml-Glas eines „Immun-Safts” schnell einmal auf mehr als 25 Gramm Zucker – damit ist die Zuckermenge, die die Weltgesundheitsorganisation für einen ganzen Tag empfiehlt, bereits mit einem Getränk erreicht. Anstatt uns zu schützen können solche Produkte also Übergewicht, Diabetes und Karies fördern – und nicht unsere Gesundheit.
Irreführende Werbung in der Erkältungszeit
Doch wie ist es möglich, dass solche Produkte als immunstärkend beworben werden? Möglich machen es die Tricks der Hersteller. Diese dürfen nur mit wissenschaftlich belegten, von der EU zugelassenen Gesundheitsaussagen werben. Doch in der Praxis wird diese Regelung immer wieder umgangen. Durch Verpackungen in kräftigen Farben, prominent platzierte Begriffe wie „Immunbooster“ oder „Gut für dein Immunsystem” und die Kombination mit Bildern von Zitrusfrüchten, Acerola oder Hinweisen auf den Vitamin-Gehalt entsteht der falsche Eindruck, es handle sich um wissenschaftlich belegte Gesundheitsprodukte.
Klare Regeln für gesundheitsbezogene Aussagen
Dabei sind solche Versprechen laut EU-Recht nur zulässig, wenn sie auf von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassenen gesundheitsbezogenen Aussagen beruhen. Die europäische Health-Claims-Verordnung soll Konsument:innen vor irreführender Gesundheitswerbung schützen. Erlaubt ist etwa der Hinweis, dass Vitamin C „zu einer normalen Funktion des Immunsystems beiträgt“. Solche Hinweise finden sich bei den Immun-Produkten meist nur im Kleingedruckten auf der Verpackungsrückseite. Ein Paradebeispiel für irreführende Angaben auf Kosten der Konsument:innen.
Gerichtliche Erfolge gegen Immun-Werbung
Dass pauschale Immunversprechen rechtswidrig sind, zeigen bereits mehrere Gerichtsurteile:
-
Im Juli 2025 hat das Landgericht Karlsruhe einer Klage von foodwatch Deutschland gegen dm recht gegeben. Das Unternehmen hatte mit der Vermarktung eines Obst-Quetschies als „Immun Smoothie für Kinder” unzulässigerweise den Eindruck erweckt, der Verzehr des Produkts wirke sich positiv auf das Immunsystem aus. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen die europäische Health Claims Verordnung und bestätigte: Solche Gesundheitsversprechen sind unzulässig.
-
Bereits zuvor wurde der Hersteller Eckes-Granini wegen irreführender Werbung verurteilt („Hohes C Immun Water“). Das Gericht untersagte die Verwendung von Bezeichnungen, die eine gesundheitsfördernde Wirkung suggerieren, ohne dass diese wissenschaftlich belegt ist.
-
Noch nicht entschieden ist die Klage von foodwatch gegen den Safthersteller Voelkel. Der Bio-Saft „Immunkraft“ erweckt unserer Ansicht nach den Eindruck, das Immunsystem könne durch den Konsum des Produktes in besonderer Weise gestärkt werden – ein klarer Verstoß gegen die EU-Health-Claims-Verordnung.
foodwatch fordert
1. Ein konsequentes Verbot irreführender „Immun“-Werbung
Begriffe wie „Immunbooster“, „Immunkraft“ oder „Immunstark“ sind laut Health Claims Verordnung nicht zugelassen. Die zulässigen Gesundheitsangaben beziehen sich auf einzelne Vitamine, Mineralstoffe oder Inhaltsstoffe, nicht aber auf das Produkt als Ganzes. Hersteller sollen daher Vitamine und Mineralstoffe nicht als Feigenblatt nutzen, um ungesunde Produkte als gesund zu vermarkten.
2. Strengere Marktaufsicht und wirksame Sanktionen
Behörden müssen irreführende Werbung systematisch kontrollieren und Verstöße mit empfindlichen Strafen ahnden. Einzelne Klagen von Konsument:innenschutzorganisationen wie foodwatch können dies nicht ersetzen.
3. Nährwerte klar und sichtbar kennzeichnen
Durch eine intuitive Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite der Verpackung können Konsument:innen vermeintlich gesunde Produkte schneller einordnen – und als Immun-Produkte getarnte Zuckerbomben auf einen Blick erkennen. Österreich muss daher endlich die Grundlage für die Einführung des Nutri-Score schaffen.