Nachricht 12.11.2010

Alibi-Rezepturänderungen - Pfanner nimmt Verbraucherkritik nicht ernst

  • Pfanner der Gelbe Zitrone Physalis

Lange hatte sich Pfanner taub gestellt. Alles sei „sachgerecht deklariert“ ließ man nach der abgespeist-Veröffentlichung im Januar 2010 verlauten. Zum „Beweis“ legte Pfanner zwei Auftragsgutachten vor. Was die Geschäftsführung jedoch nicht verstanden hatte: Verbraucher lassen sich längst nicht mehr mit dem Argument „Was legal ist, kann keine Täuschung sein“ abspeisen, sondern wählten den Mogel-Tee auf Platz 2 der dreistesten Werbelügen des Jahres 2010. Inzwischen hat sich Pfanner ein minimales Stück bewegt und fügt seinem Teegetränk neben Aromen nun auch Physalissaft zu. Wie viel – oder besser: wie wenig will das Unternehmen partout nicht angeben. In einem Schreiben an foodwatch verweigert Pfanner die Auskunft: „Den Physalis-Saftgehalt möchten wir nicht bekanntgeben, da der Saftgehalt in einem Teegetränk nicht relevant ist. Nach unserer Meinung steht hier vielmehr der Tee im Vordergrund.“ Ähnlich wie bei „aromatisierten Tees im Beutel“ spiele „auch bei den Teegetränken der Fruchtgehalt keine wertbestimmende Rolle“.

Nur, um es noch mal festzuhalten: Die Physalis ist – nach wie vor – groß auf der Verpackung abgebildet, sie gibt dem Produkt seinen Namen und verleiht dem Tee angeblich einen „erfrischen vollmundigen Geschmack“. Gleichzeitig behauptet Pfanner, dass es nicht relevant sei, ob oder wie viel echte Physalis im Getränk stecken. Und verweigert nicht nur die Auskunft darüber, wie hoch der Physalis-Anteil ist, sondern auch darüber, aus welchen Rohstoffen die nach wie vor zugesetzten Aromen bestehen.

Das ist – einer Gesetzeslücke sei Dank – sogar ganz legal. Normalerweise muss der genaue Anteil der Zutaten, mit denen ausdrücklich geworben wird, ausgelobt werden. Die Regel greift jedoch nicht, wenn die Zutat nur in geringer Menge zur Geschmackgebung verwendet wird. Das heißt also, gerade wenn’s drauf ankommt und eine beworbene Zutat nur in besonders geringer Menge zugesetzt wird, erfahren Verbraucher dies nicht. Das zeigt wieder einmal deutlich, dass viele Lebensmittelgesetze nicht die Verbraucher, sondern die Hersteller schützen. Pfanner nutzt das Schlupfloch aus und gesteht damit ein, dass der Anteil echter Physalis im Physalis-Tee unbedeutend gering ist.

„Relevant“ sind so vielversprechende und exotische Zutaten wie Physalis also offenbar nur für die Werbung, nicht aber für die Rezeptur. Auf Pfanners Homepage heißt es zum Leitbild des Unternehmens: „Die Kommunikation ist klar und ehrlich zum Vorteil aller Beteiligten. […] Gemeinsam ziehen wir alle Register und stellen unser Tun immer wieder in Frage. Die Lorbeeren von heute sind der Kompost von morgen. […] Wir sehen Fehler als Herausforderungen, denn sie sind Erfahrungen, die uns helfen, noch besser zu werden. Wir beweisen Mut zur Wahrheit auch in kritischen Situationen.“

Mit der Kommunikation um seinen Physalistee hat das Unternehmen wohl erfolgreich belegt, dass das Leitbild mit der tatsächlichen Unternehmenspolitik nichts zu tun hat. Pfanner hat ja offenbar nicht einmal den Mut, Verbrauchern auf der Zutatenliste den Anteil der namengebenden Zutat Physalis zu offenbaren. Neben dem „Gelben“ bietet Pfanner übrigens auch die Geschmacksrichtungen „Der Grüne“ und „Der Rote“ an. Im „Grünen Zitrone-Kaktusfeige“ ist ebenfalls nur eine winzige Menge Saftkonzentrat enthalten – auch hier will Pfanner keine Auskunft zur exakten Menge und der Zusammensetzung der Aromen machen. Im „Roten Zitrone-Lotusblüte“ ist laut Zutatenliste überhaupt kein Lotus enthalten.

Fazit: „Der Gelbe“ ist nach wie vor ein Etikettenschwindel. Die zweitdickste Werbelüge des Jahres 2010 wird durch eine homöopathische Dosis Physalis und ein paar kosmetische Veränderungen an der Verpackung nicht zu einem ehrlichen Produkt. Schon gar nicht, wenn der „Wellness“-Tee, der angeblich für „mehr Ausgeglichenheit“ sorgt, immer noch 44 Stück Würfelzucker pro Packung enthält – das sind nur etwa 3 Stück weniger als vor der Rezepturänderung. Im Gegenteil zeigt der „neue“ Pfanner-Tee vor allem, dass das Unternehmen nicht bereit ist, Verbraucherkritik wirklich ernst zu nehmen und für ehrliche Produkte zu sorgen.

Laut einer Untersuchung des Allensbach-Institutes aus dem Mai 2010 trauen nur 9% der Verbraucher den Angaben von Lebensmittelherstellern. 55% der Befragten haben Angst vor Mogelpackungen und 48% der Bürger befürchten, dass wichtige Angaben auf Lebensmittelverpackungen nur versteckt oder gar nicht zu finden sind. Der Fall Pfanner zeigt nicht nur, dass diese Befürchtungen berechtigt sind, sondern auch, dass die Lebensmittelindustrie selbst schuld ist am Vertrauensverlust der Verbraucher. Nach tausenden von Beschwerden hat Pfanner angekündigt, aus seinem Mogel-Wellness-Tee ein ehrliches Produkt zu machen. Angesichts der Minimalmaßnahmen, die Pfanner dann tatsächlich ergriffen hat, können Verbraucher nur einen Schluss ziehen: Sogar wenn die Lebensmittelindustrie verspricht, etwas „besser“ zu machen und „ehrlicher“ zu sein, dann kommt am Ende vielleicht nur wieder ein alter Schwindel im neuen Gewand daher.