Nachricht 16.06.2010

EU-Abgeordnete für verpflichtende Herkunftsangaben

Woher kommen die Lebensmittel im Handel? Bisher tappen Verbraucher meistens im Dunkeln, weil die Hersteller keine Angaben machen. Dies wollen die Europaabgeordneten nun ändern und weitreichende Herkunftsangaben vorschreiben – die Industrielobby läuft Sturm gegen die Pläne.

Das Europäische Parlament hat sich dafür ausgesprochen, bei vielen Lebensmitteln künftig eine Kennzeichnung des „Herkunftslandes oder des Herkunftsorts" vorzuschreiben. Diese Pflicht-Angaben sollen gelten für:

  • Fleisch
  • Geflügelfleisch
  • Molkereiprodukte
  • frisches Obst und Gemüse
  • andere Erzeugnisse aus einer Zutat
  • und Fleisch, Geflügelfleisch und Fisch, wenn sie als Zutaten in verarbeiteten Lebensmitteln verwendet werden.

Bei Fleisch und Geflügelfleisch sollen Land bzw. Ort der Geburt, der Haltung und der Schlachtung angegeben werden. Falls die Angabe des Herkunftslands nicht möglich ist, soll „unbestimmter Ursprung“ angegeben werden.

Echter Transparenzgewinn – wenn die Vorschläge umgesetzt werden

foodwatch wertete die Vorschläge – sollten sie umgesetzt werden – als echten Transparenzgewinn für Verbraucher. Bisher gab es eine solche Kennzeichnungspflicht nur für bestimmte Lebensmittel wie Rindfleisch, Honig, frisches Obst und Gemüse oder Olivenöl. Die detaillierten Kennzeichnungsvorschriften für tierische Erzeugnisse wie Fleisch und Milch tragen dem Umstand Rechnung, dass die Fleischerzeugung in Europa längst auch über nationale Grenzen hinweg hochgradig arbeitsteilig im freien Warenverkehr des Binnenmarkts organisiert ist. Und dass Verbraucher nach der BSE-Krise und zahlreichen Fleischskandalen ein hohes Interesse an Tierhaltung, Schlachtung und Herkunft haben.

Bereits eine andere Verordnung schreibt den Herstellern vor: „Die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und Futtermitteln, von der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren und allen sonstigen Stoffen, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie in einem Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet werden, ist in allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen sicherzustellen.“ (Artikel 18, EU VO 178/2002)

Industrie-Lobby "rügt" Parlament für Transparenz-Initiative

Die Informationen über die Herkunft müssen also bei den Herstellern sowieso vorhanden sein. Doch sie wollen diese offensichtlich nicht an die Verbraucher weitergeben. In einer Pressemitteilung vom erklärte der Spitzenverband der deutschen Ernährungswirtschaft BLL heute: „Das Votum für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Zutaten bei verarbeiteten Lebensmitteln rügte der BLL dagegen als zu weitgehend. Hauptgeschäftsführer Matthias Horst verwies auf die erheblichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung und die Nachteile für die Verbraucher: 'Gewonnen wäre dabei nichts: Die Unternehmen hätten höhere Produktionskosten und die Verbraucher angesichts unübersichtlicher Etiketten keinen Informationsgewinn. Außerdem könnten sich die Lebensmittel dadurch verteuern.' Vor einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung sei es unabdingbar, eine Folgenabschätzung ("impact assessment") durchzuführen, um die Umsetzbarkeit einschätzen zu können.“

foodwatch geht davon aus, dass die Lebensmittellobby Druck auf den Ministerrat ausüben wird, das Votum des Parlaments in ihrem Sinne abzumildern.