Nachricht 14.12.2015

Adventskalender: Behörde prüft doch noch Namensnennung

Es ist ein Schildbürgerstreich, bei dem das Lachen im Halse stecken bleibt. Erst hat die Lebensmittelbehörde in Bayern mit gefährlichen Mineralölen belastete Adventskalender einfach im Verkauf gelassen und die Namen der betroffenen Produkte verschwiegen. Nun prüft sie auf Antrag von foodwatch doch noch eine Namensnennung, und zwar „im Eilverfahren“. Damit könnten die gesundheitsrelevante Informationen endlich öffentlich werden: Kurz vor Weihnachten, wenn die belastete Schokolade größtenteils verzehrt ist...

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) prüft nun doch eine kurzfristige Nennung der mit gefährlichen Mineralölen belasteten Schokoladen-Adventskalender. Zuvor hatte foodwatch die Veröffentlichung der bislang zurückgehaltenen Informationen beantragt. „Wir werden das Verfahren als Eilverfahren führen“, teilte das LGL mit. Allerdings sei es „frühestens am Mittwoch, den 16.12.2015, möglich“, die Informationen herauszugeben.

Information wäre möglich – auch ohne Antrag

Zunächst seien die betroffenen Unternehmen zur Anhörung angefragt worden. Dieser formale Schritt ist nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) erforderlich, auf das sich foodwatch behelfsweise bei ihrem Auskunftsantrag berufen hatte. foodwatch kritisierte jedoch, dass Bayern die gesundheitsrelevanten Informationen ohne Antrag längst von sich aus hätte publik machen können – ohne Anhörung der Unternehmen und damit sehr viel schneller.

Aus Sicht von foodwatch ein echter Schildbürgerstreich, für den die bayerische Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf die Verantwortung trägt: Erst weisen die Behörden Mineralölbelastungen in Adventskalendern nach, lassen die Produkte aber einfach im Handel und muten zahlreichen Kindern vermeidbare gesundheitliche Risiken zu. Dann hält Bayern die Namen der betroffenen Produkte geheim, obwohl das Lebensmittelrecht den Behörden die Möglichkeit einräumt, diese sofort und ohne Antrag publik zu machen. Jetzt wird die Veröffentlichung der Namen zwar geprüft, aber nur nach einem förmlichen Antragsverfahren, so dass noch mehr Zeit verloren geht. Am Ende wird, vielleicht, wenn die betroffenen Unternehmen nichts dagegen haben, doch noch eine Information erfolgen – dann, wenn die belastete Schokolade fast vollständig verzehrt ist.

5 von 11 Kalendern mit aromatischen Mineralölen belastet

Das LGL hatte eigenen Angaben zufolge im November elf Adventskalender analysiert und in fünf Schokoladen so genannte aromatische Mineralöle (MOAH) gefunden. Über die Untersuchung hatte das LGL am 1. Dezember auf seiner Internetseite berichtet, ohne dabei Messdaten und ohne die Namen der getesteten bzw. belasteten Produkte zu nennen. Die Kalender blieben also nicht nur im Verkauf – in Bayern, aber offenbar auch darüber hinaus –, den Verbraucherinnen und Verbrauchern wurde zudem jede konkrete Information vorenthalten.

Lebensmittelrecht gibt Möglichkeit zur Information

Auch wenn es für aromatische Mineralöle bislang keine gesetzlichen Grenzwerte gibt, haben die Behörden im eigenen Ermessen die Möglichkeit, belastete Produkte aus dem Handel zu nehmen und öffentlich über die Belastung zu informieren. Im aktuellen Falle wäre dies nach Auffassung von foodwatch dringend geboten gewesen. Das LGL selbst bewertet aromatische Mineralöle als „besonders bedenklich, da hier potentiell krebserregende Substanzen enthalten sein können“, und betont: „Der Übergang auf Lebensmittel ist daher vor allem bei dieser Fraktion unerwünscht.“ Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA bezeichnet MOAH zudem als potenziell erbgutverändernd. Wegen dieser Risikobewertung gibt es für aromatische Mineralöle keine unbedenklichen Schwellenwerte – ein Risiko besteht, sobald die Substanzen in Lebensmitteln nachgewiesen wurden.

foodwatch hatte die bayerische Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf Ende der vergangenen Woche aufgefordert, die Namen der belasteten Adventskalender öffentlich zu machen. Eine entsprechende E-Mail-Aktion unter www.adventskalender.foodwatch.de unterzeichneten seither bereits mehr als 16.000 Menschen. Doch anstatt die Möglichkeit einer aktiven Informationspolitik nach dem Lebensmittelrecht (§ 40 LFGB) zu nutzen, verwies das LGL gegenüber Medien auf das Verbraucherinformationsgesetz (VIG), in dem geregelt ist, welche Informationen auf Antrag veröffentlicht werden müssen. Das VIG sieht dafür jedoch langwierige formale Abläufe vor – unter anderem die Anhörung der betroffenen Unternehmen. Die üblichen Fristen von zwei Monaten für einen solchen Fall hat das LGL durch die Ankündigung eines „Eilverfahrens“ nun immerhin außer Kraft gesetzt. Bei einer aktiven Information unabhängig von einem Antrag wären die Behörden jedoch weder an Fristen noch an eine Anhörung der Unternehmen gebunden gewesen.

foodwatch fordert bundesgesetzliche Informationspflicht

Aus Sicht von foodwatch zeigt die Posse um die belasteten Adventskalender die Notwendigkeit einer klaren gesetzlichen Regelung auf Bundesebene. Solange die Behörden Ermessensspielräume haben, wird zu oft wirtschaftlichen Interessen der Vorrang vor dem Gesundheitsschutz gegeben. Es ist daher die Aufgabe von Bundesernährungsminister Christian Schmidt, im Lebensmittelrecht endlich klarzustellen: Gesundheitsrelevante Informationen sollen nicht nur, sondern müssen sofort und ohne Wenn und Aber veröffentlicht werden.

(Bild: fotolia.com/JiSign)