Nachricht 04.09.2013

Agrar-Spekulation: Doppeltes Spiel von Wolfgang Schäuble

Ab heute wird es spannend in Brüssel: Die Verhandlungen über ein Gesetz zur Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation gehen in die entscheidende Phase. EU-Kommission, EU-Parlament und die EU-Finanzminister haben jeweils ihre Vorschläge unterbreitet und müssen sich jetzt auf einen gemeinsamen Text für die sogenannte "Finanzmarktrichtlinie MiFID" einigen. Zu befürchten ist jedoch, dass ein völlig wirkungsloses Gesetz herauskommt und die Hunger-Geschäfte auf Kosten der Ärmsten einfach weitergehen.

Als Reaktion auf den Crash von 2008 soll die MiFID-Richtlinie die europäischen Finanzmärkte wirksam regulieren und auch die Spekulation mit Nahrungsmitteln eindämmen. foodwatch-Recherchen zeigen allerdings: Es ist zu befürchten, dass der Gesetzesentwurf zur Makulatur wird. Vor allem, weil auch der einflussreiche deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble (CDU), sich dem Druck der Bankenlobby gebeugt hat und sich nicht entschieden für eine strikte Regulierung der Rohstoffgeschäfte einsetzt.

Ausnahmeregeln für Hunger-Zocker

Das EU-Parlament verabschiedete im Oktober 2012 – auch mit den Stimmen von SPD und Grünen – einen eigenen, allerdings völlig unzureichenden Entwurf. Im Juni 2013 folgte der Finanzministerrat mit einem Richtlinienentwurf, der an den entscheidenden Stellen absolut verwässert ist und die Zockerei an den Rohstoffbörsen nicht effektiv eindämmt.

So ist die Beschränkung des Handelsvolumens von Finanzderivaten durch eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen völlig wirkungslos. Darüber hinaus sind die Transparenzanforderungen so ausgestaltet, dass es keine europäische Aufsichtsbehörde geben wird, die den Derivatemarkt überblicken kann.

Hat der Entwurf – bei dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erheblichen Einfluss hat – Erfolg, bleiben die europäischen Finanzmärkte also ein undurchsichtiges Gebilde, bei dem von Regulierung und Kontrolle keine Rede sein kann.

Doppeltes Spiel von Wolfgang Schäuble

Trotz aller Versprechungen von Wolfgang Schäuble, dem Zocken auf den Finanzmärkten ein Ende zu setzen: Letztlich ist der Bundesfinanzminister also doch vor der Finanzlobby auf die Knie gegangen. Aber während Herr Schäuble hinter den Kulissen einem Gesetzentwurf zustimmt, der vor allem den Interessen der Finanzlobby dient, behauptet sein Ministerium öffentlich etwas ganz anderes: Man setze sich auf EU-Ebene für eine effektive Regulierung ein und beschränke die Nahrungsmittelspekulation wirkungsvoll.

foodwatch wird die EU-Verhandlungen weiter genau verfolgen und fordert Wolfgang Schäuble auf, sich in Brüssel nicht wieder für die Finanzindustrie, sondern endlich für die vom Hungertod bedrohten Menschen einzusetzen. Schließlich können schon kurzzeitige spekulative Preiserhöhungen von wenigen Wochen Dauer bei Schwangeren und Kleinkindern lebenslange gesundheitliche Schäden, wenn nicht den Hungertod verursachen.

Banken in die Verantwortung nehmen

Wir brauchen daher endlich eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte – auch gegen den Widerstand der Finanzlobby. Dass Deutsche Bank, Goldmann Sachs und Co. keinerlei Interesse an transparenten Märkten und einem Ende der Spekulation haben, ist offensichtlich. Harald Hau, Professor für Ökonomie und Finanzwirtschaft an der Universität Genf, bringt es auf den Punkt: „Die fehlende Markttransparenz ist vor allem von den Großbanken gewollt, weil darauf ihr Informationsvorsprung und die Profitabilität ihres Handels beruhen.“

Protest gegen die Deutsche Bank

Doch solang keine effektive Regulierung der Finanzmärkte auf EU-Ebene in Sicht ist, sieht foodwatch die Finanzindustrie in der Verantwortung: Banken müssen von sich aus endlich die unmoralischen Wetten auf Nahrungsmittelpreise beenden. In einer E-Mail-Protestaktion fordert foodwatch die Deutsche Bank, als eine der größten Investmentbanken der Welt, auf, mit gutem Beispiel voran zu gehen und aus der Agrarspekulation auszusteigen.