Nachricht 21.04.2016

Deutsches Bier: Reinheitsgebot oder „Scheinheitsgebot“?

Nach dem sogenannten Reinheitsgebot sind in deutschem Bier nur die Zutaten Hopfen, Malz, Wasser und Hefe erlaubt. Den meisten Verbrauchern ist nicht bekannt, dass im Herstellungsprozess aber auch technische Hilfsstoffe verwendet werden oder dass es keine Vorgaben zur Qualität der verwendeten Rohstoffe gibt. Das Reinheitsgebot ist also eher ein „Scheinheitsgebot“.

Der 23. April 2016 ist offiziell der 500. Geburtstag des deutschen Reinheitsgebots. Aus Sicht von foodwatch ist das allerdings nicht nur Grund zur Freude.  Denn eigentlich handelt es sich dabei lediglich um eine nicht besonders präzise Herstellungsnorm, wie ein Factsheet von foodwatch zeigt.

Zwar sind durch das deutsche Reinheitsgebot Zusatzstoffe ausgeschlossen. Allerdings setzt die Brauindustrie auf verschiedene technische Hilfsstoffe und Kniffe. Der Einsatz des Kunststoffes Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP) beispielsweise dient dazu, Bier haltbarer zu machen. Kieselgur kann genutzt werden, um Trübstoffe aus dem Bier zu filtern. Beide gelten zwar als gesundheitlich unbedenklich. Ob sie im Herstellungsprozess verwendet wurden, erfahren die Verbraucherinnen und Verbraucher bislang allerdings nicht.

Rückstände von Pestiziden möglich

Beim Anbau von Hopfen und Getreide dürfen verschiedenste chemische Pflanzenschutzmittel verwendet werden, etwa das Herbizid Glyphosat. Und beim Brauen muss die Zutat Hopfen nicht einmal in ihrer ursprünglichen Form verwendet werden. Das Reinheitsgebot überlässt es den Brauereien, ob sie Doldenhopfen, zu Pellets gepressten, getrockneten Hopfen oder Hopfenextrakt einsetzt. Letzterer wird mit Hilfe von Kohlensäure und Ethanol aus dem Hopfen extrahiert und zu einer schwarzgrünen klebrigen Masse eingedickt.

foodwatch kommt deshalb zu dem Schluss, dass das  sogenannte Reinheitsgebot eher Marketingstrategie als Qualitätssiegel ist. Davon zeugt auch seine Geschichte: Schon wenige Jahrzehnte nach dem Erlass 1516 wurde die Vorschrift aufgeweicht, weitere Zutaten wie Koriander und Lorbeer wurden über einen längeren Zeitraum wieder zugelassen. Und der Name „Reinheitsgebot“ ist zudem eine Erfindung des frühen zwanzigsten Jahrhunderts.