Nachricht 21.04.2008

EU erlaubt noch mehr Dioxin im Fisch

Die EU-Kommission erhöht den Dioxin-Grenzwert für Fischleber von 8 auf 25 Pikogramm pro Gramm. Das hat der zuständige Ausschuss am 18.04.2008 beschlossen. Um gesundheitliche Schäden zu vermeiden, dürfen Verbraucher nur alle neun Wochen eine Portion Fischleber verspeisen.

Die von der EU-Kommissarin für Gesundheit, Androulla Vassiliou, vorgeschlagene Erhöhung des Dioxin-Grenzwertes bedeutet ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Liebhaber der Fischspezialität Dorschleber. Nach einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll ein Mensch aus allen Lebensmitteln pro Tag maximal 4 Pikogramm Dioxine und dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle (dl-PCB) je Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Die EU, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Dioxinbelastung der Bevölkerung insgesamt zu reduzieren, gibt als Zielwert 1 Pikogramm Dioxine pro Kilogramm Körpergewicht vor.

Für einen 70 Kilogramm schweren Menschen bedeutet die WHO-Empfehlung eine maximale tägliche Aufnahme von 280 Pikogramm Dioxinen, der EU-Zielwert die Einnahme von höchstens 70 Pikogramm. Jedoch nimmt eine Person das Zehnfache (WHO) bis das Vierzigfache (EU) dieser Mengen zu sich, wenn sie den Inhalt einer 115-Gramm-Fischdose verspeist, die nach dem neuen EU-Grenzwert noch verkauft werden darf.

Dioxin-Grenzwerte nach Belastung festgelegt

Die Festsetzung der Dioxin-Grenzwerte folgt einer absurden Logik: Sind Produkte in der Regel stark mit Dioxinen belastet, wird der Grenzwert höher angesetzt. Fisch kann vergleichsweise viel Dioxine und dl-PCB enthalten, da Fische diese Giftstoffe sowohl über die Nahrungskette als auch direkt aus dem Wasser aufnehmen. So sind manche Gebiete der Ostsee durch Industrieabwässer der Anrainerländer besonders stark mit Dioxinen und dl-PCB belastet. Dorsch, der Ostsee-Kabeljau, nimmt die Giftstoffe aus dem Wasser auf und reichert sie vor allem in fettreichen Organen wie der Leber an.

Bei Dioxin-Grenzwerten muss zudem die tatsächliche Verzehrsmenge von Lebensmitteln berücksichtigt werden. Wenn die Regierung, wie bei Quecksilber in Fisch geschehen, eine Verzehrsempfehlungen ausspricht, dürfte ein Mensch nur alle neun Wochen eine Portion Fischleber (150 Gramm) verspeisen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Dabei wird die durchschnittliche Hintergrundbelastung mit Dioxinen durch andere Lebensmittel berücksichtigt.

Neuer Grenzwert nach Industriewünschen

Bei Tests von foodwatch im Frühjahr 2007 wurde der damalige Grenzwert für Dioxine und dl-PCB in Dorschleber um das bis zu Zehnfache überschritten. Die meisten Handelsunternehmen hatten die Fischkonserven nach den Veröffentlichungen von foodwatch ausgelistet. Die Hauptproduzenten in Deutschland, die Firmen Rügenfisch und Stührk, hatten die Produktion ausgesetzt. Daraufhin hatten die Unternehmen angekündigt, sich für eine Revision des Grenzwertes einzusetzen. Nun wurde der Grenzwert ganz nach den Wünschen der Industrie heraufgesetzt.

Diese Vorgehensweise der EU ist nicht neu: Erst 2006 wurde der Dioxin-Grenzwert für Fischöl von 6 auf 24 Nanogramm pro Kilogramm heraufgesetzt. Fischöle werden vor allem Futtermitteln zugesetzt, und so gelangen Dioxine in die menschliche Nahrung. Fleisch, Fisch, Eier und Milch sind für 80 Prozent der menschlichen Gesamtaufnahme an Dioxinen verantwortlich. Wenn die EU Grenzwerte wiederholt heraufsetzt, erweist sich die Rede vom vorbeugenden Gesundheitsschutz als bloßes Lippenbekenntnis.