Hintergrund

Junkfood-Marketing an Kinder: 7 irreführende Argumente gegen Werbeschranken

Mit zweifelhaften Aussagen versuchen Lobbyverbände und Politiker:innen von FDP und CDU, das von Bundesernährungsminister Cem Özdemir geplante Verbot von Junkfood-Werbung an Kinder zu verhindern. Das sind die sieben absurdesten Argumente.

(Zentralverband der Werbewirtschaft/ZAW, Lebensmittelverband, Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie/BDSI, Christina Stumpp (CDU))

Fakt ist: Werbung für ungesunde Lebensmittel erhöht nachweislich deren Verzehr und prägtdas Essverhalten und die Kaufvorlieben von Kindern. Internationale Erfahrungen zeigen: In Staaten mit verbindlichen Werbeverboten ist der Junkfood-Verkauf in den Jahren 2002 bis 2016 um knapp neun Prozent zurückgegangen. In Ländern ohne solche Regelungen ist er im gleichen Zeitraum um knapp 14 Prozent gestiegen. Dass es noch keine belastbaren Studien zum Effekt von Werbung auf die Übergewichtsreduktion gibt, liegt allein daran, dass umfassende Werbebeschränkungen in anderen Ländern noch nicht lange in Kraft sind und repräsentative Daten zur Gewichtsentwicklung bei Kindern nur selten erhoben werden. Es ist aber wissenschaftlich klar belegt: Junkfood-Werbung führt zu mehr Junkfood-Konsum bei Kindern. Deshalb fordern sämtliche Fachorganisationen, von der Weltgesundheitsorganisation über medizinische Fachgesellschaften bis hin zu Verbraucherverbänden und Kinderschutzorganisationen, Werbebeschränkungen als einen zentralen Baustein gegen Fehlernährung und Adipositas.

(VAUNET Verband Privater MedienMedienverband Freie Presse/Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger, Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft/ZAW)

Fakt ist: Weder Sport- noch Medienfinanzierung ist allein von der Werbung für Fett- und Zuckerbomben abhängig. Eine Auswertung der WHO zeigt, dass etwa für ein Drittel der Lebensmittel auf dem Markt weiterhin uneingeschränkt geworben werden dürfte – genau wie für alle anderen Produkte wie Körperpflege, Spielwaren, Möbel oder Versicherungen.

(Lebensmittelverband, ZAW)

Die einseitige Fokussierung auf das Thema Bewegungsförderung ist ein Ablenkungsmanöver der Lebensmittelindustrie. Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. So nennt die Weltgesundheitsorganisation sowohl Werbebeschränkungen und fiskalische Maßnahmen wie eine Limo-Steuer als auch Maßnahmen zur Steigerung körperlicher Aktivität als zentrale Ansätze zur Bekämpfung der Adipositas-Epidemie.

(Gero Hocker (FDP))

Fakt ist: Selbstverständlich liegt es in der Verantwortung der Eltern, für eine gesunde Ernährung der Kinder zu sorgen. Aber warum sollten Eltern weiter gegen eine milliardenschwere Werbeindustrie ankämpfen müssen, die mit perfiden Marketingtricks ihre Kinder auf allen Kanälen mit Junkfood lockt? Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist ein Grundrecht. Daher sollte die Gesundheit der Kinder durch eine Regulierung vor schädlichen Einflüssen geschützt werden, genauso wie es auch beim Alkohol- und Tabakwerbeverbot geschehen ist. Der Staat darf besonders solche Kinder nicht im Stich lassen, in deren Elternhaus eine gesunde Ernährung nicht gewährleistet ist.

(Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft/ZAW, Lebensmittelverband)

Fakt ist: Kinder schauen laut Daten der AGF Videoforschung insbesondere abends Fernsehen. Jede dritte der von Kindern meistgesehenen Sendungen ist kein Kinderprogramm, sondern ein abends ausgestrahltes Sport- oder Unterhaltungsformat. Eine Untersuchung der Universität Hamburg hat gezeigt, dass TV-nutzende Kinder zur abendlichen Primetime im Durchschnitt fünf Werbespots für ungesunde Lebensmittel sehen.

(Christian Dürr (FDP), Thorsten Frei (CDU))

Fakt ist: Es geht hier nicht um Verbote von bestimmten Lebensmitteln, sondern um den Schutz der Kinder vor schädlichem Marketing – ähnlich wie beim Tabak- und Alkoholwerbeverbot. Kein Kind wird mündiger oder aufgeklärter, nur weil es mit Junkfood-Werbung bombardiert wird. Gesundheitsschutz von Kindern ist keine Bevormundung, vielmehr werden Kinder in ihrer freien Entfaltung und Entwicklung eingeschränkt, wenn sie durch Werbung zu ungesunder Ernährung verführt und dadurch übergewichtig und krank werden.

(Carina Konrad (FDP), Gero Hocker (FDP))

Fakt ist: Das WHO-Nährwertprofil ist international anerkannt und explizit für die Regulierung des Kindermarketings entwickelt worden. Andere Länder wie Österreich, Slowenien und Portugal nutzen es bereits. Eine Auswertung der WHO hat ergeben: 27 Prozent der Lebensmittel dürften gemessen an dem kürzlich aktualisierten WHO-Modell weiter an Kinder beworben werden – so z.B. Kellogg’s Cornflakes, ungesalzene Reiswaffeln, Studentenfutter oder auch alle ungesüßten Tees und Erfrischungsgetränke. Man kann über einzelne Grenzwerte streiten, aber das ist kein Argument gegen das Modell als solches. Das Bundesernährungsministerium plant übrigens nationale Anpassungen des WHO-Profils. So soll auch die Werbung für Vollfett-Milch und für 100%-Säfte weiter erlaubt sein.