70.000 Tonnen unauffindbar

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Etwa 130.000 Tonnen sogenanntes Separatoren­fleisch werden in Deutschland jährlich produziert – Restfleisch, das mit Maschinen vom Knochen entfernt wird. Etwa 60.000 Tonnen davon werden exportiert, die übrigen rund 70.000 Tonnen bleiben im Land. Doch in welcher Wurst oder welcher Nudelfüllung das Separatorenfleisch landet, erfährt der Verbraucher nicht. Damit muss Schluss sein!

In Deutschland stammt etwa die Hälfte des gewonnenen Separatorenfleischs vom Schwein und die Hälfte vom Geflügel. Wie wird dieses Fleischprodukt hergestellt? Wenn die wertigen Teile beim Schlachten entfernt wurden, bleibt ein Gerippe mit anhaftendem Restfleisch übrig, die sogenannte „Karkasse“. Um möglichst viel vom Restfleisch zu gewinnen, werden zunächst die Karkassen bzw. großen Knochen grob zerkleinert und mit Hilfe von Druck durch eine Art Sieb gepresst. Knochen und Knorpel bleiben im Sieb hängen – Muskulatur, Fett und Bindegewebe können passieren. Eine hackfleischähnliche Masse ist das Ergebnis. „Separatorenfleisch“ ist EU-weit gesetzlich definiert als „Erzeugnis, das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird“.

Separatorenfleisch als Konsequenz aus der Nutztierhaltung

Die Verwendung dieses Restfleischs ist nicht grundsätzlich bedenklich. Wenn wir Tiere nutzen und für den menschlichen Verzehr töten, ist es unsere moralische und ökologische Pflicht, sie weitest möglich zu verwerten. Würden wir nur die „Edelstücke“ von Nutztieren verzehren, gingen wir ineffizient mit den Ressourcen um und sorgten für unnötige Umwelt- und Klimabelastungen. Separatorenfleisch zu verarbeiten ist also eine logische Konsequenz aus der Nutztierhaltung. Aus Sicht von foodwatch müssen dabei jedoch zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens müssen das Ausgangsmaterial und sämtliche Verarbeitungs- und Behandlungsschritte hygienisch einwandfrei sein. Und zweitens muss über die gesamte Verwertungskette bis zum Endprodukt, wenn Separatorenfleisch zum Einsatz kommt, Transparenz für die Verbraucher herrschen. Doch das ist derzeit nicht der Fall.

Hygieneanforderungen für Separatorenfleisch-Hersteller

Werden bei der Produktion alle lebensmittelrechtlichen und Hygienevorgaben eingehalten, ist die Verwendung von Separatorenfleisch gesundheitlich unbedenklich. Die Herstellung ist allerdings hygienisch besonders sensibel und das abgelöste und zerkleinerte Fleisch ist – ähnlich wie Hackfleisch – anfälliger für mikrobakterielle Verunreinigungen. Betriebe, die Separatorenfleisch gewinnen, müssen spezielle Anforderungen an die Hygiene erfüllen – die weder konsequent eingehalten noch ausreichend kontrolliert werden, wie ein EU-Bericht vom Oktober 2012 ergab. Das europäische Lebensmittel- und Veterinäramt (FVO) hatte bei zwei von fünf kontrollierten Separatorenfleisch-Herstellern in Deutschland Mängel festgestellt, es wurde gegen die Hygienevorschriften verstoßen. Beispielsweise waren die Räume nicht verlässlich gegen Schädlinge geschützt („durchlässige Außentüren“), in einem der besuchten Betriebe wurden „von Maschinenöl verunreinigte Schlachtkörper“ entdeckt.

Kennzeichnungslücken für Verbraucher

Separatorenfleisch ist per gesetzliche Definition kein „Fleisch“ und muss bei verpackter Ware als „Separatorenfleisch“ inklusive Angabe der Tierart gekennzeichnet werden. Das Problem ist: In der Gastronomie besteht keine Kennzeichnungspflicht. Ob die Currywurst oder die Buletten aus Separatorenfleisch hergestellt wurden, erfährt der Verbraucher nicht. Durch Laboranalysen kann die staatliche Lebensmittelkontrolle im Endprodukt Separatorenfleischkaum nachweisen, wenn es mit modernen Maschinen gewonnen wird. Das entbindet die Behörden jedoch nicht von Ihrer Pflicht, auf Basis der Lieferscheine den Verbleib des Separatorenfleischs in der gesamten Verarbeitungskette bis zum verkaufsfertigen Produkt aufzuklären.

Hoher Anreiz zum Betrug – und behördliches Desinteresse

Da es im Labor kaum nachweisbar und gleichzeitig sehr günstig ist, ist es für Hersteller besonders verlockend, Separatorenfleisch ohne Deklaration beispielsweise in Brühwürsten oder anderen Produkten mit fein zerkleinertem Fleischanteil zu verwenden. Bei Einkaufspreisen von etwa 80 Cent/kg könnte ein Wursthersteller beträchtliche Kosten sparen, wenn er statt gewachsenem Fleisch, das - je nach Tierart - im Großhandel etwa zwei- bis fünfmal so teuer ist, Separatorenfleisch verwendet. Das im Laufe der foodwatch-Recherchen von den meisten angefragten zuständigen Länderministerien signalisierte Desinteresse erweckt den Eindruck, dass die Verbraucher solchen Betrugsmöglichkeiten staatlicherseits schutzlos ausgeliefert sind.

foodwatch-Suche nach Separatorenfleisch

Obwohl etwa 70.000 Tonnen Separatorenfleisch jährlich in Deutschland verarbeitet werden, war es foodwatch trotz intensiver Recherche nicht möglich herauszufinden, in welchen konkreten Produkten diese Massen letztlich landen. Abgesehen von einigen wenigen Produkten, findet sich nirgends ein Hinweis auf die Verwendung von Separatorenfleisch. Von Insidern bekam foodwatch auf Nachfrage die Antwort, diese enormen Mengen an Separatorenfleisch verschwänden im „Nirwana“, es gäbe hier eine „große Wahrheitslücke“ und den „starken Verdacht“, dass das Separatorenfleisch „ohne Deklaration“ verarbeitet werde.

Wir bitten Sie daher um Ihre Mithilfe! Haben Sie Hinweise auf Anbieter, die Separatorenfleisch verarbeiten, ohne es auf der Verpackung (Supermarkt) oder der Speisekarte (Gastronomie) zu kennzeichnen? Dann kontaktieren Sie uns über dieses Kontaktformular oder senden Sie uns eine Email an separatorenfleisch@foodwatch.de