Nachricht 12.03.2015

Brief an EU-Kommissar: Gesundheitsschwindel stoppen!

foodwatch hat in einem Brief an den neuen EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis gefordert, dass Süßigkeiten oder Limonade nicht länger mit Gesundheitsversprechen beworben werden dürfen. Der Kommissar soll dafür die jüngst von der Weltgesundheitsorganisation vorgestellten „Nährwertprofile“ umsetzen.

Die europäische Health Claims-Verordnung sollte eigentlich verhindern, dass Verbraucher mithilfe von Gesundheitsversprechen auf Lebensmitteln in die Irre geführt werden. Laut Gesetz dürfen deshalb seit Ende 2012 nur noch solche Gesundheitsversprechen auf die Verpackung, die von der EU genehmigt wurden. 

Doch der Gesundheits-Schmu geht trotzdem weiter. Wie das? Eigentlich hätte die EU-Kommission schon vor Jahren festlegen sollen, auf welchen Lebensmittelgruppen überhaupt Gesundheitswerbung gemacht werden darf – damit Junkfood nicht durch Werbesprüche gesünder erscheint als es ist. Diese Lebensmittelgruppen sollten anhand von „Nährwertprofilen“ definiert werden – doch genau die fehlen bis heute. Die Industrie freut‘s, weil sie nur einen Vitamin- oder Mineralstoffcocktail  einzurühren braucht, um selbst ungesunde Produkte wie Limonade, überzuckerten Joghurt oder salzige Salami ganz legal mit Gesundheitsversprechen bewerben zu dürfen. Dank des Versagens der EU-Kommission werden die Verbraucher so ganz legal in die Irre geführt.

Nährwertprofile? Fehlanzeige!

Laut Gesetz sollten die Nährwertprofile verhindern, dass „die nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben den Ernährungsstatus eines Lebensmittels verschleiern und so den Verbraucher irreführen können.“ Kurz gesagt: Nur auf gesunden Lebensmitteln sollten Gesundheitsversprechen prangen. Doch welches Lebensmittel ist „qualifiziert“ für Gesundheitswerbung und welches nicht? Das sollten die Nährwertprofile bestimmen. Sie dienen dazu, Lebensmittel in Bezug auf ihre Nährstoffzusammensetzung einzuordnen.

Bereits im Januar 2009 hätte die EU-Kommission solche Nährwertprofile vorlegen sollen, so steht es in der Health Claims-Verordnung. Doch selbst fünf Jahre später, im März 2014, redete sich die EU-Kommission gegenüber foodwatch heraus: Da Wahlen zum Europaparlament anstünden und die Kommission neu besetzt werde, könne man noch nichts Genaues zu den Nährwertprofilen sagen. Nicht einmal einen Zeitplan mochte die Kommission damals nennen!


Mittlerweile sind diese Europawahlen Geschichte und die neue Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker ist seit vier Monaten im Amt. Deshalb hat foodwatch nun erneut nachgehakt und dem neuen EU-Gesundheitskommissar, Vytenis Andriukaitis aus Litauen, zugleich einen konkreten Vorschlag für ein Nährwertprofil-Modell unterbreitet. Denn bis heute, sechs (!) Jahre nach Ablauf der Frist von Januar 2009, hat die EU-Kommission keine Nährwertprofile vorgelegt – zum Vorteil der Junkfood-Industrie, die weiterhin selbst Süßigkeiten mit Gesundheitswerbung vermarkten darf.

WHO Europa veröffentlicht Nährwertprofile

Dabei hat das Europa-Büro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jüngst ein Nährwertprofil-Modell vorgestellt, mit dem die Zusammensetzung von Lebensmitteln bewertet werden kann. Das Prinzip der renommierten WHO-Forscher ist einfach: Produkte wie Süßigkeiten, Chips oder Limonade, die viel Zucker, Salz oder gesättigte Fettsäuren enthalten, gelten als ungesund, da eine hohe Zufuhr das Risiko für Übergewicht und chronische Krankheiten erhöhen kann. Hingegen gelten Lebensmittel als gesund, die eine ausgewogene Ernährung ausmachen: beispielsweise Wasser, Obst, Gemüse oder auch Nüsse.

WHO-Profile als Voraussetzung für Health Claims gefordert

Die WHO hat also vollbracht, wozu die EU-Kommission trotz gesetzlichen Auftrags sechs Jahre lang nicht fähig war: Sie hat ein wissenschaftlich fundiertes Modell entwickelt, mit dem die Nährstoffzusammensetzung von Lebensmitteln bewertet werden kann. Nun ist es Zeit, das in die Praxis umzusetzen. foodwatch fordert:

EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis soll veranlassen, dass nur jene Produkte Gesundheitsversprechen tragen dürfen, die den Vorgaben aus dem WHO-Modell entsprechen. Dann wäre zumindest dafür gesorgt, dass die irreführenden Gesundheitsversprechen für Junkfood ein Ende haben.

Auf der Website der EU-Kommission heißt es schließlich  „nutrient profiles (…) will be set “. Höchste Zeit, dass den Worten endlich auch Taten folgen – auch wenn es der Industrie partout nicht passt!