Nachricht 02.12.2011

Bundestag winkt schwaches Informationsgesetz durch

Der Bundestag hat heute das überarbeitete Verbraucherinformationsgesetz (VIG) verabschiedet. Es bringt zwar einige längst überfällige Verbesserungen. Bei Gammelfleisch-Funden bleibt es aber weiter dem Ermessen der Behörden überlassen, ob Verbraucher informiert werden. Der Bundestag hat die Chance verpasst, klare Informationspflichten zu formulieren.

Nach den Dioxin-Funden in Eiern und Schweinefleisch Anfang 2011 versprachen Bund und Länder auch, das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) so zu ändern, dass Verbraucher in Zukunft umfassend und schnell über Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz informiert werden. Die heute im Bundestag verabschiedete Gesetzesnovelle enthält denn auch in der Tat einige Verbesserungen – diese sind aber vielfach durch die aktuelle Rechtsprechung erzwungen oder gehen auf Prozesse zurück, die Verbraucherorganisationen geführt haben.

Kein Meilenstein

Trotzdem ist das VIG nach wie vor nicht der ursprünglich versprochene „Meilenstein“, denn:

  • Gammelfleischverkäufer werden weiterhin geschützt. Neben dem VIG soll auch Paragraph 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches geändert werden. Dieser regelt, wann Behörden vor gesundheitsschädlichen oder irreführenden Lebensmitteln warnen müssen. Überfällig ist die Änderung, dass Behörden die Öffentlichkeit zukünftig ohne Ermessenspielraum informieren müssen, wenn Produkte Grenzwerte oder Höchstmengen überschreiten. Bei Gammelfleisch und anderen so genannten „ekelerregenden“ Lebensmitteln, die nicht als gesundheitsgefährdend eingestuft werden, gibt es jedoch weiterhin Ermessensspielräume – Ross und Reiter müssen nicht zwingend genannt werden. Information über Hygieneverstößen und Täuschungsfälle sollen zudem an ein „zu erwartendes“ Bußgeld von mindestens 350 Euro gekoppelt werden. Aber nicht nur, dass es schwer nachvollziehbar ist, wie häufig Bußgelder in dieser Höhe tatsächlich verhängt werden. Die Behörden können zu Beginn eines Verfahrens oft auch nur schwer abschätzen wie hoch ein Bußgeld sein wird – und informieren dann im Zweifelsfall eben nicht. Deshalb werden auch künftig viele Informationen über Hygieneverstöße und Täuschungsfälle unter Verschluss bleiben. foodwatch fordert: Auch bei Gammelfleisch, Täuschung oder Hygieneverstößen muss ohne Ermessensspielräume informiert werden. Schon allein, damit Behörden endlich Rechtssicherheit für die Veröffentlichung der Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen haben.
  • Eine schnelle und umfassende Beantwortung von Anfragen nach dem Verbraucherinformationsgesetz ist immer noch nicht ausreichend sichergestellt. Weiterhin gibt es Hürden und Auslegungsspielräume, die dazu führen können, dass Anfragen erst sehr spät beantwortet werden. Das betrifft zum Beispiel die Frage, wann Unternehmen angehört werden müssen. Außerdem sind Behörden auch künftig nur dann verpflichtet, Informationen zu veröffentlichen, wenn gesetzliche Grenzwerte überschritten wurden. Gibt es solche Grenzwerte nicht – wie zum Beispiel bei dem krebsverdächtigen Acrylamid, wo nur sogenannte „Signalwerte“ festgelegt sind, bei deren Überschreitung die Behörden aktiv werden sollen – sind Behörden also auch nicht verpflichtet, zu informieren.
  • Die Arbeit von Verbraucherorganisationen wird erschwert. Umfangreiche Anträge, die nach Ermessen der Behörde ihre Arbeit „beeinträchtigen“, kann eine Behörde ablehnen. Das zielt besonders auf Anfragen von Journalisten und Verbraucher- bzw. Umweltschutzorganisationen wie foodwatch, Greenpeace oder Deutsche Umwelthilfe. Dabei spielen Organisationen wie diese und Medien nicht nur eine wichtige Rolle, weil sie Informationen verbreiten. Sie haben auch mit Praxistests und Klagen dafür gesorgt, das Gesetz zu verbessern und Lücken aufzuzeigen. Das soll nun offenbar unterbunden werden.
  • Hohe Kosten wirken abschreckend. Waren Informationen zu Rechtsverstößen der Lebensmittelunternehmen bislang grundsätzlich kostenfrei herauszugeben, soll dies künftig nur noch bis zu einem Verwaltungsaufwand von 1.000 Euro gelten (bei allen anderen Anfragen bis 250 Euro). Eine Obergrenze für die Gebühren will das Ministerium nicht festlegen. Das heißt: Wenn die Verbraucher zur Kasse gebeten werden, wird es richtig teuer – und dass die Kosten unkalkulierbar sind, wirkt abschreckend und kann vom Stellen einer Anfrage abhalten.
  • Die Bundesregierung hat die Gelegenheit nicht genutzt, eine gesetzliche Grundlage für das Smiley-System zu schaffen. Das VIG hätte so gestaltet werden können, dass die Bundesländer Rechtssicherheit haben und mit der Einführung des Smiley beginnen können. Doch das wollte die Bundesregierung offenbar gar nicht. Dabei könnten die Behörden selbst Aufwand und Kosten sparen, wenn sie Informationen aktiv zum Beispiel mit einem Smiley-System und im Internet veröffentlichen würden. Denn dann müssten sie weniger einzelne Anfragen beantworten.

Mit Aktionen, bei Anhörungen im Bundestag, mit Stellungnahmen und Veröffentlichungen hat sich foodwatch für ein wirksames Verbraucherinformationsgesetz eingesetzt. Einige Verbesserungen haben wir erreicht, viele Schwachstellen bleiben.