Nachricht 12.08.2011

Drei Jahre lang keine Auskunft zu Fleisch-Kontrollen

foodwatch hat Klage gegen das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebens- mittelsicherheit eingereicht. Seit drei Jahren verweigert die Behörde die Auskunft dazu, welche Fleischproben die amtlichen Lebensmittelkontrolleure beanstandet haben. foodwatch hatte nach dem Verbraucherinformationsgesetz angefragt, das 2008 in Kraft getreten ist. Damals hieß es, nun würden schwarze Schafe genannt.

foodwatch hat beim Verwaltungsgericht Oldenburg Klage gegen das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) eingereicht. Die Behörde verweigert bis heute Auskünfte über die in den Jahren 2006 und 2007 von den amtlichen Lebensmittelkontrolleuren beanstandeten Fleischproben. foodwatch hatte im Juli 2008 unter Berufung auf das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) Informationen insbesondere über die als gesundheitsgefährdend eingestuften Produkte sowie deren Hersteller beantragt und gefragt, ob und in welcher Form die Bevölkerung über die Beanstandung informiert wurde. Das LAVES argumentiert, dass es sich hierbei um „wettbewerbsrelevante Informationen“ handele – eine Auskunft über „unter anderem für das betroffene Unternehmen ungünstige Untersuchungsergebnisse“ dürfe nicht erteilt werden.

Seehofer: „Meilenstein“ VIG

Bei der Einführung des VIG im Jahr 2008 hatte der damalige Bundesverbraucherminister Horst Seehofer das Gesetz als „Meilenstein“ bezeichnet und versprochen, dass nun schwarze Schafe beim Namen genannt werden müssten. Die Verweigerungshaltung der niedersächsischen Behörde zeigt, dass wir von diesem Versprechen „meilensteinweit“ entfernt sind. Zwar sollen nach der von der Bundesregierung geplanten VIG-Reform „sonstige wettbewerbsrelevante Informationen“ nicht mehr von VIG-Auskünften ausgeschlossen sein. Das Problem aber bleibt. Wollen Verbraucher über gesundheitsgefährdende Fleischprodukte informiert werden, müssen sie erst bei den Behörden Informationsanträge stellen – und falls sie überhaupt eine Auskunft erhalten, dann erst, wenn die beanstandeten Produkte längst verzehrt sind. Gammelfleischhändler werden damit besser geschützt als die Verbraucher.

Behörden informieren nicht aktiv – und teilweise auch nicht auf Nachfrage

foodwatch fordert, im VIG eine aktive Informationspflicht für die Behörden zu verankern. Alle Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen müssen unverzüglich und nicht erst auf Anfrage veröffentlicht werden, und zwar einschließlich der Namen von belasteten Produkten und Verkaufsstellen. Weiter forderte foodwatch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner auf, von neuen Einschränkungen der Auskunftspflichten Abstand zu nehmen: Nach den Plänen der Ministerin für eine VIG-Novelle könnten Behörden unliebsame Anfragen unter Verweis auf Arbeitsaufwand nach eigenem Ermessen ablehnen. Ein Informationsantrag wie der von foodwatch bezüglich der Fleischkontrollen könnte demnach einfach pauschal abgewehrt werden.

Der Fall LAVES: Chronologie einer gescheiterten VIG-Anfrage

  • 24. Juli 2008: foodwatch beantragt unter Berufung auf das Verbraucherinformationsgesetz Auskunft über die bei den amtlichen Lebensmittelkontrollen genommenen Fleisch-Proben aus den Jahren 2006 und 2007. Insbesondere wird gefragt, wie viele Proben als „gesundheitsschädlich", „gesundheitsgefährdend" oder aus anderen Gründen beanstandet wurden, um welche Produkte welcher Hersteller es sich dabei handelte und wie die Bevölkerung über die Beanstandungen informiert wurde. Die gesetzliche Frist für die Beantwortung einer VIG-Anfrage beträgt maximal zwei Monate.
  • 20. Oktober 2008: Bereits deutlich nach Ablauf der Auskunftsfrist teilt eine LAVES-Mitarbeiterin in einer „Zwischennachricht" mit: „Aufgrund des mit Ihrem Antrag erheblich verbundenen Verwaltungsaufwandes ist es mir leider nicht möglich die Regelfrist [.] einzuhalten. Auch wenn Sie dafür kein Verständnis haben, so bitte ich doch um Geduld. Ich werde zu gegebener Zeit abschließend auf den Vorgang zurückkommen." Als Grund für die Verzögerung wird angeführt, dass das LAVES „eine erhebliche Anzahl von beteiligten Dritten (ca. 1500)" die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt habe. Die Zahl von „ca. 1500" betroffenen Dritten lässt auf eine erhebliche Zahl an Beanstandungen schließen.
  • 5. Dezember 2008: Auf Nachfrage nach dem Stand des Verfahrens bittet das LAVES weiterhin um „etwas Geduld".
  • 13. September 2010: In seinem Bescheid lehnt das LAVES Auskünfte über „einen Großteil der begehrten Informationen" ab - hierbei geht es um die konkreten Auskünfte über die beanstandeten Produkte und deren Hersteller. Das LAVES beruft sich vor allem auf den Ausschlussgrund der „sonstigen wettbewerbsrelevanten Information", wozu „unter anderem für das betroffene Unternehmen ungünstige Untersuchungsergebnisse" zählten. Andere Auskünfte, etwa über die (anonyme) Zahl der Beanstandungen, sollen foodwatch erteilt werden – jedoch erst, wenn der Bescheid rechtskräftig ist.
  • 12. Oktober 2010: foodwatch legt Widerspruch gegen den Bescheid ein.
  • 30. Mai 2011: Das LAVES weist den Widerspruch zurück.
  • 9. Juni 2011: foodwatch reicht beim Verwaltungsgericht Oldenburg Klage gegen das LAVES ein.
  • August 2011: Nach Akteneinsicht übermittelt foodwatch dem Gericht eine ausführliche Klagebegründung.