Nachricht 31.08.2012

Neues Informationsrecht tritt in Kraft

Morgen tritt das überarbeitete Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in Kraft. Zwar gab es einige Verbesserungen. Doch Behörden sind damit weiter nicht verpflichtet, bei Gammelfleisch-Funden zu informieren. Auch Hygieneverstöße und Täuschungsfälle müssen nicht immer veröffentlicht werden. Nur bei Grenzwertüberschreitungen müssen die Behörden zwingend informieren – und auch das erst, wenn ein zweites Labor die Ergebnisse bestätigt hat.

Das Hauptproblem bleibt auch mit dem neuen VIG bestehen: Die Behörden müssen nicht aktiv und von sich aus alles veröffentlichen, was sie über gesundheitsgefährdende, ekelerregende oder unhygienische Zustände wissen. Dabei hätten sich durch eine aktive Informationspolitik der Behörden viele Anfragen von Verbrauchern von vornherein erledigt – Verbraucher würden Aufwand und Kosten sparen, und die Behörden Arbeit. Vor allem aber würde eine umfassende Veröffentlichung von Verstößen präventiv wirken – das zeigt das Beispiel Dänemark. Dort warnt ein Smiley Kunden schon an der Ladentür vor Schmuddelbetrieben und Ekelrestaurants. Die Zahl der Beanstandungen bei den amtlichen Kontrollen hat sich dadurch, anders als in Deutschland, in den letzten Jahren nachweislich verringert. Doch weder wurden mit dem neuen VIG die Grundlagen für ein deutschlandweites Smiley-System geschaffen. Noch wurden Behörden dazu verpflichtet, aktiv und umfassend von sich aus zu informieren.

Das kritisiert foodwatch:

  • Bei Gammelfleisch muss nicht informiert werden: Geht es „nur“ um ekelerregende Lebensmittel wie zum Beispiel Gammelfleisch, die nicht als gesundheitsgefährdend eingestuft werden, bleibt es im Ermessen der Behörden, ob informiert wird.
  • Über Grenzwertüberschreitungen muss informiert werden – aber erst wird „nachgemessen“: Zwar müssen die Behörden nun aktiv über Grenzwertüberschreitungen wie bei Dioxin informieren. Doch die Information der Öffentlichkeit soll erst dann erfolgen, wenn Messergebnisse von zwei unterschiedlichen Laboren vorliegen. Das führt zu Verzögerungen. Im Zweifelsfall ist die Ware aufgegessen, bevor die Verbraucher von einer Belastung erfahren.
  • Hygieneverstöße werden erst ab 350 Euro Bußgeld veröffentlicht: Verstöße gegen Hygiene- und Täuschungsschutzvorschriften sollen erst ab einem Bußgeld von 350 Euro veröffentlicht werden. Doch Behörden können zu Beginn eines Verfahrens oft nur schwer abschätzen, wie hoch ein Bußgeld sein wird – und informieren dann im Zweifel eben nicht.
  • Kein „Smiley“-System: Die Bundesregierung hat es versäumt, mit dem VIG eine Gesetzesgrundlage zu schaffen nach der die Bundesländer Unternehmen verpflichten könnten, die Ergebnisse der letzten Kontrollen mit einem Symbol wie dem Smiley oder einem Hygienebarometer auszuhängen.
  • Die Arbeit von Verbraucherorganisationen wird erschwert. Umfangreiche Anträge, die nach Ermessen der Behörde ihre Arbeit „beeinträchtigen“, kann eine Behörde ablehnen. Das eröffnet den Behörden eine Möglichkeit unbequeme Anträge von Verbrauchern, Verbraucher- und Umweltorganisationen und Medien pauschal abzulehnen.  
  • Hohe Kosten wirken abschreckend. Anfragen, bei denen es nicht um einen Rechtsverstoß geht, sind bis zu einem Aufwand von 250 Euro kostenfrei. Anfragen zu Verstößen gegen das Lebensmittelrecht waren bisher immer kostenfrei. Zukünftig soll das nur noch für bis zu einem Verwaltungsaufwand von 1.000 Euro gelten. Eine Obergrenze für die Gebühren will das Ministerium nicht festlegen. Das heißt: Wenn die Verbraucher zur Kasse gebeten werden, wird es richtig teuer – und dass die Kosten unkalkulierbar sind, wirkt abschreckend und kann vom Stellen einer Anfrage abhalten.
  • Kein Informationsanspruch gegenüber Unternehmen: Nach wie vor sind keine Informationsansprüche gegenüber Unternehmen im Gesetz verankert. 

Das ändert sich durch die neuen Regelungen zum Positiven:

  • Aktive Information über Grenzwertüberschreitungen: Behörden müssen in Zukunft von sich aus aktiv (zum Beispiel auf  lebensmittelwarnung.de) über Grenzwert- und Höchstmengenüberschreitungen informieren.
  • Messergebnisse sind keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse: Zukünftig können Informationen nicht mehr so einfach mit dem Verweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zurückgehalten werden. Es wurde zum Beispiel klargestellt, dass Messergebnisse, die bei amtlichen Kontrollen erhoben wurden, keine Betriebsgeheimnisse sein können. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht: Bisher haben Behörden beispielsweise Acrylamidwerte zurückgehalten mit dem Verweis auf Betriebsgeheimnisse.
  • Information soll künftig Vorrang haben: Künftig soll in der Regel informiert und nur in Ausnahmefällen nicht informiert werden. Wie die Behörden damit konkret umgehen, bleibt abzuwarten.
  • Antragsverfahren erleichtert: In Zukunft sind Anfragen auch per E-Mail oder telefonisch möglich.
  • Unternehmen müssen nicht zwingend gefragt werden: Klargestellt wurde, dass die Behörden nicht in jedem Fall die Stellungnahmen des betroffenen Unternehmens abwarten müssen – dies hatte die Herausgabe von Informationen bisher massiv verzögert. Auch ein Widerspruch der Unternehmen gegen die Herausgabe soll keine aufschiebende Wirkung haben, künftig kann auch während laufender Verfahren informiert werden. Gleichwohl kann sich die Herausgabe von Informationen auch weiterhin verzögern, da die Unternehmen zunächst 14 Tage Zeit bekommen, um Rechtsmittel einzulegen.

Das neue VIG bringt zwar einige – längst überfällige – Verbesserungen. Diese sind aber vielfach durch die aktuelle Rechtsprechung erzwungen oder gehen auf Prozesse zurück, die Verbraucherorganisationen geführt haben. Dass Grenzwertüberschreitungen aktiv veröffentlicht werden müssen, ist beispielsweise eine Reaktion auf den Dioxinskandal Anfang 2011. Doch das größte Manko bleibt: Die Bundesregierung hat die Gelegenheit verstreichen lassen, klare Informationspflichten für die Behörden zu formulieren.