Nachricht 22.04.2015

Präventionsgesetz untauglich im Kampf gegen Übergewicht

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für ein „Präventionsgesetz“ ist ungeeignet für den Kampf gegen Krankheiten, die durch ungesunde Ernährung mitverursacht werden. Keine einzige Maßnahme im Gesetzentwurf adressiert die Mitverantwortung der Lebensmittelindustrie für die dramatische Zunahme von Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern.

Der Gesundheitsausschuss des Bundestages berät heute über das sogenannte „Präventionsgesetz“, das laut Bundesgesundheitsministerium die „Prävention und Gesundheitsförderung in jedem Lebensalter und in allen Lebensbereichen“ verbessern soll. Vor der öffentlichen Anhörung forderte foodwatch in einer Stellungnahme, endlich auch die Ernährungsindustrie stärker in die Verantwortung zu nehmen. Denn in dem gesamten Gesetzentwurf wird die Mitverantwortung der Branche für Übergewicht und Fehlernährung mit keiner Silbe genannt – eine Kapitulationserklärung der Politik vor den Gewinninteressen der Lebensmittelindustrie.

Politik kuscht vor Lebensmittellobby

foodwatch kritisierte, dass durch aggressives Marketing und ein nie dagewesenes Angebot an übersüßten und fettigen Produkten Kinder und Jugendliche zu einem unausgewogenen Ernährungsstil verführt werden. Enormen Gewinnen auf Seiten der Branche stehen enorme Kosten für das Gesundheitswesen gegenüber. Genau hier müsste eine wirksame Präventionsstrategie ansetzen – doch die Bundesregierung kuscht vor der Lebensmittellobby.

Lebensmittelindustrie in die Verantwortung nehmen!

foodwatch forderte den Gesundheitsausschuss im Deutschen Bundestag auf, die Prävention von Fehlernährung, Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) als Zielvorgabe in den Gesetzentwurf aufzunehmen und verlangte effektive Maßnahmen, um insbesondere Kinder besser zu schützen: Unausgewogenes Junkfood, Süßigkeiten oder Softdrinks dürfen nicht länger gezielt als Kinderprodukte beworben und mit Comicfiguren, Spielzeugbeigaben oder Gewinnspielen an Kinder vermarktet werden. Vorbild dafür kann ein kürzlich vorgestelltes Modell der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sein, wonach nur noch bestimmte, ausgewogene Lebensmittel an Kinder vermarktet werden dürfen. Außerdem müssen etwa auch verbindliche Standards für die Verpflegung in Schulen und Kindertagesstätten festgelegt sowie der Zucker- und Salzgehalt in verarbeiteten Lebensmitteln reduziert werden.


Nur Appelle anstatt wirksamer Maßnahmen

Die Bundesregierung setzt bei der Gesundheitsprävention im Bereich Ernährung vor allem auf Appelle und Ernährungsbildung – aus Sicht von foodwatch unzureichend angesichts des grassierenden Übergewichts gerade bei jungen Menschen: Im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren ist der Anteil übergewichtiger Kinder um 50 Prozent gestiegen. Ein entscheidender Grund dafür ist das veränderte Lebensmittelangebot – jederzeit und überall sind stark kalorienhaltige, hochgradig verarbeitete Lebensmittel verfügbar und werden massiv beworben. Dabei prägt die Lebensmittelwirtschaft durch gezieltes Marketing bereits junge Konsumenten auf jene Produkte, die die größte Profitabilität versprechen: Süßwaren, Softdrinks und unausgewogene Snacks.

WHO: „Es mangelt am politischen Willen“

Diese Problematik adressiert der Gesetzentwurf jedoch nicht – und bestätigt damit exakt die Kritik der WHO-Chefin Margaret Chan, die vor knapp zwei Jahren formuliert hatte: „Kein einziger Staat hat es geschafft, die Adipositas-Epidemie in allen Altersgruppen zu stoppen. Hier mangelt es nicht an individueller Willenskraft. Hier mangelt es am politischen Willen, sich mit einer großen Industrie anzulegen“.