Baby-Lebensmittel

Viele Baby-Lebensmittel stehen im Widerspruch zu den ernährungswissenschaftlichen oder ärztlichen Empfehlungen für Säuglinge. Die Hersteller versprechen gesunde Produkte, tatsächlich können diese jedoch Überfütterung und Kariesbildung fördern oder Babys früh an einen hohen Zuckergehalt gewöhnen.
Ob Süßigkeiten speziell für Säuglinge, Schokoladen- und Keks-Brei ab dem 6. Monat oder Tee auf Zuckergranulatbasis: Was viele Lebensmittelhersteller als gesunde oder altersgerechte Nahrung für Babys und Kleinkinder empfehlen, wird diesem Anspruch oft nicht gerecht. Besonders deutlich wird dies bei den kohlenhydratreichen Trinkmahlzeiten: Wegen des Risikos der Überfütterung und Kariesbildung fordern Kinderärzte seit Jahren, die Vermarktung einzustellen.
Lücken in der Gesetzgebung
Produkte, die als Säuglingsnahrung vermarktet werden, müssen zwar spezielle Anforderungen erfüllen, die EU-weit einheitlich sind. Es gibt beispielsweise gesonderte Regeln für Rückstände von Pestiziden, Vitamingehalte sowie die allgemeine Nährstoffzusammensetzung. Der deutsche Gesetzgeber hat diese EU-weit einheitlichen Vorgaben durch die nationale „Diätverordnung“ in deutsches Recht überführt. Nur, wenn diese Anforderungen erfüllt sind, darf mit Empfehlungen wie „ab dem 8. Monat“ geworben werden. Weiterhin gibt es detaillierte produktspezifische Vorgaben zum Beispiel für „Getreidebeikost“ (betrifft sowohl Trinkbreie als auch Babykekse).
Bezüglich der Zusammensetzung der einzelnen Zutaten erlaubt die Diätverordnung allerdings zahlreiche Rezepturen und Vermarktungspraktiken, die keinesfalls mit den einschlägigen Ernährungsempfehlungen der Fachgesellschaften übereinstimmen – beispielsweise die Vermarktung von Trinkmahlzeiten für Säuglinge ab dem 10. Monat oder von Babykeksen ab dem 8. Monat (25% Zucker) mit angeblich „babygerechter Rezeptur“. Bei Gesundheitsgefahren erlaubt das europäische Recht, dass einzelne Mitgliedsstaaten über EU-Vorgaben hinausgehen und strengere Regeln erlassen.
Große Mehrheit für strengere Vorgaben für Baby-Produkte
foodwatch fordert: Es darf nur solche Säuglingsnahrung angeboten werden, deren Zusammensetzung (Rezeptur) und Vermarktung mit den einschlägigen Empfehlungen der Fachgesellschaften übereinstimmt! In einer repräsentativen Studie von TNS Emnid im Auftrag von foodwatch schlossen sich 93 Prozent der Befragten dieser Forderung an.

Anspruch und Wirklichkeit bei Säuglingsnahrung
Die Hersteller von Säuglingsnahrung selbst formulieren hohe Ansprüche an ihre Produkte: Alete (Nestlé) bietet nach eigener Aussage „gesundheitlich unbedenkliche (…) Produkte für die sichere Ernährung“, Hipp stellt sich in die „Verantwortung für die natürliche und gesunde Ernährung“ von Babys, Milupa (Danone) verspricht Eltern „nur das Beste für ihr Kind“, bei Holle „stehen (…) Sicherheit und Qualität immer an erster Stelle“, „für eine gesunde Ernährung von Anfang an“, und Rossmann will mit seiner Marke Babydream „Vertrauen schaffen“ und für eine „ausgewogene Ernährung“ sorgen.
Tatsächlich haben alle Hersteller Produkte im Sortiment, die zwar als babygerecht beworben, von Medizinern jedoch nicht für Säuglinge empfohlen werden:

Trinkmahlzeiten
Hipp, Bebivita (ebenfalls Hipp), und Alete haben die Milch-Getreide-Mischungen im Sortiment. Experten kritisieren eine kohlenhydratreiche Flaschenfütterung wegen des Risikos der Überfütterung und der Kariesbildung. So fordert die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) bereits seit 2007 einen unverzüglichen Stopp der Vermarktung an gesunde Säuglinge. Diese sei „unverantwortlich und gefährdet die Kindergesundheit“, schrieb die Fachgesellschaft in einer Stellungnahme. Auch das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) sowie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) raten von Trinkmahlzeiten ab.

Kekse für Säuglinge
Von Holle, Babydream (Rossmann), Alete und Hipp für Babys ab dem 8. Monat angeboten. Laut Herstelleraussagen sollen sie „hervorragend als Zwischenmahlzeit“ geeignet (Holle) und „ideal für kleine Hände“ sein, „mit wertvollem Bio-Getreide“ und „zum Knabbern für die ersten Zähnchen“ (Hipp). Die Kekse haben einen Zuckergehalt von 14,6 (Holle) bis 25 Prozent (Alete). Das von der Bundesregierung ins Leben gerufene Netzwerk „Gesund ins Leben“ empfiehlt jedoch „möglichst wenig Zucker“ für Babys. Die Bundeszahnärztekammer warnt, süße Zwischenmahlzeiten führten „zur Entwicklung einer frühkindlichen Karies“.

Babybrei mit Zuckerzusatz
„Bei der Herstellung [von Beikost] sollte auf den Zusatz von Salz und Zucker verzichtet werden, um eine entsprechende Prägung des kindlichen Geschmacks zu vermeiden“, so die Empfehlung der Ernährungskommission der Deutschen
Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). „Aromen sind überflüssig“, betonen das Dortmunder Forschungsinstitut für Kinderernährung und das Netzwerk „Gesund ins Leben“. Alle Ratschläge missachtet Danone: Der als gesund beworbene Milupa „Milchbrei Schoko ab dem 6. Monat“ enthält nicht nur synthetisches Vanillin-Aroma, sondern auch mehr als 9 Prozent Zucker im angerührten Brei. Ähnlich hohe Zuckergehalte stecken auch im Grießbrei
der Sorten „Bourbon-Vanille“ und „Babykeks“ von Hipp sowie im „Grießbrei Vanille-Geschmack“ der Hipp-Tochter Bebivita.

Zuckergranulat-Tee für Kleinkinder
„Babys und Kleinkinder sollten Wasser oder ungesüßte Kräutertees trinken“, so die unmissverständliche Empfehlung der Bundeszahnärztekammer. Hipp dagegen bietet unter seiner Marke Bebivita Instant-Tees auf Basis von Zuckergranulat an, empfohlen für Kleinkinder ab dem 12. Monat. Auch unter der Hauptmarke Hipp hatte der Hersteller lange solche Granulat-Tees im Sortiment – dafür gewann Hipp 2012 den „Goldenen Windbeutel“ und nahm die Produkte vom Markt. Als Ersatzprodukt brachte das Unternehmen klassische Teebeutel in den Handel – ohne Zuckerzusatz.