Nachricht 02.11.2015

Ekel-Skandal bei Großbäckerei: Ex-Manager vor Gericht

Mäuse, Schaben, Käfer: In der Großbäckerei Müller-Brot herrschten eklige Zustände. Trotzdem wurden dort täglich Zehntausende Brötchen, Brote und Feinbackwaren produziert. Jetzt stehen drei Ex-Manager vor Gericht - und weisen die Vorwürfe zurück.

Es geht um einen der bekanntesten Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre: Drei Ex-Manager der pleitegegangenen Großbäckerei Müller-Brot stehen seit Montag in Bayern vor Gericht. Die Produktion im Münchner Vorort Neufahrn war Anfang 2012 wegen gravierender Hygienemängel gestoppt worden. Trotz mehrfacher Kontrollen und Beanstandungen gab es weiterhin Mäusedreck und Kakerlaken in der Firma, die vor der Insolvenz rund 260 Filialen quer durch Bayern hatte.

Mäusedreck und Kakerlaken in der Backstube

Die Anklage wirft den drei früheren Managern vor, in mehreren Fällen große Mengen Lebensmittel in den Handel gebracht zu haben, die nicht zum Verzehr geeignet gewesen seien. Die Mängel waren bei Kontrollen von Oktober 2010 bis Januar 2012 festgestellt worden. Zudem müssen sich die Ex-Geschäftsführer – darunter auch der ehemalige Haupteigentümer – wegen Insolvenzverschleppung, Untreue und Betrugs vor dem Landgericht Landshut verantworten. Zum Prozessauftakt kündigten die Rechtsanwälte der Angeklagten an, dass ihre Mandanten sämtliche Vorwürfe zurückweisen würden.

„Den Angeklagten waren die festgestellten Hygienemängel bekannt“, sagte Staatsanwalt Christoph Ritter. Wegen finanzieller Probleme habe es weitere Sparmaßnahmen gegeben – vor allem beim Reinigungspersonal. Zwei Wochen nach dem Produktionsstopp meldete das Unternehmen Insolvenz an. 1.250 Mitarbeiter verloren ihren Job.

Strafrechtlich wiegt der Vorwurf des Betrugs, der Untreue und der Insolvenzverschleppung zwar größer. Bei den Verbrauchern werden aber die massiven Hygienemängel im Gedächtnis bleiben.


Lebensmittelüberwachung ist Ländersache in Deutschland, deshalb ist die Einordnung des Skandals nicht so einfach. Im Jahr 2013 etwa wurden knapp 537.000 Betriebe bundesweit kontrolliert, davon einige mehrfach, wie aus Statistiken des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hervorgeht.

Immer wieder Hygienemängel in Betrieben

Verstöße meldeten die Kontrolleure bei 136.577 Betrieben – wobei die Bandbreite hier sehr groß ist: Von der abgefallenen Fliese über eine fehlende Kennzeichnung von Allergenen bis hin zur mangelnden Schulung von Mitarbeitern kann alles darunter fallen. Ob es auch Fälle wie bei Müller-Brot gab, wo mehrfach massive Verunreinigungen durch tote Schaben und Mäusedreck festgestellt wurden, darüber liegen der Behörde keine Daten vor. Fest steht aber: Bei drei Viertel der festgestellten Verstöße ging es um Hygieneprobleme im Betrieb oder um das Hygiene-Management.

„Eine Großbäckerei, bei der auch nach zahlreichen von der Lebensmittelüberwachung angeordneten Maßnahmen gravierende Probleme und eine mangelhafte Grundhygiene festzustellen sind, ist auch für die Lebensmittelüberwachung ein außergewöhnlicher Fall“, sagt Christian Weidner vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen.

Verbraucher erfuhren nichts

Und wie so oft bei Lebensmittelskandalen in Deutschland: Als letztes werden die Bürger davon in Kenntnis gesetzt. Die Öffentlichkeit erfuhr nichts von den Schaben in der Müller-Fabrik, obwohl bereits die Staatsanwaltschaft eingeschaltet war. Nach geltendem Recht ist es für Behörden riskant, wenn sie in solchen Fällen Bürger informieren. Sie laufen Gefahr, von den Unternehmen verklagt zu werden.

foodwatch fordert: Kontrollergebnisse veröffentlichen!

foodwatch kritisierte, dass die Kontrollbehörden Verbraucher nicht über die ekeligen Zustände informierten – jahrelang kauften Verbraucher arglos bei Müller-Brot ein. foodwatch meint: Verbraucher haben ein Recht zu wissen, wer sauber arbeitet und wer nicht. Egal ob Großbäckerei oder kleiner Laden um die Ecke, egal ob Imbissbude, Metzgerei oder Bürokantine: Die Ergebnisse aller Lebensmittelkontrollen müssen veröffentlicht werden. Solange Verbraucher nicht erfahren, wer die Ekel-Bäcker und Schmuddel-Wirte sind, fehlt für die Betriebe schlicht der Anreiz, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten und der nächste Skandal à la Müller-Brot ist nur eine Frage der Zeit.

Mehr Kontrollen allein sind nicht die Lösung

Mehr Kontrollen und mehr Kontrolleure allein werden an den verheerenden Hygienezuständen in der deutschen Lebensmittelwirtschaft nichts ändern. Bundesernährungsminister Christian Schmidt muss endlich die Initiative ergreifen. Die Lebensmittelkontrollbehörden müssen per Gesetz verpflichtet werden, sämtliche Kontrollergebnisse zu veröffentlichen – am besten nach dem bewährten Vorbild des Smiley-Systems in Dänemark. In Dänemark, New York oder Toronto hat die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse bereits beeindruckende Verbesserungen bei Betriebshygiene und Lebensmittelsicherheit nach sich gezogen.

Der Fall Müller-Brot beschäftigt das Gericht in Landshut mindestens bis Mitte Dezember.

(mit dpa)