Nachricht 15.02.2017

Startschuss für „Hygiene-Ampel“ in NRW

In Nordrhein-Westfalen werden erstmals in Deutschland alle Lebensmittelkontrollen in Form eines „Kontrollbarometers“ in Ampelfarben veröffentlicht. Doch das Gesetz, das der Landtag heute verabschiedet hat, ist von der Lebensmittellobby verwässert worden.

Der nordrhein-westfälischen Landtag hat heute das „Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz“ (KTG) verabschiedet. Dieses verpflichtet Lebensmittelbetriebe, ab dem Jahr 2020 die Ergebnisse von amtlichen Lebensmittelkontrollen in Form eines „Kontrollbarometers“ in Ampelfarben zu veröffentlichen. Die kontrollierten Betriebe müssen das „Kontrollbarometer“ an der Eingangstür aushängen, die zuständige Behörde veröffentlicht es im Internet. Die Kundinnen und Kunden können sich so über die Ergebnisse der letzten vier amtlichen Kontrollen informieren.

Doch durch den massiven Lobbyeinfluss und eine breit angelegte Gegenkampagne der Lebensmittelwirtschaft und des Handwerks ist das „Kontrollbarometer“ in wesentlichen Punkten abgeschwächt worden.

„Nur wenn es in drei Jahren auch wirklich verpflichtend eingeführt wird, ist das jetzt beschlossene ‚Kontrollbarometer‘ ein Schritt hin zu mehr Verbraucherschutz. Bis dahin gilt eine freiwillige Übergangsphase, in der das Gesetz durch etliche Ausnahmeregelungen nahezu wirkungslos ist.
Die Erfahrung aus Ländern wie Dänemark zeigt: Nur vollständige und verbindliche Transparenz über alle Kontrollergebnisse führt zu besserer Hygiene in den Betrieben. Im Vergleich zum dänischen Modell ist das ‚Kontrollbarometer‘ auch nach der dreijährigen Übergangsfrist ein zaghaftes Gesetz voller Zugeständnisse an die Lebensmittelwirtschaft. Die Betriebe haben offenbar einiges zu verbergen – und Angst davor dass die Kundinnen und Kunden davon erfahren.“ Johannes Heeg, foodwatch-Campaigner

Lange Übergangsphase mit Ausnahmeregelungen

Von 2017 bis 2020 gilt eine Übergangsphase, in der die Betriebe selbst entscheiden können, ob sie das „Kontrollbarometer“ an ihrer Eingangstür aushängen. Die Folge könnte sein: Nur wenige Betriebe werden sich an dem Programm beteiligen – und diese werden nur „saubere“ Kontrollergebnisse veröffentlichen. Außerdem können Betriebe in der Übergangsphase zwischen zwei verschiedenen Darstellungsformen des Kontrollbarometers wählen: Die eine Version zeigt mit einem Pfeil auf dem Farbschema, wie der Betrieb genau abgeschnitten hat. In der zweiten Variante fehlt diese Einordnung per Pfeil, was den Informationsgehalt des Barometers stark reduziert. Die Betriebe können somit eigenmächtig entscheiden, ob sie ihre Kundinnen und Kunden gut, schlecht oder gar nicht informieren.

Eine weitere Einschränkung: In der Übergangsphase stellt das Kontrollbarometer nur das aktuellste Kontrollergebnis dar. Das heißt: Wenn es in der Vergangenheit zu Hygienemängeln kam, ist das für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ersichtlich. Erst ab 2020 sollen auch die Ergebnisse der letzten vier amtlichen Kontrollen dargestellt werden.

„Freischuss“ für Hygienesünder

Jeder Betrieb, der mit „rot“ bewertet wird, hat das Recht auf eine kostenpflichtige Zusatzkontrolle innerhalb von sechs Wochen. Das Ergebnis der Zusatzkontrolle erscheint dann ebenfalls auf dem Kontrollbarometer. Doch Betriebe, die zuvor stets mit „grün“ bewertet wurden, haben einen „Freischuss“: Bei ihnen wird nur Ergebnis der zusätzlichen Kontrolle auf dem Kontrollbarometer abgebildet. Die Beanstandungen sind nicht mehr sichtbar.

Für die Kundinnen und Kunden bedeutet das, dass sie selbst bei Betrieben mit „grünem Barometer“ nicht wissen, ob es in der Vergangenheit zu massiven Hygieneverstößen gekommen ist.

Farbskala Grün/Gelb/Rot

Die grafische Umsetzung macht den Unternehmen zu viele Zugeständnisse. Der „grüne Bereich“ auf der Farbskala ist doppelt so breit wie der gelbe und der rote. Selbst wenn Betriebe knapp die Hälfte aller möglichen Negativpunkte erhalten, werden sie noch mit „grün“ bewertet.

© Landtag Nordrhein-Westfalen

Keine zentrale Veröffentlichung im Internet

Das Gesetz verpflichtet die zuständigen Kreisordnungsbehörden, die Kontrollergebnisse „über das Internet oder in sonstiger geeigneter Weise öffentlich zugänglich zu machen“. Das reicht nicht aus. Das Gesetz bietet dem zuständigen Ministerium keine rechtliche Grundlage, alle Kontrollergebnisse auf einer zentralen Website zu veröffentlichen. Eine solche zentrale Website wäre aber – ebenso wie die Bereitstellung einer App – notwendig, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher schnell und unkompliziert nach ihrem jeweiligen Lieblingsrestaurant suchen können.

In Dänemark sind Lebensmittelbetriebe seit 2001 dazu verpflichtet, die Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle an ihren Eingangstüren auszuhängen. Die Kontrollberichte sind zudem im Internet abrufbar. Zusammengefasst und bewertet wird das Kontrollergebnis mithilfe eines Smileys. Die Quote der Betriebe, die das beste der vier möglichen Smileys erhalten haben, hat sich seit Einführung des Systems um 20 Prozent erhöht.

Bild Lebensmittelkontrolleur: fotolia.com/Branex