Nachricht 25.02.2013

Systematische Überbelegung in Hühnerställen

In Deutschland sind in den vergangenen Jahren möglicherweise Millionen Hühnereier als Bio- oder Freilandware verkauft worden, obwohl die Hennen auf engstem Raum gehalten wurden. Wie am Sonntag bekannt wurde, wird aktuell gegen etwa 200 Betriebe ermittelt.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt nach Angaben vom Sonntag gegen rund 150 Betriebe in Niedersachsen, etwa 50 weitere Verfahren wurden an Ermittler in anderen Bundesländern abgegeben. Die ersten Verfahren seien bereits im Herbst 2011 eingeleitet worden und im Zuge der Ermittlungen immer neue Fälle hinzugekommen, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Frauke Wilken, nach einem „Spiegel“-Bericht.

„Der Verdacht ist, dass es sich um systematischen Betrug handelt. Das ist kein Kavaliersdelikt, das wäre Verbrauchertäuschung“, sagte am Sonntag der neue Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur. Er kündigte Konsequenzen an, falls sich der Verdacht bestätigen sollte. Geprüft werde, ob den Betrieben die Zulassung entzogen wird. „Wir können aber erst entziehen, falls sich der Betrug bestätigt und die Betriebe überführt sind“, sagte Meyer.

Konventionelle Betriebe und Bio-Höfe betroffen

Betroffen sind dem Minister zufolge überwiegend konventionelle Betriebe mit Freilandhaltung, aber auch einige Bio-Höfe. Für die Freilandhaltung sind mindestens vier Quadratmeter Auslauffläche pro Huhn vorgeschrieben. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg erklärte, es seien verschiedene Haltungsformen betroffen. Neben Freiland- und Boden- gibt es auch die Käfighaltung, deren konventionelle Form in Deutschland seit 2010 verboten ist. Freilandeier dürfen nur dann als „Bio“ in den Handel, wenn auch bestimmte Futtermittel-Auflagen erfüllt werden. Dem „Spiegel“-Bericht zufolge sind Millionen Bio-Eier verkauft worden, die so nicht hätten deklariert werden dürfen. Die Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung erklärte am Sonntag, dass es nach ihren Erkenntnissen nicht nur Betrug mit Bio-Eiern gebe, sondern auch in der Freiland- und Bodenhaltung.

Behörden in Niedersachsen seit langem informiert

Das Landwirtschaftsministerium in Hannover hat nach eigenen Angaben gleich zu Beginn Kenntnis von den Ermittlungen erhalten. Daraufhin seien die für die Tierschutzüberwachung zuständigen Kreise und kreisfreien Städte zu besonderen Kontrollen aufgefordert worden. Dass der Fall nun erst an die Öffentlichkeit komme, hänge nicht mit dem am Dienstag in Niedersachsen vollzogenen Regierungswechsel zusammen, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wilken. Es habe vor etwa zwei Wochen eine Anfrage des „Spiegel“ gegeben, der die Ermittlungen am Wochenende publik machte.Demnach sind neben Niedersachsen vor allem Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern betroffen, Verfahren wurden aber auch an die Behörden in Belgien und in den Niederlanden abgegeben.

Ermittlungen noch über Wochen oder Monate

Eine solche Zahl von Verdachtsfällen im Zusammenhang mit der Haltung von Legehennen gab es laut Wilken in Niedersachsen bisher nicht. „Die Ermittlungen sind sehr aufwendig, so etwas dauert seine Zeit“, sagte die Sprecherin der in Niedersachsen für Strafsachen in der Landwirtschaft zuständigen Behörde. Sie hoffe, dass „relativ zeitnah“ feststehe, ob und in wie vielen Fällen sich der Verdacht bestätige. Ob es sich um Wochen oder Monate handele, sei unklar. Ermittelt wird wegen möglicher Verstöße gegen das Lebensmittel- und das Futtermittelgesetzbuch sowie das ökologische Landbaugesetz. Verstöße könnten mit Geldstrafen und Haftstrafen von bis zu einem Jahr geahndet werden. Auch Betrugsvorwürfe müssten geprüft werden.

foodwatch: Kontrollsystem hat versagt

Aus Sicht von foodwatch hat das Kontrollsystem hoffnungslos versagt. foodwatch fordert die Lebensmittelkontrollbehörden und Öko-Kontrollstellen auf, jetzt die Ergebnisse ihrer Betriebskontrollen publik zu machen, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild davon machen kann, wo, wie oft und wie intensiv Hühnerhalter überhaupt überprüft wurden. Erst dann können die entscheidenden Schwachstellen im Kontrollsystem erkannt und abgestellt werden.

Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium muss jetzt alle Informationen über die Eier-Betrüger auf den Tisch legen. Es muss sicherstellen, dass erstens alle falsch deklarierten Eier aus dem Handel genommen werden und zweitens die Verbraucher informiert werden, welche falsch deklarierten Eier bei ihnen noch im Kühlschrank liegen. (mit dpa)