Nachricht 23.01.2018

Fehlernährung: Ärzte-Bündnis fordert Politik zum Handeln auf

Bereits mehr als ein Dutzend Ärzteverbände und Fachgesellschaften, darunter die Bundeszahnärztekammer und die Deutsche Adipositas Gesellschaft, fordern in einem Offenen Brief an die Bundespolitik effektive Maßnahmen gegen Fehlernährung.

Expertinnen und Experten zahlreicher Fachorganisationen und Ärzteverbände fordern von der künftigen Bundesregierung sowie den Vorsitzenden der Parteien im Bundestag eine effektive Prävention nichtübertragbarer chronischer Krankheiten. In einem Appell, den Ärztinnen, Ärzte und medizinisches Fachpersonal weiterhin unter www.aerzte-gegen-fehlernaherung.de untersützen können, werden vier konkrete Maßnahmen gefordert:

  • eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung in Form einer Nährwert-Ampel,
  • verbindliche Standards für die Schul- und Kitaverpflegung,
  • Beschränkungen der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung,
  • steuerliche Anreize für die Lebensmittelindustrie, gesündere Rezepturen zu entwickeln

Laut dem Robert-Koch-Institut gelten 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von drei bis 17 Jahren als übergewichtig oder adipös. Im Vergleich zu den 1980er- und 1990er-Jahren hat der Anteil übergewichtiger Kinder damit um 50 Prozent zugenommen, der Anteil adipöser Kinder hat sich sogar verdoppelt. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei Erwachsenen, wo heute 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen als übergewichtig oder adipös gelten. Besorgniserregend sind auch die Zahlen der Diabetes-Erkrankungen. In Deutschland leben derzeit 6,7 Millionen Menschen mit Diabetes – eine Steigerung um etwa 38 Prozent seit Beginn des Jahrtausends, altersbereinigt um etwa 24 Prozent. Eine zu kalorienreiche Ernährung, die häufig bereits im Kindesalter erlernt wird, ist einer der Gründe für diese besorgniserregende Entwicklung.

Die Unterschriftenaktion hatte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und foodwatch gestartet. Mittlerweile haben sich dem Appell zehn weitere Verbände angeschlossen: die Bundeszahnärztekammer, die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, die Deutsche Adipositas Gesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, die Deutsche Herzstiftung, die Diakonie Deutschland, die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, die Bundesvertretung der Medizinstudierenden und der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe. Die Unterstützerorganisationen fordern Ärztinnen und Ärzte und medizinisches Fachpersonal auf, den Offenen Brief mitzuunterzeichnen.

„Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen: Eine aktive medizinische Community ist entscheidend, um die politischen Entscheidungsträger zu überzeugen. Ärzteschaft, Fachverbände und Zivilgesellschaft müssen die Kräfte bündeln und klarmachen: Ohne das entscheidende Eingreifen der Politik können wir die Adipositas- und Diabetes-Epidemie nicht stoppen. Deshalb rufen wir alle Ärztinnen und Ärzte auf, den offenen Brief an die Politik zu unterzeichnen.“
Prof. Dr. med. Dirk Müller-Wieland Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)

Sich im Kampf gegen Fehlernährung und nichtübertragbare chronische Krankheiten lediglich auf freiwillige Vereinbarungen mit der Lebensmittelindustrie zu verlassen sei ein Irrweg, erklärten die Autorinnen und Autoren des Offenen Briefs. Das zeigten etwa die bislang wirkungslose Selbstverpflichtung von Herstellern, ihre an Kinder gerichtete Werbung einzuschränken sowie das Verhalten von Wirtschaftsakteuren in der Plattform für Ernährung und Bewegung. Der zu erwartende Effekt der von der Bundesregierung geplanten und auf Freiwilligkeit basierenden Strategie zur Reduktion von Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln ist gering.