Report 22.10.2025

foodwatch-Report „Thunfisch: Täuschung in Dosen“

MSC-Siegel auf Thunfischdosen suggerieren Nachhaltigkeit. Unser Report zeigt: Beifang gefährdeter Arten und Greenwashing werden nicht ausgeschlossen. Wie Supermärkte mitspielen und was sich ändern muss. 

Verbrauchertäuschung in Dosen voller Thunfisch: MSC-zertifizierter Fisch aus dem Fanggebiet FAO-51 im west-indischen Ozean macht dank Siegel einen guten Eindruck. Doch die Realität sieht anders aus.  

Unter dem blauen MSC-Siegel landet Skipjack (Echter Bonito) in den Regalen, während dieselben Schiffe gleichzeitig große Mengen Beifang einsammeln. Neben Schildkröten, Haien und teils Meeressäugern befinden sich Gelbflossen- und Großaugenthun darunter. Arten, die in der Region lange als überfischt galten.  

Auswertungen zeigen: Zertifizierte Flotten fingen zum Untersuchungszeitpunkt teilweise bis zu 47 Prozent überfischte Arten. Das ist nicht nachhaltig, sondern Verbrauchertäuschung.  

Überfischung, Beifang, Verbrauchertäuschung 

Mehr als die Hälfte der 666.408 Fangtonnen Skipjack aus dem Jahr 2022 wurde mit Ringwaden und unter Einsatz treibender Fischsammler (FADs) erzielt – einer Methode, die Jungfische und geschützte Arten mit in die Netze treibt.  

Unter den gefährlichen Fischsammlern gruppieren sich nicht nur Skipjack, sondern auch Gelbflossen- und Großaugenthun sowie gefährdete Haie, Rochen und Meeresschildkröten. Die Bestände ozeanischer Haie und Rochen sind seit den 1970er-Jahren um etwa 71 Prozent eingebrochen, unter anderem durch Fischerei mit den Fischsammlern 

In der Praxis läuft „zertifiziert“ so: Gemischte Fänge von überfischten und nicht überfischten Thunfischen werden in einem System verarbeitet, das am Ende nur den Skipjack-Thunfisch mit Siegel vermarktet.  

Es sind künstliche, treibende Objekte, unter denen sich Fische sammeln. Sie werden häufig in der Thunfischfischerei genutzt. Mit den Fischsammlern werden mehr Fische gefangen, aber auch viele Jungfische und gefährdete Arten (u. a. junge Thunfische, Haie, Schildkröten). Mittlerweile treiben mehr als eine Million dieser Geräte als zusätzlicher Müll im Meer oder verschmutzen Küsten.

Ein großes Netz wird ringförmig um einen Schwarm (z. B. Thunfisch, Sardinen) gelegt und unten „zugeschnürt“, sodass der Schwarm eingeschlossen wird. Problematisch wird es, wenn mit Fischsammlern gefangen wird, weil dann Beifang von Jungfischen, Haien, Schildkröten und teils Meeressäugern auftreten kann.

Schwere Netze werden über den Meeresboden gezogen und fangen bodennahe Arten – dabei können wertvolle Lebensräume im Meer wie Riffe, Seegras oder Muschelbänke direkt zerstört werden. Hoher Beifang und starke Auswirkungen auf Lebensgemeinschaften am Meeresboden wie Korallen, Muscheln oder Schwämme machen diese Methode ökologisch besonders belastend.

Beifang in erschreckender Dimension 

Wie dramatisch der Beifang ist, dokumentieren offizielle MSC-Berichte selbst: Eine der zertifizierten spanischen Flotten fing 173 Tonnen gefährdete Seidenhaie (etwa 1.730 Individuen) sowie 77 Tonnen streng geschützte Walhaie (etwa 4-5 Individuen, je nach Gewicht). Eine weitere zertifizierte Flotte (Echebastar) hat in einem Jahr 70 Weißspitzen-Hochseehaie, 4.486 Seidenhaie, zwei Walhaie, drei Mantarochen und mehrere Meeresschildkröten gefangen – und das nur in dokumentierten Fahrten mit Beobachtung; die Dunkelziffer ist höher.

Skandal im Supermarktregal: Was hinter dem MSC-Siegel steckt 

Ein konkretes Beispiel: Eine bei REWE gekaufte „ja!“-Skipjack-Dose lässt sich zum CFTO-Schiff „Pendruc“ zurückverfolgen. Laut Überwachungsaudit bestand dessen Fang 2018–2022 zu 47 Prozent aus damals überfischtem, nicht zertifiziertem Gelbflossen- und Großaugenthun.  
Trotzdem wird der Skipjack-Anteil mit MSC-Siegel verkauft. Eine Fischerei, die so arbeitet, ist nicht „nachhaltig“.  

Supermärkte in der Verantwortung 

Handelsketten wie Rewe, Edeka, Lidl und Aldi dürfen die MSC-Täuschung nicht länger mittragen. Der Handel sollte Thunfisch aus FAO-51 nicht mehr anbieten, es sei denn, er wurde nachweislich mit Langleine gefangen. Nicht nachhaltig gefangener Thunfisch sollte nicht mehr angeboten werden. 

Annemarie Botzki - Porträt
Die Supermärkte dürfen sich nicht hinter Gütesiegeln verstecken. Sie müssen ihre Marktmacht nutzen, um die zerstörerische Fischsammler-Fischerei zu beenden!
Annemarie Botzki Kampagnen und Recherche

Unsere Forderungen 

MSC darf sich nicht länger mitschuldig am industriellen Raubbau im Meer machen. Die Organisation darf ihr Nachhaltigkeitssiegel nicht länger an Fischereien vergeben, die große Mengen Jungtiere und überfischte und gefährdete Arten töten – sonst bleibt das Versprechen „aus nachhaltiger Fischerei“ Etikettenschwindel. Die treibenden Fischsammeler (FADs) dürfen nicht als ‚nachhaltig‘ zertifiziert werden. FAD-freier Fang oder Langleinenfischerei reduzieren den Beifang. 

Die EU-Kommission verspricht, Meere und gefährdete Arten zu schützen, blockiert aber zugleich einen Stopp der hochgefährlichen Fischsammler. Wir fordern ein sofortiges, umfassendes Verbot treibender FADs im westlichen Indischen Ozean, um Überfischung zu beenden und den Verlust mariner Artenvielfalt zu stoppen.  

Unsere kostenlose Recherchen für Verbraucher:innen

Reports wie dieser sind kostenlos für Sie, aber kosten uns viel Zeit und Geld. foodwatch nimmt kein Geld von Staat oder Lebensmittelindustrie. Möchten Sie uns mit einer Spende unterstützen und unsere Recherchen möglich machen?

Ja, ich möchte spenden