Pressemitteilung 04.12.2002

Verbraucherschutz unterhalb der Nachweisgrenze – foodwatch fordert neues Konzept zur Acrylamid-Minimierung / Umfrage zeigt Defizite

Während das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sich mit dem "Acrylamid-Minimierungskonzept" auf einem guten Weg sieht, vermisst foodwatch konsequenten Verbraucherschutz. foodwatch stützt sich dabei auch auf eine repräsentative Umfrage, nach der sich große Teile der Bevölkerung von den Regierungsmaßnahmen nicht geschützt fühlen. "Das ‚Minimierungskonzept’ der Bundesregierung setzt bei den schlechtesten Acrylamid-Werten an, anstatt die jeweils Acrylamid-ärmsten Herstellungsverfahren zur Richtschnur zu erklären", kritisiert foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode und fordert, alle verfügbaren Messwerte samt Produktnamen unverzüglich und bundesweit zu veröffentlichen. foodwatch sieht zudem großen Spielraum für die Politik, um Nahrungsmittelhersteller zu schnellerem Handeln zu bewegen.

In der repräsentativen Meinungsumfrage, die vom Meinungsforschungsinstitut INRA im Auftrag von foodwatch durchgeführt wurde (1), gaben weniger als die Hälfte der Befragten (42 Prozent) an, von Acrylamid gehört zu haben. Von diesen halten mehr als zwei Drittel (68 Prozent) den Stoff für gesundheitlich bedenklich, 15 Prozent halten ihn für nicht bedenklich. Von denen, die sich Sorgen wegen ihrer Gesundheit machen, fühlten sich weniger als ein Viertel (23 Prozent) durch die Maßnahmen der Regierung geschützt, zwei Drittel hingegen (66 Prozent) fühlen sich nicht geschützt. "Die Regierung ignoriert ihren Schutzauftrag", kommentiert Thilo Bode die Befragungsergebnisse.

Das Minimierungskonzept der Bundesregierung arbeitet mit Warengruppen-bezogenen "Signalwerten". Bei Überschreitungen dieser - nach Einschätzung von foodwatch sehr hoch angesetzten - "Signalwerte" werden die Hersteller und die zuständigen Behörden der Bundesländer informiert und zu Minimierungsschritten aufgefordert. Ebenso wird bei Acrylamid-Messwerten von über 1.000 µg/kg und bei den jeweils zehn Prozent am höchsten mit Acrylamid belasteten Produkten aus jeder Warengruppe verfahren. Da die Messwerte nicht produktbezogen veröffentlicht werden, entsteht kein Druck auf die Hersteller, sich zu beeilen. In Tierversuchen hat sich Acrylamid als krebserregend und erbgutschädigend erwiesen.

foodwatch fordert wirkungsvolle Maßnahmen

Angesichts der Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung müssen Behörden und Produzenten schnellstens handeln. foodwatch fordert:

  • Produktbezogene Veröffentlichung - wie in Schweden oder Großbritannien bereits Praxis - bzw. Etikettierung und entsprechende Kommentierung aller Messergebnisse. Dadurch entsteht effektiver Druck auf die Hersteller, die Acrylamid-Belastungen rasch zu senken und die Möglichkeit für Verbraucherinnen und Verbraucher, die am wenigsten belasteten Produkte zu kaufen.
  • Die Hersteller mit den niedrigsten Acrylamid-Werten müssen zum Maßstab für das Minimierungskonzept werden. Hieran sind die Vorschriften für eine "Gute Herstellungspraxis" auszurichten.
  • Bei der Umsetzung der Strategie muss die Bundesregierung ihre Hand-ungsspielräume konsequent nutzen. Die EU-Kontaminanten-Verordnung von 1993 sowie die "Glykol-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichtes vom Juni 2002 stellen wichtige Anknüpfungspunkte dar.

"Die Verbraucher erwarten von der Bundesregierung, dass sie ihr eigenes Regierungsprogramm auch umsetzt, nach dem der gesundheitliche Verbraucherschutz absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen hat", resümiert Thilo Bode.

(1) INRA Gesellschaft für Markt- und Sozialforschung GmbH, telefonische Befragung vom 25.-29. November 2002 von 930 Bundesbürgern ab 18 Jahre.