Pressemitteilung 07.03.2018

Vergleichstest von Online-Lebensmittelhändlern zeigt Schwachstellen bei Produktkennzeichnung und Datenschutz – foodwatch fordert Überwachung von Online-Supermärkten durch Bund statt Kommunen

  • foodwatch-Vergleichstest von Allyouneedfresh, Amazon Fresh, Bringmeister (Edeka), Mytime und Rewe-Lieferdienst
  • Gute Testkaufergebnisse, aber 4 von 5 Anbietern mit unzulässigen Herkunftsangaben
  • Weitere Mängel in den AGB und bei der Barrierefreiheit

Berlin, 8. März 2018. Ein foodwatch-Vergleichstest von Online-Lebensmittelhändlern hat Schwachstellen bei der Produktkennzeichnung, beim Datenschutz sowie bei der Kontrolle der Shops durch die Lebensmittelbehörden aufgezeigt. Die Verbraucherorganisation nahm den Rewe-Lieferdienst, Amazon Fresh, Allyouneedfresh, Mytime sowie den zu Edeka gehörenden Anbieter Bringmeister unter die Lupe – bei Testkäufen schnitten alle Shops bei Aspekten wie Pünktlichkeit, Vollständigkeit oder Zustand der gelieferten Produkte überwiegend gut ab. Allerdings verstießen die Unternehmen in vielen Fällen gegen Informations- und Kennzeichnungsvorgaben: Beispielsweise war die Herkunftsangabe von Obst und Gemüse bei vier der fünf Anbieter unzureichend oder fehlte ganz. Alle Anbieter zeigten zudem deutliche Defizite im Umgang mit Nutzerdaten. foodwatch forderte die Onlinehändler auf, ihrer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht nachzukommen: Alle Informationen, die Verbraucherinnen und Verbraucher im Supermarkt zu einem Produkt erhalten, müssten auch im Internet leicht auffindbar sein. Zudem sei die Politik gefordert, die Überwachung von Online-Lebensmittelhändlern auf Bundesebene neu zu organisieren.

Egal ob im Online-Shop oder im Supermarkt um die Ecke: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen alle vorgeschriebenen Produktinformationen schnell und einfach finden können. Viele Internethändler halten sich nicht an die gesetzlichen Kennzeichnungsvorgaben“, sagte Martin Rücker, Geschäftsführer von foodwatch Deutschland. Die Verbraucherorganisation forderte die neue Bundesregierung auf, für eine bessere Kontrolle von Online-Lebensmittelhändlern zu sorgen. Dafür müsse die Zuständigkeit für die Überwachung von Ländern und kommunalen Behörden auf den Bund übertragen werden, und Online-Supermärkte müssten systematisch auf die Einhaltung von Kennzeichnungspflichten und auf Produktsicherheit geprüft werden. „Im Onlinehandel besteht ein echtes Kontrolldefizit, weil die Lebensmittelüberwachung nicht zeitgemäß aufgestellt ist. Die kommunal und offline organisierten Kontrollbehörden sind noch nicht im globalen Online-Zeitalter angekommen. Die zuständigen Lebensmittelkontrolleure schaffen es schlichtweg nicht, neben dem Bäcker vor Ort auch noch die großen Online-Supermärkte und die unzähligen Nischenanbieter im Internet zu kontrollieren, die zufällig ihren Sitz in diesem Ort haben“, so foodwatch-Chef Martin Rücker. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich zwar auch ein Punkt zum Online-Lebensmittelhandel, allerdings ohne konkrete Zielsetzung. 

Für den Vergleichstest bestellten Mitarbeiter im Auftrag von foodwatch im November 2017 bei allen Online-Shops jeweils drei Mal einen vorab festgelegten Warenkorb von 21 Produkten – darunter gekühlte Lebensmittel, Tiefkühlprodukte, sowie Obst und Gemüse. Bei den Testkäufen schnitten die Händler überwiegend gut ab. Fast immer ließen sich alle Produkte aus dem Warenkorb bestellen, die Lebensmittel wurden pünktlich und meist auch vollständig an die Haustür geliefert. Beim Zustand der gelieferten Ware leisteten sich zwar alle Anbieter Fehler. So hatten etwa die Bananen bei Allyouneedfresh Druckstellen, Amazon Fresh lieferte beim ersten Einkauf schimmelige und zermatschte Tomaten, von Mytime kam ein zerbröselter Kuchen. Insgesamt waren Obst und Gemüse aber in einem guten Zustand – wenngleich sie unterschiedliche Reifegrade aufwiesen. Bei den Lieferbedingungen zeigten sich große Unterschiede: Während Verbraucherinnen und Verbraucher in städtischen Regionen aus bequemen und schnellen Lieferoptionen wählen können, müssen Menschen auf dem Land mit langen Lieferzeitfenstern, höheren Versandkosten und viel Verpackungsmüll durch die Paketzustellung rechnen. Der Warenkorb war bei Allyouneedfresh mit durchschnittlich 49,68 Euro der teuerste, bei Amazon Fresh mit 41,41 Euro der billigste, Rewe und Bringmeister lagen mit 45-46 Euro im Mittelfeld. Ein Preisvergleich der fünf Anbieter ist allerdings nur bedingt möglich, denn die Unterschiede relativieren sich, wenn man Lieferkosten und sonstige Aufschläge mit einbezieht. Bei Amazon Fresh etwa kann nur bestellen, wer eine „Prime“-Mitgliedschaft für 69,90 Euro jährlich und ein „Fresh“-Abonnement für 9,99 Euro monatlich abschließt. Bei Bringmeister, Rewe und Allyouneedfresh hängen die Liefergebühren maßgeblich davon ab, wie viel bestellt wird und in welchem Zeitfenster geliefert werden soll.

Außerdem analysierte foodwatch für den Test die Online-Shops der fünf Anbieter, nahm die Produktkennzeichnung unter die Lupe und ließ die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), zentrale Aspekte des Datenschutzes sowie die Barrierefreiheit für Sehbehinderte durch externe Experten prüfen. Bei diesen Punkten zeigten alle Anbieter Schwächen. So gaben Allyouneedfresh, Rewe und Amazon Fresh bei vielen Obst- und Gemüsesorten mehrere mögliche Herkunftsländer an. Bei Weintrauben fanden sich im Amazon-Shop beispielweise 13 potenzielle Herkunftsländer. Bei Bringmeister fehlten die gesetzlich vorgeschriebenen Herkunftsangaben teilweise komplett. Informationen zu Nährwerten oder Allergenen waren hingegen bei allen gekauften Produkten vollständig – was allerdings im Online-Lebensmittelhandel nicht immer der Fall ist. Im Vorfeld des Tests im August 2017 hatte foodwatch zum Beispiel den Rewe-Onlineshop wegen fehlender Nährwertangaben erfolgreich abgemahnt. Ein Marktcheck der Verbraucherzentrale NRW zeigte bei fast jedem zweiten von 40 untersuchten Web-Shops fehlende oder unvollständige Nährwertangaben. Im foodwatch-Test fielen Rewe und Bringmeister mit einer fragwürdigen Klausel in ihren AGB auf, wonach der Kaufvertrag erst an der Tür zustande kommt. Auf den Produktseiten hieß es, die Kundinnen und Kunden sollten alle Informationen wie Zutaten oder Nährwerte bei der Lieferung prüfen, Rewe schrieb explizit, es werde „keine Haftung“ für die Angaben im Internet übernommen. Aus Sicht von foodwatch ist dies nicht nur wenig verbraucherfreundlich, sondern unzulässig.

Beim Datenschutz hatten sämtliche Anbieter Defizite: Jede Datenschutzerklärung wies Mängel oder unklare Formulierungen auf. Alle Shops verlangten zum Beispiel die Angabe des Geburtsdatums – obwohl dies nur bei einer Bonitätsprüfung (zum Beispiel für eine Zahlung auf Rechnung) erforderlich ist. Bis auf Allyouneedfresh setzten zudem alle Webseiten eine erstaunlich hohe Zahl sogenannter Tracker ein, die – meist völlig unbemerkt –  Informationen über das Nutzerverhalten sammeln und auswerten. Auch bei der Barrierefreiheit fielen durchweg alle Anbieter durch, wie eine Prüfung der Webseiten durch den Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg (BSVH) für foodwatch ergab. BSVH-Geschäftsführer Heiko Kunert: „Gerade für blinde oder sehbehinderte Personen könnte der Lebensmitteleinkauf im Internet eine hilfreiche Alternative zum Gang in den Supermarkt sein – die Anbieter müssen ihre Online-Shops barrierefrei gestalten!“ 

Luise Molling, bei foodwatch verantwortlich für den Online-Vergleichstest, fasste die Ergebnisse zusammen: „Ob die Vorteile des Online-Lebensmittelhandels gegenüber den Nachteilen überwiegen und der Wocheneinkauf im Internet die Zukunft ist, werden letztlich die Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden. Klar ist: Für den Komfort des Onlinehandels zahlen die Kundinnen und Kunden mit ihren Daten. Für die Unternehmen sind Informationen über individuelle Ernährungsgewohnheiten Gold wert, denn sie verraten besonders viel über Einkommen, Bildung und Gesundheitsbewusstsein.“

Kurzübersicht über die fünf Online-Shops im Test

Allyouneedfresh: Der Anbieter mit dem teuersten Warenkorb, die Verfügbarkeit der Waren ließ beim Testkauf zu wünschen übrig und es gab Mängel bei der Kennzeichnung von Obst und Gemüse. Dafür liefert Allyouneedfresh deutschlandweit und im Hinblick auf die geprüften Datenschutzaspekte schnitt der Anbieter zwar nicht gut, aber insgesamt noch am besten ab. Die Lieferoptionen und der mit der Lieferung verbundene Verpackungsmüll sind von der belieferten Region abhängig.

Amazon Fresh: Kann mit dem größten Sortiment, dem günstigsten Warenkorb und schnellen und bequemen Lieferoptionen überzeugen und zeigte auch beim Testkauf bis auf einen Patzer eine gute Leistung. Dafür entstehen hohe Fixkosten für das benötigte Abo und die Prime-Mitgliedschaft, die Informationen zu Kosten und Liefermodalitäten sind schwer auffindbar, Obst und Gemüse sind teils mangelhaft gekennzeichnet und es werden viele Tracker eingesetzt.

Bringmeister: Die Online-Preise der bestellten Produkte entsprechen in etwa den Preisen im Edeka Markt und die Lieferoptionen sind schnell und bequem, Bringmeister ermöglicht als einziger Anbieter die datenschutzfreundliche Bar- oder EC-Zahlung an der Tür und leistete sich beim Testkauf nur kleine Fehler. Dafür verstößt dieser Anbieter mehrfach gegen Kennzeichnungspflichten, hat Mängel in den AGB und setzt viele Tracker ein.

Mytime: Im Vergleich hat Mytime die schlechtesten Lieferoptionen und auch beim Testkauf schnitt dieser deutschlandweite Anbieter am schlechtesten ab. Die Lieferung kam zudem mit massenhaft Verpackungsmüll, der nur kostenpflichtig zurückgesendet werden kann und auch der Einsatz zahlreicher Tracker schlägt negativ zu Buche. Positiv fiel Mytime im Hinblick auf die – eigentlich selbstverständliche – Einhaltung gesetzlicher Kennzeichnungspflichten auf.

Rewe online: Die Preise der Produkte aus dem Warenkorb entsprechen bei Rewe online etwa den Preisen im Markt, die Lieferoptionen sind komfortabel und beim Testkauf konnte Rewe mit wenigen Patzern und der sparsamsten Verpackung überzeugen. Allerdings nutzt Rewe die mit Abstand höchste Anzahl von Trackern, kennzeichnet die Herkunftsländer bei Obst und Gemüse nicht eindeutig und auch in den AGB gab es Mängel.