Pressemitteilung 28.09.2017

Vor Liberalisierung des EU-Zuckermarkts: foodwatch fordert wirksame Maßnahmen gegen zu hohen Zuckerkonsum – Isoglukose nicht schädlicher als Haushaltszucker

Vor der Liberalisierung des EU-Zuckermarkts zum 1. Oktober fordert die Verbraucherorganisation foodwatch die zukünftige Bundesregierung auf, geeignete Maßnahmen gegen den zu hohen Zuckerkonsum vorzulegen. Mit dem Wegfall der „Zuckerquote“ in der Europäischen Union ab kommendem Sonntag werden die Preise für den Rohstoff Zucker sinken und zudem der günstigere Flüssigzucker Isoglukose verstärkt hergestellt, erwarten Experten. Damit werde es laut foodwatch für Lebensmittelkonzerne noch lukrativer, stark gesüßte Getränke und Süßwaren zu verkaufen.

„Niedrige Zuckerpreise versprechen hohe Gewinne für die Lebensmittelindustrie – auf Kosten der Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher. Mit gesunden Lebensmitteln wie Obst oder Gemüse machen Unternehmen deutlich weniger Profit als mit zuckrigen Getränken, Süßigkeiten oder Snacks. Wird der Rohstoff Zucker noch billiger, wird dieses Problem noch verschärft“, erklärte Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch. Wirksame politische Maßnahmen gegen den zu hohen Zuckerkonsum seien daher wichtiger denn je. Appelle an die Lebensmittelwirtschaft, den Zuckergehalt freiwillig zu reduzieren sowie Programme zur Ernährungsbildung allein reichten nicht aus. „Die Politik muss die Industrie in die Pflicht nehmen: Wir brauchen eine verbraucherfreundliche Nährwert-Kennzeichnung, Beschränkungen der an Kinder gerichteten Werbung, Mindestanforderungen für Schul- und Kitaessen sowie steuerliche Anreize für die Getränkeindustrie, endlich den Zuckergehalt zu reduzieren.“

Am 1. Oktober 2017 soll der bisher stark regulierte Zuckermarkt in der Europäischen Union liberalisiert werden: Mindestpreise für Zuckerrüben, feste Produktionsquoten sowie Exportbeschränkungen fallen weg. Experten wie etwa das staatliche Thünen-Institut, eine Forschungsbehörde unter dem Dach des Bundeslandwirtschaftsministeriums, prognostizieren, dass dadurch die Zuckerpreise sinken werden. Zudem werde verstärkt Isoglukose, ein Flüssigzucker, der günstig aus Mais oder Weizen hergestellt wird, auf den Markt kommen. Bisher wird in Europa Zucker fast ausschließlich aus Zuckerrüben gewonnen. 

„Aus gesundheitlicher Sicht ist es unerheblich, ob Limonaden und Co. mit Isoglukose oder Haushaltszucker gesüßt werden. In beiden Fällen fördern Zuckergetränke nachweislich die Entstehung von Übergewicht und chronischen Krankheiten wie Typ-2-Diabetes“, so Oliver Huizinga von foodwatch. 

In den USA ist Isoglukose unter dem Namen „High Fructose Corn Syrup“ bekannt. Regelmäßig wird vor Isoglukose aufgrund eines hohen Fruktosegehalts gewarnt. Tatsächlich ist ein hoher Fruktosekonsum eine Gefahr für die Gesundheit, da er die Entstehung von Typ-2-Diabetes fördert. Isoglukose und Saccharose (Haushaltszucker) enthalten in der Regel jedoch ähnliche Anteile an Fruktose.

Die Deutschen konsumieren schon heute deutlich mehr Zucker als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt. Ein hoher Zuckerkonsum kann zu einer ungesunden Gewichtszunahme und einem erhöhten Risiko von Adipositas und anderen Krankheiten führt. In Deutschland ist rund ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland laut Robert-Koch-Institut fettleibig (BMI ≥ 30). Adipositas bei Kindern sowie Erwachsenen hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Das verursacht nicht nur individuelles Leiden der Betroffenen, sondern auch erhebliche gesamtgesellschaftliche Kosten: Allein durch Adipositas entstehen in Deutschland jährlich etwa 63 Milliarden Euro Folgekosten.