Pressemitteilung 02.04.2019

274 Tonnen süß: foodwatch protestiert mit „Riesen-Zuckerwürfel“ vor NRW-Verbraucherministerium – Aktivisten fordern: „Kein Steuergeld mehr für zuckrigen Schulkakao!“

Pressemitteilung - Thema: Schulmilchförderung

274 Tonnen süß: foodwatch protestiert mit „Riesen-Zuckerwürfel“ vor NRW-Verbraucherministerium – Aktivisten fordern: „Kein Steuergeld mehr für zuckrigen Schulkakao!“

+++ Fotos von der Aktion zur redaktionellen Verwendung unter: <link http: mailings.foodwatch.de cp>material-essen-und-gesundheit.foodwatch.de und Video-Material zum Download (Passwort: Foodwatch) unter <link http: mailings.foodwatch.de cp>owncloud-gebauer-media.prossl.de/index.php/s/ItwygyH3dIp7f0e +++

Düsseldorf, 2. April 2019. 274 Tonnen Extra-Zucker subventioniert Nordrhein-Westfalen über gesüßte Schulmilchgetränke in einem Schuljahr - umgerechnet mehr als 90 Millionen Stück Würfelzucker. Mit einer Protestaktion hat foodwatch dem Land diesen Zuckerberg am Dienstag zurückgebracht: direkt vor die Tür des zuständigen NRW-Verbraucherministeriums. Vor dem Bürokomplex am Kennedydamm in Düsseldorf baute die Verbraucherorganisation symbolisch einen überdimensionalen „Zuckerwürfel“ auf, der dem Volumen von 274 Tonnen Zucker entsprach: 6,8 Meter breit, 6,8 Meter lang, 6,8 Meter hoch. Mit Transparenten forderten die Verbraucherschutzaktivistinnen und -aktivisten: "Kein Steuergeld mehr für zuckrigen Schulkakao!“ und „Kinder fördern statt Landliebe“.

NRW ist das letzte Bundesland, das noch an Subventionen für gezuckerte Schulmilch festhält - entgegen dem Rat von Kinder- und Zahnärzten, Diabetologen und Ernährungsexperten. Auch Vertreter von Eltern und Lehrern in NRW hatten sich gegen die Kakao-Förderung ausgesprochen. „Es geht nicht nur um ‚mal ein bisschen Kakao‘ oder um einen kleinen Schönheitsfehler in einem ansonsten tollen Schulmilchprogramm - NRW subventioniert einen Riesenberg Extra-Zucker für Schulkinder“, kritisierte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. Er forderte Verbraucherministerin Ursula Heinen-Esser auf, die Förderung gezuckerter Schulmilch spätestens zum neuen Schuljahr 2019/2020 zu beenden. „Während alle über Zuckerreduktion sprechen, kurbelt die Landesregierung den ohnehin viel zu hohen Zuckerkonsum von Kindern auch noch zusätzlich an. Dieses irre staatliche Übergewichtsförderprogramm muss gestoppt werden.“

Das Landesverbraucherministerium hatte zuletzt im September 2018 offiziell angegeben, dass im Schuljahr 2016/2017 in NRW fast sieben Millionen Liter gezuckerte Schulmilchgetränke ausgeliefert wurden. Bei dem vom Ministerium genannten durchschnittlichen Zuckerzusatz von vier Prozent beläuft sich die staatliche Förderung in NRW damit auf rund 274 Tonnen Zuckerzusatz im Schuljahr - diese Menge würde einen Würfel mit 6,8 Metern Kantenlänge ausfüllen, wie foodwatch mit einem entsprechend großen künstlichen Zuckerwürfel veranschaulichte. Dabei ist der in der Milch natürlich enthaltene Milchzucker noch nicht einmal mit eingerechnet, sondern allein der zugesetzte Zucker.

Bei Wind und Regen nahm ein Sprecher des Ministeriums von den foodwatch-Aktivistinnen und -Aktivisten eine besondere Überraschung entgegen: eine vergoldete Packung Zucker - gekennzeichnet als „das letzte Kilo Zucker für die Schulkakaoförderung NRW" und versehen mit dem „Verzehrdatum: 12.7.2019“, dem letzten Schultag in diesem Schuljahr. Der Ministeriumssprecher erklärte, dass man „nicht von heute auf morgen“ aussteigen könne. Die Landesregierung werde aber „ergebnisoffen entscheiden, wie es mit dem Schulmilchprogramm im kommenden Schuljahr weitergeht“. 

foodwatch forderte Ministerin Ursula Heinen-Esser auf, die Kakao-Subventionen zu streichen und stattdessen endlich die erforderlichen Landesmittel zur Verfügung zu stellen, um eine gesunde Kinderernährung zu fördern. Das Land müsse zum Beispiel eine ausgewogene Mittagsverpflegung mit verpflichtenden Qualitätsstandards durchsetzen, das Schulobst- und -gemüse-Programm für alle Schulen statt nur für einige anbieten, Wasserspender installieren, wirtschaftsunabhängigen Ernährungsunterricht organisieren und für ausgewogene Lebensmittel am Schulkiosk sorgen. An Schulen, in denen viele Kinder ohne Frühstück zum Unterricht kommen, könnten zudem ergänzende, ausgewogene Frühstücksangebote eingerichtet werden. „Mit den richtigen Prioritäten im Haushalt kann NRW viel für die Kinder tun, doch hier ist das Land weitgehend blank. Die Schulmilchförderung taugt noch nicht mal als Feigenblatt, denn ein zuckriger Schulkakao kann kein Ersatz für ein ausgewogenes Frühstück sein“, sagte foodwatch-Chef Martin Rücker.

In einem Appell an die NRW-Landesregierung hatten sich bereits im September vergangenen Jahres renommierte Ärzte und Ernährungsexperten sowie Vertreter von Lehrern und Eltern gegen zuckrigen Schulkakao ausgesprochen. Über eine Online-Protestaktion von foodwatch fordern zudem deutschlandweit fast 30.000 Menschen ein Ende der Schokomilch-Subventionen. 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gelten als übergewichtig - ein wesentlicher Grund dafür ist eine unausgewogene Ernährung. Besonders der zu hohe Konsum gezuckerter Lebensmittel wird von Ernährungswissenschaftlern, der Ärzteschaft und der Weltgesundheitsorganisation gleichermaßen bemängelt.

Im Rahmen des sogenannten Schulprogramms der Europäischen Union sollen eigentlich nur noch Milchprodukte ohne zugesetzten Zucker subventioniert werden. Zur Begründung verweist die EU ausdrücklich auf die Zunahme der Zahl fettleibiger Kinder. In Deutschland hatten die Bundesländer Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hessen allerdings eigens Ausnahmeregelungen geschaffen, um weiter Kakao & Co. zu fördern. Nach Kritik von foodwatch reagierte Hessen im August 2018 als erstes Bundesland und kündigte einen Stopp der Subvention gezuckerter Schulmilch an. Mittlerweile haben auch Berlin und Brandenburg beschlossen, an Schulen nur noch Milch ohne Zuckerzusatz zu fördern und Ernährungsunterricht unabhängig von wirtschaftlichen Interessen zu organisieren. Damit ist NRW das einzige Bundesland, das an der Subvention von Schulkakao festhält.

+++ Fotos von der Aktion zur redaktionellen Verwendung unter: <link http: mailings.foodwatch.de cp>material-essen-und-gesundheit.foodwatch.de und Video-Material zum Download (Passwort: Foodwatch) unter <link http: mailings.foodwatch.de cp>owncloud-gebauer-media.prossl.de/index.php/s/ItwygyH3dIp7f0e +++