Pressemitteilung 03.08.2020

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Bürger haben Anspruch auf Ergebnisse von Hygiene-Kontrollen

Klagewelle gegen Online-Plattform „Topf Secret“ ohne Erfolg

Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht darauf, zu erfahren, wie Lebensmittelbetriebe bei amtlichen Hygiene-Kontrollen abgeschnitten haben. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg entschieden. Anfragen über die Online-Plattform „Topf Secret“ sind laut dem Gerichtsbeschluss rechtmäßig, die Behörden müssen die Informationen „ungefiltert“ zugänglich machen. Diese Entscheidung habe Signalwirkung für tausende offene Bürgeranfragen in Berlin, so foodwatch. Bisher stelle sich der Großteil der Berliner Bezirke quer und weigere sich, die Hygiene-Kontrollen herauszugeben.

„Die Lebensmittelwirtschaft will verhindern, dass Bürgerinnen und Bürger die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen erfahren – mit einer groß angelegten Lobbykampagne, hunderten Klagen und mehreren juristischen Gutachten gegen unsere Plattform ‚Topf Secret‘. Doch die Klagewelle bleibt weiterhin erfolglos“, erklärte Rauna Bindewald, Volljuristin und Campaignerin bei foodwatch.

Im konkreten Fall hatte ein Verbraucher über das Online-Portal „Topf Secret“ Informationen zu Hygienekontrollen bei einem Real-Supermarkt in Teltow beantragt. Die zuständige Behörde wollte die Infos erteilen. Real wehrte sich gerichtlich dagegen, scheiterte jedoch in der zweiten Instanz im Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, das nun zugunsten des Informationsanspruchs der Verbraucherinnen und Verbraucher entschieden hat. Der Beschluss des OVG ist nicht anfechtbar.

Mit seinem Beschluss folgte das OVG Berlin-Brandenburg einer Reihe anderer Gerichte: Zunächst hatte das Bundesverwaltungsgericht die Verbraucherinformationsrechte in einem Grundsatzurteil zum VIG im August 2019 grundlegend gestärkt. Es folgten Entscheidungen von Oberverwaltungsgerichten zu „Topf Secret“, die den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und Antragsteller eindeutig bejahten, darunter der VGH Baden-Württemberg, das OVG Nordrhein-Westfahlen, das OVG Niedersachsen sowie der VGH Bayern.

Derzeit wird nur ein Bruchteil der Ergebnisse der amtlichen Hygiene-Kontrollen von Bäckereien, Supermärkten und anderen Lebensmittelbetrieben aktiv durch die Behörden veröffentlicht. Auf „Topf Secret“ ist es für Bürgerinnen und Bürger jedoch seit Anfang des vergangenen Jahres möglich, auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) amtliche Kontrollergebnisse abzufragen – auch solche, die die Behörden bislang geheim halten. Über „Topf Secret“ wurden deutschlandweit bislang mehr als 48.000 Anträge gestellt, allein in Berlin sind es knapp 4.000. Die meisten der rund 400 zuständigen Behörden in Deutschland geben die Informationen heraus. In Berlin stellen sich die meisten zuständigen Bezirke hingegen bislang quer.

„Die Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, wie es um die Hygiene beim Bäcker nebenan oder im Supermarkt bestellt ist“, erklärte Rauna Bindewald. „Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Die Berliner Behörden müssen jetzt endliche ihre Blockadehaltung aufgeben – sonst werden wir weitere Klagen auf den Weg bringen.“

foodwatch hatte gemeinsam mit der Transparenz-Initiative FragDenStaat bereits in drei Fällen gegen das Land Berlin geklagt. Die Verfahren richteten sich gegen das Vorgehen der Bezirksämter Berlin-Pankow, Spandau und Mitte. Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte kündigte daraufhin an, Kontrollberichte versenden zu wollen. Neukölln hat bereits begonnen, Lebensmittelkontrollberichte an Bürgerinnen und Bürger zu versenden. Auch Charlottenburg-Wilmersdorf kündigte letzte Woche die Herausgabe der Berichte an.