Gericht eröffnet Verhandlung um Becel pro.activ neu
Das Landgericht Hamburg hat die Verhandlung gegen den Nahrungsmittelkonzern Unilever um den Cholesterinsenker Becel pro.activ neu eröffnet. Eigentlich war für heute die Urteilsverkündung erwartet worden. Doch nach widersprüchlichen Aussagen von Unilever sieht das Gericht offenbar noch Klärungsbedarf.
Heute um 9:55 Uhr sollte im Prozess um Becel pro.activ das Urteil fallen. Eigentlich. Doch anstatt ein Urteil zu verlesen, hat das Landgericht Hamburg die Verhandlung neu eröffnet. Offenbar sieht das Gericht nach wie vor Klärungsbedarf. Voraussichtlich am 14. Dezember 2012 wird nun eine Entscheidung verkündet.
Zweifel an Sicherheit von Becel pro.activ
foodwatch wirft Unilver vor, Hinweise auf Nebenwirkungen von Becel pro.activ zu leugnen.Tatsächlich gibt es an der Unbedenklichkeit der mit Pflanzensterinen angereicherten Margarine Zweifel:
- Eine Reihe wissenschaftlicher Studien hat den Verdacht erhärtet, dass die der Margarine zugesetzten Pflanzensterine das verursachen können, was sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten.
- Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat sich daher für eine Neubewertung von Pflanzensterinen und gegen jede weitere Zulassung neuer Pflanzensterin-angereicherter Lebensmittelgruppen ausgesprochen. Gesunde Menschen ohne Cholesterinproblem warnt das BfR ausdrücklich vor dem Verzehr von Produkten wie Becel pro.activ.
- In der mündlichen Verhandlung am 17. August bestätigte Unilever vor Gericht, dass Lebensmittel mit hochkonzentrierten Pflanzensterinen zu Ablagerungen in den Gefäßen führen können.
- Als Kronzeugen für die angebliche Nicht-Existenz von Nebenwirkungen zieht Unilever den Gießener Wissenschaftler Prof. Hans-Ulrich Klör heran – dieser wird am 2. Oktober 2012 in der Berliner Zeitung jedoch damit zitiert, dass das Risiko für Nebenwirkungen bei Pflanzensterin-Produkten lediglich „deutlich geringer“ als bei anderen Produkten oder Medikamenten sei. Implizit ist damit gesagt, dass bei solchen Lebensmitteln doch Nebenwirkungen möglich sein können.
Dennoch hatte Unilever – unter anderem in einer Presseerklärung – Prof. Klör damit zitiert, dass es „aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis“ auf Nebenwirkungen gebe. Gegen die Verbreitung dieser irreführenden Aussage hatte foodwatch im Januar Klage eingereicht (Az 324 O 64/12).
Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung?
Entscheidend ist, ob das Gericht die Aussagen von Prof. Klör lediglich als subjektive Meinungsäußerung und nicht als Tatsachenbehauptung einstuft. Denn dann würde es nicht zur Überprüfung der Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt durch das Gericht kommen. Aus Sicht von foodwatch handelt es sich bei der Leugnung von Hinweisen auf Nebenwirkungen um eine nachweislich unwahre Tatsachenbehauptung. In der mündlichen Verhandlung im August hatte das Gericht jedoch dazu tendiert, die Aussage des Wissenschaftlers lediglich als Meinungsäußerung.
Die Frage ist nun also: Kann belegt werden, dass Unilever und Prof. Klör wider besseres Wissens Hinweise auf Nebenwirkungen geleugnet haben? In diesem Fall wäre die Aussage selbst als Meinungsäußerung nicht zulässig.
foodwatch fordert: Becel pro.activ raus aus dem Supermarkt
foodwatch forderte Unilever auf, – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens – die kritischen Studien nicht länger zu ignorieren und Becel pro.activ nicht mehr frei verkäuflich im Handel anzubieten, sondern allenfalls noch auf ärztliches Rezept in der Apotheke. Der Lebensmittel-Multi muss für die Margarine ein arzneimittelrechtliches Zulassungsverfahren durchlaufen und die Sicherheit in klinischen Langzeitstudien erforschen.