Nachricht 03.12.2014

CETA: Vizekanzler Gabriel täuscht Bundestag und Bürger

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat Parlamentarier und Öffentlichkeit beim Freihandelsabkommen mehrfach getäuscht. In einem aktuellen Sachstandsbericht für den Wirtschaftsausschuss des Bundestags arbeitet sein Ministerium mit formaljuristischen Tricks, im Plenum sagte der Vizekanzler selbst die Unwahrheit.

Nach seiner zunächst deutlichen Kritik insbesondere an den Investorenschutzklauseln hatte Sigmar Gabriel in der vergangenen Woche eine Zustimmung Deutschlands zum geplanten CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada signalisiert. „Deutschland wird dem dann auch zustimmen. Das geht gar nicht anders“, so Gabriel laut Plenarprotokoll in der Bundestagsdebatte am 27. November. Seine Begründung: Weil „der Rest Europas dieses Abkommen will.“ Die Kritiker warnte Gabriel vor einer „nationalen Bauchnabelschau“.

Der „Rest Europas“ stimmt zu? Von wegen!

Tatsächlich kann von einer Zustimmung im „Rest Europas“ keine Rede sein: Vier Tage vor Gabriels Rede stimmte die französische Assemblée Nationale mehrheitlich gegen CETA in der jetzigen Form. Zuvor hatten sich bereits die Parlamente in den Niederlanden und in Österreich gegen den Vertragsentwurf ausgesprochen.

Noch am 25. September hatte Gabriel ebenfalls im Bundestag das österreichische Parlamentsvotum ausdrücklich erwähnt und gelobt: „Gestern hat das österreichische Parlament – ich glaube, mit einer Zweidrittelmehrheit – […] beschlossen, dass sie ebenfalls weiterverhandeln wollen. […] Tun Sie […] bitte nicht so, als gäbe es keinerlei Chance, weiter zu reden! Das tun die Österreicher, das werden andere tun, und das werden auch wir machen“ (zitiert nach Plenarprotokoll).

CETA erst nach Bundestagsbeschluss? Von wegen!

In dieser Woche griffen Medien zudem einen Sachstandsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums vom 1.12.2014 für den Wirtschaftsausschuss des Bundestages auf. Tenor: CETA könne frühestens in etwa drei Jahren in Kraft treten, weil zunächst alle nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten den Vertrag ratifizieren müssten. Auch dieser Eindruck ist falsch. Denn selbst als so genanntes „gemischtes Abkommen“ kann CETA bereits vor Abschluss eines Ratifizierungsverfahrens – das heißt ohne Zustimmung des Bundestages – vorläufig angewandt werden.

Im Sachstandsbericht greift Sigmar Gabriels Ministerium daher zu einem formaljuristischen Formulierungstrick: „Das gesamte Abkommen kann als gemischtes Abkommen erst nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten endgültig in Kraft treten“ (Hervorhebung durch foodwatch). Auch bei einem nur vorläufig angewandten gesetzten Vertrag würden jedoch die meisten Regelungen bereits Gültigkeit erlangen – dies erwähnt das Ministerium in dem Bericht freilich nicht.

An anderer Stelle schreibt das Bundeswirtschaftsministerium selbst:

„Gemischte Abkommen können nach Zustimmung des Rates vor ihrem Inkrafttreten vorläufig angewandt werden. Das gilt aber nur für die Teile des Abkommens, die in EU-Zuständigkeit liegen. Die Teile des Abkommens, die in nationaler Zuständigkeit liegen, treten erst nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten in Kraft.“

Bundestag hat wenig Einflussmöglichkeiten

Ohnehin könnte der Bundestag also nicht das CETA-Abkommen in Gänze ablehnen, sondern lediglich kleine Teile davon. Auf die Frage, ob zum Beispiel Schiedsgerichtsklagen gegen europäische Gesetze ermöglicht werden oder nicht, hat das deutsche Parlament keinerlei Einfluss.