Nachricht 18.04.2012

Werbebeschränkung: Nestlé bricht sein Versprechen

Nestlé verstößt gegen seinen eigenen Codex zur Beschränkung von Werbung an Kinder und zur Herstellung gesunder Nahrungsmittel. Entgegen seiner offiziellen Grundsätze vermarktet Nestlé vor allem Süßigkeiten und überzuckerte Frühstücksflocken an Kinder und ist mit verkappten Marketingprogrammen in Schulen präsent. foodwatch fordert Nestlé in einem offenen Brief auf, seine Versprechungen auch umzusetzen.

Ausführlich beschreibt Nestlé auf seiner Internetseite die Unternehmensgrundsätze. Viel ist dort zu lesen von Verantwortung, Prinzipien und internen Richtlinien. „Unser Ziel ist es, Tag für Tag die Lebensqualität der Konsumenten in aller Welt zu verbessern, indem wir ihnen schmackhaftere und gesündere Nahrungsmittel- und Getränkeoptionen bieten und sie zu einem gesunden Lebensstil anregen“, heißt es etwa auf der Nestlé-Seite.

Strenge Auflagen?

Für die Werbung und Marketingaktivitäten gegenüber Kindern sollen „strenge Auflagen“ gelten: „Gegenüber Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren dürfen nur solche Produkte beworben werden, die für die Ernährung dieser Altersgruppe geeignet sind und eine positive Rolle in einer ausgewogenen Ernährung dieser Altersgruppe spielen können. Die entsprechenden Produkte werden einer Überprüfung anhand ernährungswissenschaftlicher Vorgaben unterworfen.“ Auch an Grundschulen will das Unternehmen keine Werbung machen.

Offener Brief von foodwatch an Nestlé

Doch die Nestlé-Wirklichkeit deckt sich leider nicht mit den wohlklingenden Nestlé-Versprechen. In einem offenen Brief an Gerhard Berssenbrügge, Vorstandsvorsitzender von Nestlé Deutschland, fordert foodwatch das Unternehmen daher auf, endlich die eigenen Versprechungen umzusetzen.

Denn teilweise verstößt der Konzern ganz offen gegen die selbst postulierten Grundsätze, teilweise umgeht er sie durch willkürliche Ausnahmereglungen:

1) Unausgewogene Kinder-Produkte statt „gesündere Optionen“

Versprochen: Nestlé verpflichtet sich dem „Ziel“, „Tag für Tag (…) gesündere Nahrungsmittel und Getränkeoptionen bieten“ zu wollen.

Gebrochen: Tatsächlich sind 50 Prozent der Produkte, die Nestlé Deutschland gezielt an Kinder vermarktet oder als Kinderprodukte bewirbt, süße und unausgewogene Snacks. In der Ernährungspyramide des vom Bundesernährungsministerium geförderten aid-Infodienstes liegen sie im „roten“ Bereich an der Pyramidenspitze und sollten nur selten und in kleinen Mengen verzehrt werden. Bei Frühstücksflocken, die grundsätzlich ein ausgewogenes Frühstück darstellen könnten, fallen sogar alle gezielt an Kinder vermarkteten Nestlé-Produkte aufgrund ihres hohen Zuckeranteils zwischen 30,4 und 36,9 Prozent in den „roten“ Bereich.

2) Marketing an Kinder statt ernstgemeinter Selbstbeschränkung

Versprochen: Nestlé schreibt: „Für die Werbung und anderen Marketingaktivitäten gegenüber Kindern gelten strenge Auflagen. Nestlé verzichtet auf jegliche direkte Werbung gegenüber Kindern unter sechs Jahren. Gegenüber Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren dürfen nur solche Produkte beworben werden, die für die Ernährung dieser Altersgruppe geeignet sind und eine positive Rolle in einer ausgewogenen Ernährung dieser Altersgruppe spielen können. Die entsprechenden Produkte werden einer Überprüfung anhand ernährungswissenschaftlicher Vorgaben unterworfen.“

Gebrochen: Nestlé-Frühstücksflocken für Kinder (CiniMinis, Cookie Crisp etc.) enthalten allesamt mehr als 30 Prozent Zucker – sie sind kein ausgewogenes Frühstück, sondern Süßigkeiten. Dennoch wirbt Nestlé für diese Produkte mit TV-Spots, die eindeutig Kinder unter 12 Jahren ansprechen und ködert die Kleinen auch im Netz. Auf der Internetseite der Kindersendung Toggo (Super RTL, Zielgruppe 7- bis 13-Jährige) zum Beispiel mit CiniMini-Spielen und Gewinnaktionen. Zudem ist „Marketing“ mehr als nur klassische Werbung in Fernsehen oder Zeitungen – nur darauf bezieht Nestlé jedoch die Selbstbeschränkung auch für klassische Süßigkeiten: Verpackungsgestaltung und Promotion-Aktionen an den Verkaufsstellen etwa für Schöller-Eiscreme oder Smarties sprechen gezielt junge Kinder an.

3) Junkfood-Propaganda statt Gesundheitsförderung

Versprochen: „Wir verpflichten uns zu einer verantwortungsvollen (…) Kommunikation, die (…) eine gesündere Ernährung fördert“, heißt es in den Nestlé-Grundsätzen.

Gebrochen: Mit Spielzeugbeigaben wie „Hot Wheels“-Spielzeugautos und Prämien für Sammelpunkte schafft Nestlé besondere Anreize zum Kauf überzuckerter Frühstücksflocken, bei Kindern beliebte Comicfiguren (Donald Duck, Hello Kitty) locken als Werbefiguren für Schöller-Eis. Mit dieser Ansprache fördert Nestlé den Absatz von Süßigkeiten – aber keine „gesündere Ernährung“.

4) Grundschul-Programme statt Privatsphäre

Versprochen: „Wir wahren (…) die Privatsphäre der Konsumenten“, gibt Nestlé an – und propagiert den Verzicht auf Markenkommunikation in Grundschulen mit Ausnahmen für Produkte, die bestimmten Nährwert-Profilen entsprechen.

Gebrochen: Mit Wettbewerben wie „Unsere Klasse is(s)t klasse“ oder Bildungsinitiativen wie „Frühstückszeit – Lesezeit“ ist Nestlé auch in Grundschulen präsent. Dabei vermeidet der Konzern zwar direktes Produktmarketing, betreibt aber indirekt Werbung für die Marke Nestlé und sein im Segment der Kinderlebensmittel wenig ausgewogenes Portfolio.