Nachricht 10.06.2012

Hygiene-Ampel für Lebensmittelbetriebe vor dem Aus

Mit der Hygiene-Ampel sollten Verbraucher über alle Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen informiert werden - direkt in den Lebensmittelbetrieben. Jetzt steht die Hygiene-Ampel vor dem Aus. Wie eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Wirtschafts- und Verbraucherschutzministern der Länder beschlossen hat, soll es den Unternehmen selbst überlassen bleiben, ob sie die Kontrollergebnisse bekannt machen oder nicht.

Die Verbraucherminister der Länder beschlossen bereits 2011: Alle Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen sollen veröffentlicht werden, die Hygiene-Ampel soll kommen. Die Wirtschaftsminister jedoch positionierten sich mehrheitlich dagegen. Heraus kam eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe – und mit ihr nun das wahrscheinliche Aus für die Hygiene-Ampel.

Betriebe sollen selbst über Veröffentlichung entscheiden

Am 11. Mai 2012 traf sich die gemeinsame Arbeitsgruppe von Wirtschafts- und Verbraucherschutzministern in Hamburg, erst jetzt wurde das Protokoll bekannt. Darin heißt es: "Die Vertreter der WMK [=Wirtschaftsministerkonferenz] machten deutlich, dass nur eine fakultative Veröffentlichung mitgetragen werden kann. Ein obligatorisches System wird abgelehnt. Vor diesem Hintergrund verständigt sich die AG darauf, eine Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Kontrollsystemen auf freiwilliger Basis weiterzuverfolgen. Hierbei entscheidet der einzelne Unternehmer, ob er die Kontrollergebnisse bekannt macht."

Ein Beschluss, der de facto das Aus für die Hygiene-Ampel bedeutet. Denn bei diesem Transparenzsystem ging es gerade darum, alle Kontrollergebnisse öffentlich zu machen, damit Verbraucher die guten Betriebe von den schlechten unterscheiden können und die Mehrheit der sauber arbeitenden Unternehmen keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Schmuddelbetrieben hat. Ein freiwilliges System ist in Nordrhein-Westfalen schon einmal gescheitert, weil sich zu wenige Betriebe daran beteiligten und kein Hygienesünder freiwillig über negative Kontrollergebnisse informiert.

Sonnen für Schmuddelbetriebe?

Nach dem Beschluss der Arbeitsgruppe – beteiligt waren die Wirtschaftsministerien aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg sowie die Verbraucherschutzministerien aus Hamburg, Rheinland-Pfalz und Hessen – werden also eher die Schmuddelbetriebe vor den Verbrauchern als die Verbraucher vor den Schmuddelbetrieben geschützt. Zuletzt hatte der Fall der Großbäckerei Müller für Aufsehen gesorgt, weil die Behörden jahrelang von Mäusekot und Kakerlaken in der Produktion wussten, aber zunächst weder den Verkauf der Ware stoppten noch die Verbraucher informierten. Solche Fälle wären mit einer freiwilligen Lösung weiterhin möglich. Und das, obwohl die Behörden im Auftrag und zum Schutz der Bürger arbeiten.

Gänzlich absurd: Die Länderminister beraten derzeit auch darüber, die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen im Rahmen des freiwilligen Systems in Form von Sonnen darzustellen. Je mehr Sonnen, umso mehr Gesetze hat ein Unternehmen eingehalten. Ein Lebensmittelbetrieb, der massiv gegen Hygienegesetze verstößt und kurz vor der Schließung steht, würde also von Amtswegen dafür auch noch mit einer Sonne ausgezeichnet.

Verbraucherminister verstoßen gegen Verbraucherminister-Beschluss, SPD-Politiker gegen SPD-Programm

Dass der faule Kompromiss mit den Wirtschaftsministern von drei Verbraucherschutzministerien mitgetragen wurde, ist eine Abkehr vom einstigen Beschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz. Das SPD-regierte Hamburg unter Führung des stellvertretenden Bundesparteivorsitzenden Olaf Scholz und der rheinland-pfälzische Verbraucherminister Jochen Hartloff, der auch als Verbraucherschutzkoordinator der SPD-regierten Länder fungiert, verstoßen damit zudem gegen einen Beschluss des SPD-Bundesparteitags von Dezember 2011. Darin legten sich die Sozialdemokraten auf eine obligatorische Hygiene-Ampel fest.

Jahr für Jahr wird bundesweit jeder vierte kontrollierte Lebensmittelbetrieb von den Behörden beanstandet, weil er gegen lebensmittelrechtliche Vorgaben verstößt. Bislang bleiben die Ergebnisse der amtlichen Kontrollen geheim. Bei der Hygiene-Ampel sollte ein Aushang vor Ort in jedem Betrieb über die Kontrollergebnisse informieren – je nach Grad der Beanstandung mit Grün, Gelb oder Rot gekennzeichnet. Vorbild ist das auch von foodwatch geforderte dänische Smiley-System, das mit Gesichter-Grafiken statt mit Farben arbeitet und durch das die Beanstandungsquoten seit zehn Jahren kontinuierlich gesenkt werden konnten. In Deutschland wird seit Monaten über die Einführung eines bundeseinheitlichen Systems diskutiert. Erst durch eine Verpflichtung der Betriebe, alle Kontrollergebnisse publik zu machen, wird für die Verbraucher Transparenz über die Hygienesituation geschaffen.