Labortests von foodwatch weisen in vielen Lebensmitteln großer Hersteller eine Belastung mit gefährlichen Mineralölen nach. Doch anstatt Fehler einzugestehen, weigern sich die Unternehmen ihre Produkte zurückzurufen und versuchen sich aus der Verantwortung zu ziehen.
Die von foodwatch beauftragten Analysen zweier unabhängiger Labore belegen, dass zahlreiche Lebensmittel mit aromatischen Mineralölen (MOAH) verunreinigt sind. Diese Substanzen gelten als krebserregend und erbgutschädigend. Insgesamt hat foodwatch im Jahr 2021 152 Lebensmittel aus verschiedenen europäischen Ländern untersuchen lassen – jedes achte Produkt war mit MOAH belastet.
Betroffen sind in Deutschland die Knorr-Produkte „Fette Brühe“ und „Bratensaft Basis“, sowie die Schokocreme „Nusspli“ von Zentis. Auch in einer Produktcharge von „Nutella“ wurde Mineralöl gefunden.
Seit der Veröffentlichung der Testergebnisse im Dezember 2021 haben viele der betroffenen Unternehmen reagiert. Die Antworten zeigen jedoch, dass die Hersteller die Verantwortung für das Problem nicht bei sich sehen und die kontaminierten Produkte auch nicht aus den Regalen nehmen wollen. Es wird deutlich: Solange es keine gesetzlich vorgeschriebene Null-Toleranz-Grenze für MOAH gibt, werden immer wieder kontaminierte Produkte auf unseren Tellern landen.
Alnatura: Mineralöle sind unvermeidbar
Der Hersteller Alnatura versucht, die Verantwortung für die Kontamination mit einer „umweltbedingten Grundbelastung“ zu begründen:
Leider ist es heutzutage so, dass Mineralöle in der Umwelt mittlerweile so weit verbreitet sind, dass Fachleute von einer „umweltbedingten Grundbelastung“ sprechen. Spuren lassen sich daher praktisch überall nachweisen. (…) Die Hühnerbouillon ist weiterhin für den Verkauf zulässig und der analysierte Wert an Mineralölbestandteilen überschreitet keine gesetzlichen Grenzen.
Doch die zahlreichen sauberen Produkte im Mineralöltest unterstreichen, dass diese angeblich unvermeidbare „umweltbedingte“ Verunreinigung nur eine faule Ausrede darstellt.
Ferrero begrüßt klare Verordnung
Ferrero konnte bei eigenen Tests keine Kontamination nachweisen. Sie begrüßen darüber hinaus eine klare Verordnung zu Mineralöl in Lebensmitteln:
Als Sofortmaßnahme unsererseits wurde eine Nutella-Gegenprobe, die aus derselben Produktionscharge entnommen worden war, in unserem Archiv wiedergefunden und vom SGS-Labor analysiert, was erwartungsgemäß zu einer vollständig konformen Nutella-Produktionscharge führte (siehe beigefügtes SGS-Ergebnis).
foodwatch hatte zwei Labore mit den Untersuchungen beauftragt. Als Maßgabe für die Analytik von Mineralölen in den unterschiedlichen Lebensmitteln wurde die Guideline des „Joint Research Centre (JRC)“ der EU verwendet. Diese beschreibt den aktuellen Stand der Labortechnik. Die Ergebnisse unseres Mineralöltests kann man anhand der guten Laborpraxis und Analysetechnik als sicher bezeichnen.
foodwatch hatte Ferrero angeboten, die Proben zu tauschen und über Kreuz von den jeweiligen Laboren untersuchen zu lassen. Allerdings hat Ferrero dieses Angebot nicht angenommen und sich entschieden, auf die Ergebnisse und Erkenntnisse eines EU-weiten Ringversuchs abzuwarten.
Immerhin ist Ferrero klar dafür, dass endlich EU-weit eine verbindliche gesetzliche Regelung zu Mineralölverunreinigungen von Lebensmitteln kommt:
Wir würden eine spezifische und klare Verordnung zu Mineralöl in Lebensmitteln begrüßen und freuen uns daher auf die aktualisierte Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bis Ende 2022.
Mars beschuldigt Lieferanten
Mars sieht kein Problem beim Verzehr des Produktes und schiebt die Verantwortung für Tests und Kontrollen den Lieferanten zu:
Wir haben vertrauen, dass unser Produktionspartner, der das Produkt Milky Way Kako und Milch Duo Crème liefert, die höchsten Standards bei der Überprüfung der Lebensmittelsicherheit einhält. Wir haben unsere eigene interne Untersuchung im Anschluss an Ihren Bericht abgeschlossen und sind davon überzeugt, dass unser Milky Way Brotaufstrich gründlich getestet wurde und sicher zu verzehren ist. (…)
Im Falle von Mineralölen arbeiten wir eng mit unseren Lieferanten zusammen, um sicherzustellen, dass alle praktischen Schritte unternommen werden, um das Risiko des Eindringens von Spurenelementen in den Produktionsprozess zu minimieren. Wir werden weiterhin dafür sorgen, dass sich unsere Lieferanten auch in Zukunft an die höchsten Standards in dieser Hinsicht halten und Rohstoffe sowie fertige Produkte testen, um sicherzustellen, dass die Produkte, die wir auf den Markt bringen, sicher und von höchster Qualität sind.
Diese Ausrede verkennt, dass im Lebensmittelrecht der Produzent bzw. das Unternehmen, welches das Lebensmittel in Verkehr bringt, für die Einhaltung der Lebensmittelsicherheit und der rechtlichen Vorgaben verantwortlich ist. Das ist beim „Milky Way Brotaufstrich“ nun mal die Firma Mars.
Unilever stellt sich über das europäische Lebensmittelrecht und sieht keinen Handlungsbedarf
Der Lebensmittelgigant Unilever leugnet das Problem und behauptet, dass alle seine Produkte sicher seien, obwohl die Knorr-Brühwürfel im Test hochgradig mit giftigen Mineralölkohlenwasserstoffen belastet waren (bis zu 52 mg MOAH pro Kilo, wie foodwatch-Tests ergaben).
Unilever Frankreich berichtet sogar, eigene Tests der betroffenen Produkte durchgeführt zu haben. Aber: Sie verraten nicht, was dabei herausgekommen ist und verweisen lediglich darauf, dass ihre Produkte nicht gegen Vorschriften verstießen. Sie wollen die Produkte in den Supermarktregalen stehen lassen:
Die Sicherheit der Verbraucher hat für uns Priorität. Deshalb haben wir nach Erhalt der von Ihnen gemeldeten Ergebnisse eine eigene Analyse bei Kirchhoff in Auftrag gegeben, einem der wenigen führenden Laboratorien, das auf die Durchführung solcher Analysen und deren Auswertung.
Die Ergebnisse haben bestätigt, dass unsere Knorr-Produkte sicher zu konsumieren sind und den einschlägigen Vorschriften entsprechen. Dies bedeutet, dass wir keine Marktmaßnahmen ergreifen werden.
Dieses Verhalten ist absolut unseriös und zeigt, dass einem der größten Lebensmittelhersteller nicht zu trauen ist, wenn es um die Sicherheit und Gesundheit von Verbraucher:innen geht.
Gleichzeitig redet sich der Hersteller damit heraus, dass durch die Verwendung von Recyclingkarton nach wie vor Mineralöl in Produkte gelangen könne:
Das Grundproblem ist die Herstellung von Karton aus recyceltem Altpapier. Besonders Rückstände von Zeitungsdruckfarben auf Mineralölbasis gelangen über die Recyclingfasern in den Karton. (…) Die gesamte Verpackungs- und Lebensmittelindustrie arbeitet in engem Kontakt mit Wissenschaft und Behörden intensiv an einer Lösung.
Doch dieses Problem ist schon lange bekannt – und längst nutzen Lebensmittelhersteller in ihren Verpackungen funktionelle Barrieren, die sich als wirksamer Schutz erwiesen haben. Wie die zahlreichen sauberen Produkte auf dem Markt zeigen (u.a. Brühwürfel der Konkurrenz) ist diese vermeintliche Erklärung nicht mehr als eine faule Ausrede.
Lebensmittelverband verdreht Tatsachen
Am dreistesten ist jedoch die Ausrede des deutschen Lebensmittelverbands: Sie sehen eine potenzielle Kontamination mit krebserregendem Mineralöl als „unvermeidbar“ an – eine Aussage, die von unseren Ergebnissen Lügen gestraft wird und die Experten schon lange widerlegt haben. Außerdem behaupten sie: Mineralöle könnten gar nicht so gefährlich sein, schließlich gäbe es keine gesetzlichen Grenzwerte:
Es sind Einträge im Rahmen der Herstellungspraxis möglich, bei manchen Prozessen sogar unvermeidbar. Der Gesetzgeber würde sich nicht mit Orientierungswerten und Toleranzen begnügen, wenn es sich um gefährliche Substanzen handeln würde.
Eine absurde Verdrehung der Tatsachen, denn genau andersrum wird ein Schuh draus: Obwohl Mineralöle zweifelsfrei gefährlich für unsere Gesundheit sind, gibt es noch immer keine Null-Toleranz-Grenze in Lebensmitteln, weil sich EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten nicht zum Schutz von Europas Verbraucher:innen gegen die Lebensmittelindustrie durchsetzen
Nulltoleranz für Mineralöle in Lebensmitteln
Es wird klar: Solange es kein Gesetz gibt, das Mineralöle aus unseren Lebensmitteln verbannt, werden sich nicht alle Hersteller bewegen und belastete Produkte immer wieder auf unseren Tellern landen. Deswegen brauchen wir endlich eine EU-weite Null-Toleranz-Regelung für die besonders gefährlichen aromatischen Mineralöle (MOAH).
Der neue Bundesernährungsminister Cem Özdemir muss sich jetzt auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht wird, der MOAH aus allen Produkten verbannt. Dafür brauchen wir Ihre Stimme: Fordern Sie Herrn Özdemir auf, sich nicht von der Industrie in die Irre führen zu lassen, sondern sich für sichere Lebensmittel einzusetzen!
Mineralöl raus aus unseren Lebensmitteln!
Unterstützen Sie jetzt unsere Protestaktion an die Europäischen Kommission, die Mitgliedsstaaten und den neuen Bundesernährungsminister Cem Özdemir: Wir fordern eine strikte Null-Toleranz-Grenze - Mineralöl darf nicht mehr in unserem Essen landen!