Neue EU-Kennzeichnungsregeln: Lizenz zum Weiterschummeln!
Unleserliche Mini-Schrift, irreführende Nährwertangaben, versteckte Gentechnik: Wenn ab dem 13. Dezember das Gros der Regelungen aus der neuen EU-Verordnung zur Lebensmittel-kennzeichnung gilt, ist das eher ein Rückschritt für die Verbraucher. Die Lebensmittelindustrie hat sich in Brüssel die Lizenz zum Weiterschummeln besorgt, die legale Verbrauchertäuschung im Supermarkt geht weiter.
Lange wurde um die Neuregelung der Europäischen Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) gerungen, doch was am Ende im Gesetz stand und nun in die Praxis umgesetzt wird, ist ein verbraucherpolitischer Offenbarungseid: Die neuen Regelungen bringen wenig Transparenz, schützen nicht vor Täuschung und schreiben verbraucherfeindliche Vorgaben auch noch auf Jahre hinweg fest – ganz im Sinne der Lebensmittelindustrie.
Keine Ampel, sondern Schönrechnen durch Prozente
Beispiel Nährwertangaben: Zwar verpflichtet die neue EU-Verordnung Lebensmittelhersteller erstmalig dazu, überhaupt Angaben zum Gehalt an Fett, Zucker und Salz zu machen. Doch die Industrie darf die Angaben auf der Rückseite der Packung im Kleingedruckten verstecken – und auf der Packungsvorderseite die Zucker-, Fett- oder Salzwerte mit Mini-Portionsgrößen und irreführenden Prozentwerten kleinrechnen. Die verbraucherfreundliche Ampelkennzeichnung, durch die der Gehalt an Fett, Zucker und Salz auf einen Blick zu erkennen wäre, hat unter den EU-Parlamentariern keine Mehrheit gefunden. Nach eigenen Angaben hatte die europäische Lebensmittelindustrie eine Milliarde Euro investiert, um die Ampel zu verhindern und ihr eigenes Kennzeichnungssystem (GDA) durchzusetzen.
Weiter kritisiert foodwatch:
- Schriftgröße: Statt der ursprünglich von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen 3 Millimeter müssen Pflichtangaben künftig nur in 1,2 Millimeter großer Schrift (bezogen auf das kleine „x“) auf dem Etikett stehen. Für Zeitungen und Zeitschriften sind wenigstens 2 Millimeter Standard. Dass für kleine Verpackungen sogar nur 0,9 Millimeter vorgegeben sind, zeigt, dass es in der Verordnung nicht zuerst um eine Information der Verbraucher geht – die Lebensmittelindustrie hatte bei einer größeren Schrift davor gewarnt, dass der Platz für den „Markenauftritt“ des Herstellers fehle.
- Herkunft: Verbraucher werden bei den meisten Lebensmitteln auch weiterhin nicht über die Herkunft der wichtigsten Zutaten informiert. Selbst bei Lebensmitteln, die als „regionales“ Produkt beworben werden, ist eine Auskunft über die Herkunft derzeit nicht vorgeschrieben. Die Lebensmittelindustrie leistete massive Lobbyarbeit gegen eine Ausweitung der Herkunftskennzeichnung, nach dem das EU-Parlament für weiterreichende Pflichtangaben ausgesprochen hatte.
- Produktabbildungen und -bezeichnungen: Weiterhin darf ein Hersteller zum Beispiel große Erdbeeren abbilden oder sein Produkt als „Erdbeer“-Produkt bezeichnen, obwohl nur homöopathische Mengen Erdbeeren enthalten sind.
- Agrargentechnik: Auch in der neuen Verordnung gibt es keine Pflicht zur Information über den Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel. Ob Tierprodukte wie Milch, Eier oder Fleisch mithilfe von Agrargentechnik erzeugt wurden oder nicht, bleibt weiter unklar.
Eine ausführliche Stellungnahme zur neuen EU-Lebensmittelinformationsverordnung hat foodwatch heute in einem Hintergrundpapier veröffentlicht.
15-Punkte-Plan gegen legale Verbrauchertäuschung
In einem 15-Punkte-Plan hat foodwatch konkrete Vorschläge für nationale wie europäische Regelungen vorgelegt , um Etikettenschwindel und legale Verbrauchertäuschung im Supermarkt zu beenden. Über eine E-Mail-Protestaktion kann jeder die Bundesregierung auffordern, endlich zu handeln – und den 15-Punkte-Plan für ehrlichere Etiketten durchzusetzen!