Nachricht 27.12.2011

Warum gibt es kein Qualitätssiegel von foodwatch?

Ob Stiftung Warentest oder Ökotest, Bio-Siegel oder QS-Abzeichen, Blauer Engel oder „Zahnmännchen“: Eine wahre Flut von Qualitätssiegeln adelt Produkte wahlweise als „DLG-prämiert“ oder „delphinfreundlich“. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Fast nichts: Ein foodwatch-Siegel wird es auch in Zukunft nicht geben.

Dass es so schwer ist, im Supermarkt die Qualität der Lebensmittel zu überprüfen, liegt auch am mangelnden Überblick über die mindestens dreistellige Zahl an Gütesiegeln. Auf der Suche nach Orientierung richten sich viele Verbraucher nach diesen freiwilligen Prüfplaketten der Hersteller und des Handels – ohne so genau zu wissen: Welche ist seriös, welche nur eine leere Marketinghülse? Zumal auch anerkannte Prüfsiegel Verbraucher in die Irre führen können.

Siegel als Marketing-Instrument

Ein Beispiel:„Actimel activiert Abwehrkräfte“, trommelt Danone für seinen Joghurtdrink – und verwendet gern das Siegel: „Ökotest: Gut“. Allein: Die gesundheitliche Wirkung Actimels hatte das Magazin überhaupt nicht untersucht – und schon gar nicht positiv bewertet. Ökotest schrieb Anfang 2009 sogar ausdrücklich, es gebe „keinen Grund probiotische Produkte essen zu müssen“. Der eigentliche Test, der zur Note „Gut“ führte, beschränkte sich auf Sensorik, mikrobiologische Qualität und Schadstoffe – und nicht auf die versprochene Wirkung von Actimel. Danones Marketing-Abteilung war das egal.

Alles kontrollieren?

Unmöglich! Wäre da nicht ein foodwatch-Qualitätssiegel oder eine von foodwatch veröffentlichte Positivliste empfehlenswerter Produkte eine Hilfe für die Verbraucher? Die Antwort: Dies ist weder seriös zu realisieren noch brächte es wirklich Fortschritte. Seriös wäre ein foodwatch-Gütesiegel nur, wenn wir kontinuierlich alle Aspekte eines Produktes und seiner Herstellung kontrollieren, dokumentieren und bewerten würden: Nährwertgehalt, Zusatzstoffe, Herkunft der Zutaten, Arbeitsbedingungen in der Produktion, Umwelt- und Klimabilanz, Hygienebedingungen, Gentechnik-Einsatz, Tierhaltungsstandards, Ehrlichkeit der Werbeaussagen und, und, und...

Verbraucher könnten dann an diesem Siegel ihre Kaufentscheidung festmachen, Hersteller es für Werbezwecke nutzen. Schon der damit verbundene Recherche- und Testaufwand wäre für foodwatch nicht zu leisten. Das spricht nicht gegen Gütesiegel insgesamt: Siegel können ein Mittel sein, um Verbraucher besser zu informieren. Ein foodwatch-Siegel würde jedoch lediglich den hunderten von privaten Siegeln ein weiteres hinzufügen.

Verlässliche Informationen nur durch gesetzliche Standards

Die Lösung liegt nicht in einem weiteren freiwilligen Siegel – sondern in verbesserten, staatlich garantierten Produktinformationen. Das können auch zusätzliche Siegel sein. (Bisher gibt es nur ein einziges verpflichtendes staatliches Gütesiegel, das Biosiegel, und ein freiwilliges staatliches Siegel, das „Ohne-Gentechnik“-Siegel.) Das können aber auch Pflichtangaben zu den Nährwerten in Form einer Ampelkennzeichnung sein, verpflichtende Informationen zur Herkunft der Zutaten oder der Art der Tierhaltung. Durch gesetzlich geregelte Standards und staatliche Kontrollen entsteht Verlässlichkeit für die Verbraucher – sowie der nützliche Zwang für Hersteller, besser zu informieren.