Nachricht 17.03.2011

In Berlin kommt der Smiley - oder doch nicht?

Die Hauptstadt als Vorreiter beim Verbraucherschutz – so klang das Versprechen des Berliner Senats, ab Juli 2011 den Smiley einzuführen. Alle Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen sollten nach dänischem Vorbild veröffentlicht werden. Doch jetzt macht Berlin einen Rückzieher: Der Smiley soll lediglich auf freiwilliger Basis eingeführt werden – ein glatter Wortbruch.

Mit gutem Beispiel wollte Berlin voran gehen: Deutlich sichtbar sollte von Juli 2011 an der Smiley in allen Lebensmittel- und Gastronomiebetrieben der Hauptstadt aushängen und Schluss machen mit der Geheimniskrämerei bei den Lebensmittelkontrollen. Ob beim Restaurantbesuch oder beim Einkauf beim Metzger: Kunden sollten direkt darüber informiert werden, wie der jeweilige Betrieb bei der jüngsten Hygienekontrolle abgeschnitten hat und so endlich gute und schlechte Betriebe unterscheiden können.

Rolle rückwärts

Doch auf einmal die Rolle rückwärts von Katrin Lompscher (Linke), der zuständigen Senatorin für Verbraucherschutz: Der Smiley soll eingeführt werden – allerdings nur auf freiwilliger Basis. Gegen eine umfassende Einführung des dänischen Smiley-Systems gebe es rechtliche Bedenken. Betriebe könnten nicht gezwungen werden, die Ergebnisse auszuhängen. Noch im September 2010 klang das ganz anders: Mit einem 70-seitigen Gutachten belegte der Senat, dass der Einführung des Smileys rechtlich nichts im Wege steht (siehe Pressemitteilung).

Und jetzt soll alles anders sein? Dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Katrin Lompscher von ihrer Ankündigung, das Smiley-System im Juli 2011 einzuführen, plötzlich nichts mehr wissen wollen, bedeutet einen glatten Wortbruch. Verfassungsrechtliche Gründe werden vorgeschoben, um die Ergebnisse der Kontrollen weiterhin nicht veröffentlichen zu müssen. So werden die Schmuddelrestaurants vor den Verbrauchern geschützt – nicht die Verbraucher vor den Schmuddelrestaurants. Die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger werden dabei ignoriert: Bundesweit spricht sich eine überwältigende Mehrheit von 93 Prozent für den Smiley aus; in Berlin sind es sogar 97 Prozent.

„Smiley Light“ ist keine Lösung

foodwatch fordert die Einführung des Smiley-Systems bereits seit vielen Jahren. Schließlich wird bundesweit jeder vierte kontrollierte Betrieb beanstandet, ohne dass die Verbraucher davon erfahren. Ein „Smiley Light“ – wie jetzt von Frau Lompscher angekündigt – würde das Problem nicht lösen. Das zeigt auch das Beispiel Nordrhein-Westfalen: Seit 2007 vergibt das Landesministerium für Verbraucherschutz im Rahmen eines Pilotprojektes Smileys – Betriebe dürfen sich mit einem lächelnden Smiley schmücken, sie müssen aber nicht. Verbrauchern gibt eine solche freiwillige Positivkennzeichnung keine Orientierung, denn der Umkehrschluss ist nicht möglich: Gibt es kein lachendes Smiley, ist das kein Zeichen für eine schlechte Hygiene. Möglicherweise nimmt der Betrieb dann einfach nicht an dem System teil. Solche Positiv-Smileys gibt es zum Beispiel auch im Landkreis Osnabrück in Niedersachsen.

Einen faulen Kompromiss darf es also nicht geben. Das dänische Smiley-System muss 1:1 in Deutschland umgesetzt werden, auch negative Ergebnisse müssen verpflichtend ausgehangen werden. Wer Smileys will, muss jetzt ein Gesetz für Smileys machen. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner hat es selbst in der Hand, den ersten Schritt zu tun: Sie kann bei der Reform des Verbraucherinformationsgesetzes Rechtssicherheit für die Länder schaffen.

Länder in Sachen Smiley gespalten

Im September 2010 hatten sich bereits die Verbraucherminister von Bund und Ländern auf ihrer Konferenz in Potsdam einstimmig für mehr Transparenz bei Lebensmittelkontrollen ausgesprochen. Wie diese aussehen soll, ist jedoch noch unklar. Angekündigt wurde ein bundesweit verbindliches Modell, für das eine Arbeitsgruppe Bewertungsmaßstäbe entwickeln soll. Auch eine Darstellung mit Smiley-Symbolen wie in Dänemark wird geprüft, wobei hier noch alles offen ist – die Nachrichtenagentur dpa zitiert Frau Aigner mit den Worten: „Das kann ein Smiley sein oder fünf Kochlöffel."

Hamburg und Niedersachsen hatten bei der Konferenz der Verbraucherminister einen Antrag für die Veröffentlichung von Lebensmittelkonrollen eingebracht. Skeptisch gegenüber dem Smiley-System äußerten sich jedoch Schleswig-Holstein, das Saarland, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Als Argument wurde dabei auch vorgetragen, dass ein Smiley-System gegen europarechtliche Vorgaben verstoßen könnte – absurd, denn das dänische Smiley-Modell, das sich seit fast zehn Jahren bewährt hat, beruht auf denselben europarechtlichen Vorgaben. Die Hygiene-Gesetze sind EU-weit geregelt und gelten in Dänemark wie in Deutschland gleichermaßen.

Die Pankower „Ekelliste“

Der Vorstoß Berlins für eine Einführung des Smileys ohne Wenn und Aber wäre ein deutliches Signal für „mehr Lächeln“ in allen Bundesländern gewesen. Umso bedauerlicher ist jetzt der Rückzieher. Dabei zeigte gerade der Blick nach Berlin, wie es besser gehen kann: Der Bezirk Pankow veröffentlicht seit März 2009 alle Restaurants und Gaststätten, die bei Kontrollen negativ aufgefallen waren, in einer „Negativliste“ im Internet – eine Initiative, die bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Damit wurden zum ersten Mal überhaupt in Deutschland negative Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen veröffentlicht und Hygienesünder beim Namen genannt. Das große Manko: Bisher erfuhr davon nur, wer vor dem Restaurant-Besuch im Internet gezielt danach suchte. Der Pankower Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) ist von der Entscheidung des Senats enttäuscht – und will weiter für das Smiley-System kämpfen: „Wir werden notfalls am 1. Juli allein an den Start gehen.“