Artikel 22.05.2025

Haltungskennzeichnung: Forderung nach mehr Tierwohl

Symbolbild

Wer Fleisch, Milch oder Eier kauft, wird oftmals mit idyllischen Bauernhof-Bildern, grünen Wiesen und glücklichen Tieren konfrontiert. Die Realität schaut anders aus - und die Politik versagt kläglich dabei, die Haltungsstandards nachhaltig zu verbessern. Stattdessen erarbeitet die Branche nun eine eigene Tierhaltungskennzeichnung. Die Gefahr: Tierleid wird "ausgezeichnet", schlechte Standards einbetoniert. Gemeinsam mit sieben anderen Organisationen aus Umwelt- und Tierschutz haben wir als NGO-Allianz ein Positionspapier veröffentlicht und sagen ganz klar: Wir brauchen kein weiteres Wohlfühl-Label. 

Was ist eine Haltungskennzeichnung?

Eine Haltungskennzeichnung soll sichtbar machen, unter welchen Bedingungen Tiere gehalten werden, deren Produkte verkauft werden – also etwa Fleisch, Milch oder Eier. Ziel ist es, Konsument:innen auf einen Blick zu informieren und mehr Transparenz zu schaffen. In Deutschland wurde ein vierstufiges staatliches Modell für Schweinefleisch eingeführt, das nun schrittweise ausgeweitet wird. In Österreich gibt es bislang keine verpflichtende gesetzliche Regelung.

Aktueller Stand in Österreich

Ein Versuch der Bundesregierung, eine verbindliche Kennzeichnung auf nationaler Ebene einzuführen, scheiterte 2023 am Widerstand der Landwirtschaft. Nun plant die Branche ein eigenes System. Derzeit ist nicht klar, wie dieses ausgestaltet sein soll – es fehlt an Transparenz über Kriterien, Kontrollmechanismen und die geplante Kennzeichnungslogik.

Die Gefahr liegt auf der Hand: Ohne gesetzliche Vorgaben und unabhängige Kontrolle besteht das Risiko, dass die Kennzeichnung eher der Imagepflege als echter Aufklärung dient.

Problematische Praxis hinter vielen Siegeln

Bereits jetzt existieren zahlreiche Labels, die ein Mehr an Tierwohl, einen fairen Umgang mit den Tieren oder eine bessere Tierhaltung versprechen – ohne einheitliche Standards. Häufig handelt es sich um Eigenmarken des Handels oder um Initiativen einzelner Produzenten. Für Konsument:innen ist es kaum möglich zu erkennen, was tatsächlich hinter einem Siegel steckt – und ob es den Tieren wirklich besser geht.

Selbst bei "Bio" ist vieles nicht so eindeutig, wie es scheint: Die EU-Bio-Verordnung erlaubt etwa die zeitweise Anbindehaltung bei Rindern und enthält keine Vorgaben für die Schlachtung. Auch das zeigt: Eine fundierte, stufenbasierte Haltungskennzeichnung müsste strengere Maßstäbe anlegen, um tatsächlich eine Orientierungshilfe zu sein.

Was eine glaubwürdige Haltungskennzeichnung leisten muss

Damit eine Haltungskennzeichnung einen echten Mehrwert für Verbraucher:innen und Tiere bietet, braucht es:

  • Verbindliche gesetzliche Regelungen, nicht freiwillige Systeme

  • Einheitliche, transparente Kriterien, die unabhängig wissenschaftlich fundiert sind

  • Eine mehrstufige Kennzeichnung, die signifikante Unterschiede in der Tierhaltung sichtbar macht

  • Unabhängige Kontrollen der deklarierten Haltungssysteme

  • Eine Bewertung des gesamten Lebenszyklus der Tiere – einschließlich Aufzucht, Haltung, Transport und Schlachtung

Gefahr der Irreführung

Wird die Kennzeichnung von der Industrie selbst organisiert, besteht die Gefahr, dass sie weniger dem Tierschutz als dem Marketing dient. Die Folge: Eine Kennzeichnung, die den Eindruck von verbessertem Tierwohl vermittelt, ohne dass sich die realen Haltungsbedingungen nennenswert ändern.

Damit würde das Vertrauen der Konsument:innen untergraben – und das tatsächliche Leid der Tiere unsichtbar bleiben.

Fazit

Eine Haltungskennzeichnung kann ein wirkungsvolles Instrument für mehr Transparenz und besseren Tierschutz sein – wenn sie objektiv, verpflichtend und verständlich ist. Der derzeit geplante Weg über ein brancheneigenes System läuft jedoch Gefahr, den gegenteiligen Effekt zu haben: Statt Klarheit droht neue Irreführung. Grundsätzlich sind wir der Überzeugung, dass es die Aufgabe der Politik ist, gesetzliche Mindeststandards so zu gestalten, dass alle Tiere in Haltungsformen leben, die den Erwartungen an Tier-, Umwelt- und Konsument:innenschutz entsprechen.