Hintergrund

Gesunde Versprechen

foodwatch/Ronald Talasz

Lebensmittel mit Gesundheitsbotschaften liegen im Trend. Uns Konsument*innen können sie manchmal gehörig in die Irre führen. Lebensmittelhersteller dürfen damit nämlich sogar Zucker- oder Fettbomben wie Eis oder Chips einen gesunden Anstrich verpassen. Das geht so: Sie versetzen das Lebensmittel einfach künstlich mit Vitaminen oder Mineralstoffen. Auf der Verpackung können Hersteller dann ganz legal mit den „positiven Gesundheitseffekten“ der zugesetzten Inhaltsstoffe werben. Darüber, wie gesund oder ungesund das Lebensmittel an sich ist, sagt das allerdings nichts aus. Längst sollten solche gesunden Versprechen an ein tatsächlich gesundes Nährwertprofil geknüpft sein. Doch die Lobby der Lebensmittelindustrie blockiert seit Jahren notwendige Mindestanforderungen. Wir von foodwatch finden, so kann es nicht weitergehen, denn Gesundheitswerbung auf Süßigkeiten und Junkfood ist irreführend. Gesunde Versprechen müssen an ein gesundes Nährwertprofil geknüpft sein.

Das vermeintlich gesunde Extra

Sicher fallen dir schnell ein paar Produkte ein, die mit dem „gesunden Extra“ werben: Sie versprechen, die „natürlichen Abwehrkräfte“ zu unterstützen, oder einen „Beitrag zu einem normalen Energiestoffwechsel“ zu leisten. Manche sollen gut für die Nerven sein oder „einen Beitrag für den normalen Knochenstoffwechsel leisten“. 

Konsument*innen lieben Gesundheitsversprechen 

Gut schmecken allein war also gestern. Heutzutage wird vielen Lebensmitteln ein gesundes Image verpasst. Studien  zeigen, dass Konsument*innen Produkte mit sogenannten Health-Claims – also Gesundheitsversprechen – gegenüber anderen Produkten bevorzugen. Die Verwendung von Gesundheitsversprechen dürfte sich für Lebensmittelhersteller also lohnen.

Werbewirksame Vitaminquellen 

Botschaften wie „mit Vitamin C und Eisen“ sind werbewirksam. Sie sollen die Produkte ansprechender machen und den Verkauf fördern. Die Gesundheitsversprechen wollen Hersteller so einlösen: Sie versetzen die Lebensmittel extra zu diesem Zweck mit Vitaminen, Mineralstoffen oder bestimmten Fettsäuren. Auf der Verpackung können sie dann die „positiven Gesundheitseffekte“ anpreisen. Lebensmittel werben prominent mit ihren Inhaltsstoffen. Wir lesen dann: „mit Omega 3“, „reich an Vitamin C“, „reich an Kalzium“, „Vitamin-B1-Quelle“ oder „Magnesium-Quelle“. 

Gesundes Image – gesetzlich erlaubt

Die Verordnung (EG) Nummer 1924/2006  – auch Claims-Verordnung genannt – hat dazu geführt, dass sich bei der Bewerbung von Produkten etwas geändert hat: Seit 2006 müssen gesundheitsbezogene Angaben von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen werden. Tausende Anträge von lebensmittelherstellenden Unternehmen auf Zulassung ihrer Werbesprüche hat die Behörde seither abgelehnt. Zugelassen sind rund 260 Werbebotschaften – vor allem für Vitamine und Mineralstoffe. Für eine Zulassung ist die Voraussetzung, dass die gesundheitsbezogenen Angaben wissenschaftlich belegt werden. 

„Gesunde“ Chips? Wenn’s die Werbung verspricht!

Ein entscheidender Teil der Claims-Verordnung wartet immer noch auf seine Umsetzung: Eine Klarstellung, welche Produkte überhaupt mit Gesundheitsbotschaften beworben werden dürfen. Dazu hätte die EU schon 2009 sogenannte Nährwertprofile formulieren sollen. Diese Nährwertprofile sollten verhindern, dass gesundheitlich unvorteilhafte Produkte, die beispielsweise fett- oder zuckerreich sind, mit gesundheitsbezogenen Aussagen beworben werden. Doch die Nährwertprofile wurden bis heute nicht eingeführt. Auf Druck der Lobby der Lebensmittelindustrie sollten sie sogar komplett aus der Verordnung gestrichen werden. Derzeit ist es also völlig legal, zu fette, zu salzige oder zu zuckerhaltige Lebensmittel mithilfe von „Health-Claims“ als gesund zu bewerben.

Was ist erlaubt und was nicht? 

Es gibt ein EU-Register, in dem Hersteller nachschauen können, welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben sie auf Verpackungen machen dürfen – und welche nicht. Das soll verhindern, dass einfach irgendetwas behauptet wird. Und sie müssen sich sinngemäß an die Formulierungen halten, die die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) ausgearbeitet hat. Viele Angaben beziehen sich darauf, dass die zugesetzten Vitamine und Mineralstoffe die „normalen Körperfunktionen erhalten“. Andere beziehen sich auf die Entwicklung und Gesundheit von Kindern. Wollen Hersteller mit bestimmten Inhaltsstoffen werben, müssen sie die auch in einer bestimmten Menge zusetzen. Nämlich so viel, dass die beworbenen Wirkungen auch eintreten.

Im EU-Register finden sich sowohl erlaubte als auch abgelehnte Health-Claims. Dass so viele Claims abgelehnt wurden, zeigt, dass es der Lebensmittelindustrie nicht an Fantasie mangelt und dass viele Hersteller ihre Produkte mit Health-Claims bewerben wollten, für die sie der EFSA keine Nachweise der behaupteten gesundheitsfördernden Wirkung vorlegen konnten. 

Hier haben wir ein paar erlaubte Aussagen für dich zusammengestellt.

Beispiele für erlaubte Angaben:

  • Vitamin C trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei.
  • Vitamin C trägt zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei.
  • Vitamin C trägt zur normalen Funktion des Nervensystems bei.
  • Vitamin C trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei.
  • Kalzium trägt zur normalen Muskelfunktion bei.
  • Kalzium wird für den Erhalt normaler Knochen benötigt.
  • Magnesium trägt zum normalen Elektrolythaushalt bei.
  • Magnesium trägt zur normalen Funktion des Nervensystems bei.
  • Magnesium trägt zur normalen Muskelfunktion bei.
  • Essenzielle Fettsäuren werden für das normale Wachstum und die Entwicklung von Kindern benötigt.

Geringfügige Abweichungen im Wortlaut werden toleriert. Allerdings ist eine Übertreibung oder gar die Veränderung der Aussage nicht erlaubt. Das soll vor Irreführung schützen. Leider ist das bei weitem nicht immer der Fall.
Die vollständige und ständig aktualisierte Liste der EU findest du hier.

Fazit: 

In der sogenannten Claims-Verordnung ist eigentlich vorgeschrieben, dass „Nährwertprofile“ festgelegt werden müssen. Sie sollten dazu dienen, dass nur ausgewogene Produkte mit gesundheitsbezogenen Botschaften werben dürfen.
Die Lobby der Lebensmittelindustrie hat das bis dato verhindert. 

Seit die Claims-Verordnung eingeführt wurde, können Hersteller ihren Lebensmitteln nicht mehr nach Belieben gesundheitsfördernde Eigenschaften zuschreiben:

  • Die gesundheitsbezogenen Angaben müssen wissenschaftlich belegt werden. 
  • Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erlaubt nur bestimmte Formulierungen. 

Allerdings können Hersteller ihren ungesunden Produkten immer noch völlig legal einen gesunden Anstrich verpassen: zum Beispiel durch den Zusatz von Vitaminen oder Mineralstoffen. Uns Konsument*innen kann das ordentlich in die Irre führen. 

foodwatch fordert:

  • Gesundheitswerbung auf Süßigkeiten und Junkfood ist irreführend. Solche Lebensmittel werden auch durch künstliche Vitamine nicht gesünder. Sie dürfen nicht mit Gesundheitsversprechen beworben werden.  
  • Die EU muss dringend die in der Claims-Verordnung vorgeschriebenen „Nährwertprofile“ festlegen. 
  • Auf EU-Ebene müssen dringend strengere Regeln eingeführt werden, damit nur mehr solche Produkte mit Gesundheitsbotschaften werben dürfen, die den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für ausgewogene Lebensmittel entsprechen.

Lebensmitteltäuschung - Das regt mich auf!

Lebensmittelhersteller sind erfinderisch, um ihre Produkte besser dastehen zu lassen, als sie es tatsächlich sind. Da wird uns öfter mal ein X für ein U verkauft. Das regt dich auf? Dann lade dein Bild hier hoch!

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