Artikel 06.02.2024

Februar 2024: Knorr Basis für Schwammerlragout – Das Vitamin Plus durch Fertigsaucen?

Die „Vitamin Plus Basis für Schwammerlragout“ von Knorr will sich mit zugesetzten Vitaminen wohl einen gesunden Anstrich verpassen. Gesund würden wir dieses Produkt aber nicht nennen: Es ist hoch verarbeitet und enthält gleich 5 verschiedene Varianten von Zucker. Für foodwatch ein klarer Fall von Werbeschmäh.

In den Supermarktregalen finden sich immer mehr Produkte, die groß mit Vitaminen oder Mineralstoffen werben. Ausgewogen und gesund sind viele davon aber noch lange nicht. Wir haben Anfang Februar die Supermarktregale durchkämmt und sind auf allerlei absurde Kandidaten gestoßen. Am meisten hat uns die „Vitamin Plus Basis für Schwammerlragout“ von Knorr verwundert. Das Fertigprodukt wird mit Vitaminen aufgepeppt. Auf der Verpackung sind drei Vitamine groß beworben, drei weitere finden sich in der Zutatenliste.

Gleich fünf Mal Zucker im Knorr Schwammerl Ragout

In der Zutatenliste finden sich neben den zugesetzten Vitaminen aber auch Zutaten, die wohl nie den Weg in eine selbst gemachte Schwammerlsauce finden würden. Darunter 5 verschiedene Varianten von Zucker. Milchzucker, Dextrose, Maltodextrin, Karamellsirup und „normaler“ Zucker. Echte Schwammerl sind übrigens keine drin, nur 2,9 Prozent Champignonsaftkonzentrat.  Warum darf ein solches Produkt sich mit zugesetzten Vitaminen einen „gesunden Anstrich“ geben?

Gesundheitswerbung auf Lebensmitteln - Rechtliche Lage

Das Hervorheben von Vitaminen und Mineralstoffen oder Aussagen zu einer gesundheitlichen Wirkung des Lebensmittels sollten längst strengen Regeln unterliegen. Derzeit sieht es so aus: Wenn eine bestimmte Menge an einem Nährstoff enthalten ist, dürfen Hersteller gesundheitsbezogene Aussagen dazu machen. Die sind in einer Liste festgelegt. Das Problem: Auch unausgewogene Lebensmittel dürfen mit Vitaminen und Mineralstoffen aufgepeppt und dann groß damit beworben werden. Hier gibt’s noch mehr Beispiele.

EU-Kommission muss Klarheit schaffen

Eigentlich sollte die EU-Kommission schon seit 2009 Nährwertprofile für Gesundheits- und Nährwertwerbung vorlegen. Darin sollte der maximale Fett-, Zucker-, oder Salz-Gehalt für Lebensmittel festgelegt werden, die sich mit Gesundheitswerbung schmücken wollen. Doch ein diesbezüglicher gesetzlich verpflichtender Rahmen fehlt bis heute. Und so kann auch eine Schwammerlragout-Basis mit fünf Zuckervarianten mit Vitaminen werben.

Selbst gemachtes Schwammerlragout versus Fertigsauce

In ein selbstgemachtes Schwammerlragout kommen zwar keine „künstlichen“ Vitamine, dafür aber auch normalerweise keine 5 Zuckervarianten. Unsere Ernährungsexpertin Sarah meint: In der Regel kommen Schwammerl, Zwiebel, Butter oder Öl in den Topf. Etwas Mehl zum Binden, Obers, Salz, Pfeffer und Petersilie zum Verfeinern. Die Knorr Basis für Schwammerlragout gibt vor, das alles zu vereinfachen. Nur noch 3 weitere Zutaten sind laut Verpackung nötig: Champignons, Öl und Wasser. Warum der Hersteller das Fertigpulver mit Vitaminen anreichert? Wir haben nachgefragt und sind auf die Antwort gespannt.

Vitamine in Fertigprodukten – eine gesündere Alternative?

Knorr wirbt auf der Vorderseite groß mit einem Plus an Vitaminen B, C und E. Mit einer Portion sollen bereits 30 Prozent des Tagesbedarfs an drei weiteren Vitaminen gedeckt werden.

Viele Hersteller scheinen ihre Lebensmittel gerne mit Vitaminen und Mineralstoffen aufzupeppen. Hersteller verpassen ihren Produkten damit einen „gesunden Anstrich“. Wir Konsument*innen greifen gerne zu solchen Produkten. Wer will sich nicht etwas Gutes tun – oder das Gewissen beim Verzehr von Fertigprodukten etwas beruhigen. Viele dieser Produkte sind aber oft alles andere als ausgewogen. Sie sind zu fettreich, salzig oder zuckerhaltig.

Es braucht klare Regeln für die Werbung mit Gesundheitsversprechen

Die Bewerbung mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben auf Lebensmitteln ist seit 2006 über die EU-Claims-Verordnung geregelt. Doch ein wesentlicher Teil dieser Verordnung wartet noch immer auf seine Umsetzung: Die Klarstellung, welche Produkte überhaupt mit Nährwert- oder Gesundheitsbotschaften beworben werden dürfen. Die EU-Kommission hätte dazu schon im Jahr 2009 Nährwertprofile vorlegen sollen. Diese Nährwertprofile sollten regeln, wie viel Fett, Zucker oder Salz ein Lebensmittel maximal enthalten darf, um mit Gesundheitsbotschaften werben zu dürfen.

EU-Kommission weiter säumig bei Bewerbung mit Gesundheitsversprechen

Nach wie vor fehlen also derartige Nährwertprofile, die die Bewerbung mit gesundheits- oder nährwertbezogenen Angaben beschränken würden. Derzeit dürfen auch ungesunde Lebensmittel mit Vitaminen und Mineralstoffen aufgepeppt werden und dann mit Gesundheitsbotschaften werben. Der Zusatz von ein paar Vitaminen oder Mineralstoffen reicht aus, um selbst Süßigkeiten oder unausgewogenen Fertigprodukten ein gesundes Image zu verpassen. Erst kürzlich hat die EU-Kommission eine weitere Chance verstreichen lassen.

Aktueller Stand zu Nährwertprofilen für Gesundheitsbezogene Werbung

Mitte Jänner 2024 hat sich das EU-Parlament dazu an die EU-Kommission gewandt und Folgendes festgehalten:

Das Europäische Parlament (…)bedauert, dass der Vorschlag der Kommission zu Nährwertprofilen noch nicht vorgelegt wurde, obwohl er im Rahmen der Überarbeitung der Rechtsvorschriften über die Information der Verbraucher über Lebensmittel für 2022 vorgesehen war; besteht darauf, dass die Festlegung von Nährwertprofilen mit spezifischen Nährstoffschwellen für die Verwendung gesundheits- und nährwertbezogener Angaben gemäß Artikel 4 der Health-Claims-Verordnung weiterhin relevant und notwendig ist, um die Ziele der Health-Claims-Verordnung zu erreichen;(…) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Januar 2024 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel

foodwatch fordert: Gesunde Versprechen auf Lebensmitteln müssen an ein gesundes Nährwertprofil geknüpft sein. Gesundheitswerbung auf Süßigkeiten und hoch verarbeiteten Fertigprodukten kann Konsument*innen leicht in die Irre führen. Solche Lebensmittel dürfen nicht mit Gesundheitsversprechen beworben werden. Es braucht klare Regelungen auf EU-Ebene, damit nur mehr Lebensmittel mit Gesundheitsbotschaften werben dürfen, die den WHO-Kriterien für ausgewogene Lebensmittel entsprechen.