Artikel 06.02.2024

Vitaminbedarf decken mit Fertigprodukten? foodwatch macht den Check

Im Supermarkt werben zahlreiche Lebensmittel mit Vitaminen oder Mineralstoffen, ganz egal, wie viel Fett Salz oder Zucker sie enthalten. Wer kennt nicht die gelben und orangen Nimm2-Zuckerl, die schon seit Jahrzehnten “Vitamine und Naschen” versprechen? Wie kann das sein, dass selbst Naschereien mit gesunden Versprechen locken dürfen?

Die Supermarkregale sind voll von Lebensmitteln, die groß mit Vitaminen und Mineralstoffen beworben werden. Der Markt dafür ist in den letzten Jahren weiter gewachsen. Woran liegt das, und nutzen diese Lebensmittel wirklich unserer Gesundheit? Wir haben uns einige Produkte angesehen, die mit Vitaminen und Mineralstoffen werben. Kaum eine Lebensmittelkategorie scheint von diesem Trend verschont. Doch viele Lebensmittel sind unausgewogen oder einfach ungesund.

Süßigkeiten mit Vitaminen angereichert

Fruchtgummi mit Vitaminen, Kakaopulver und Frühstückscerealien mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert: Durch Zugesetzte Nährstoffe und geschicktes Marketing versuchen viele Hersteller, das Interesse der Konsument*innen zu gewinnen. Doch oft stecken hohe Mengen an Fett, Zucker und Salz in den Produkten. Durch die Zugabe von Vitaminen oder Mineralstoffen erhalten sie ihren „gesunden Anstrich“. Leider ist das derzeit rechtlich gedeckt.

Vitamin- und Nährstoffwerbung: Gesundheits-Boost oder nur gesunder Schein?

Nur weil ein Produkt mit Vitaminen und Mineralstoffen beworben wird, muss noch lange kein gesundes Lebensmittel dahinterstecken. Hochverarbeitete Lebensmittel mit einem hohen Anteil an Zucker, Fett oder Salz sind keine ideale Lösung, wenn es um die tägliche Vitaminzufuhr geht. Wenn wir uns ausgewogen ernähren, haben Menschen in Österreich nur selten einen Vitamin- oder Mineralstoffmangel. Ohne einen bekannten Mangel braucht man auch keine zugesetzten Vitamine und sollte auch keine zusätzlichen Vitamine oder Mineralstoffe ohne ärztliche Absprache einnehmen.

Wir haben uns angeschaut, was in den Produkten aus dem Supermarkt wirklich steckt.

Knorr Vitamin plus Basis für Schwammerlragout

Das Knorr Fertig-Pulver als Basis für Schwammerlragout ist mit Vitamin B, C und E angereichert. Die Vitamine werden auf der Verpackungsvorderseite besonders hervorgehoben. Eine Portion deckt laut Hersteller 30 % des Tagesbedarfs an 6 lebenswichtigen Vitaminen. Konsument*innen könnten leicht den Eindruck bekommen, als wäre das Produkt besonders gesund.  Von ausgewogen ist es unserer Meinung nach weit entfernt. In der Zutatenliste finden sich gleich fünf verschiedene Zuckervarianten: Dextrose, Karamellzuckersirup, Maltodextrin, Milchzucker und “normaler” Zucker.

Wir denken: Die Knorr Basis für Schwammerlragout ist kein sinnvolles Produkt, um den täglichen Bedarf an lebenswichtigen Vitaminen zu decken. Deshalb haben wir es auch zum Werbeschmäh des Monats Februar gekürt.

Fruchtgummis von Nimm2 – Vitamine durch Naschen?

Kinder werden mit der lustigen Aufmachung gelockt, Erwachsene sollen wohl mit den zugesetzten Vitaminen beruhigt werden. Bei genauerem Betrachten der bunten Gartenzwerge haben wir nichts mehr zu Lachen. Kinder sollen ihren Vitaminbedarf mit Süßigkeiten decken? Mit der Botschaft „Vitamine und Naschen“ versucht Nimm2 seit Generationen, Zuckerln einen gesunden Anstrich zu verpassen. Jetzt gibt es Fruchtgummis mit Gemüsesaft. Und dazu eine ganze Bandbreite an zugesetzten Vitaminen. Doch die Fruchtgummis bestehen zu mehr als 50 Prozent aus Zucker. In der Zutatenliste finden sich auch gleich an erster Stelle Glukosesirup und Zucker. Vom Gemüsesaft sind nur 5,5 Prozent drinnen.  

Der Vitamingehalt in der Packung ist auf den Vitaminbedarf eines Erwachsenen gerechnet. Isst man die halbe Packung hat man als Erwachsener zwar den Tagesbedarf einiger Vitamine gedeckt. Die Tageshöchstmenge an Zucker – laut WHO maximal 50 Gramm - hat man damit aber auch locker überschritten.

Wieviel des täglichen Vitaminbedarfs der Kinder gedeckt wäre, darüber bekommen wir keine Auskunft. Und wir finden: Eine Nascherei bleibt eine Nascherei und soll nicht zum Decken des Vitaminbedarfs herhalten.

Inzersdorfer Junior Geflügelaufstrich – Calcium und viel Fett

Auch der Geflügelaufstrich von Inzersdorfer verleiht sich einen gesunden Anstrich. Die Vorderseite der Verpackung verspricht einen Aufstrich “mit viel Calcium”. Doch in der Zutatenliste finden sich zahlreiche Zusatzstoffe und drin ist fast ein Drittel Fett.

Auf der Verpackung betont der Hersteller: „Calcium trägt zu einer normalen Muskelfunktion bei und wird zur Erhaltung normaler Knochen und Zähne benötigt.“ Das ist eines jener Gesundheitsversprechen, die Hersteller machen dürfen, wenn sie ihr Produkt mit Calcium anreichern. Das Problem: Auch fettreiche Lebensmittel dürfen sich mit Gesundheitsversprechen und Nährstoffwerbung schmücken.

Phosphat als Gegenspieler von Calcium

Beim Blick auf die Rückseite der Verpackung fällt uns allerding ein Zusatzstoff besonders auf. Stabilisator: Diphosphate. Eine zu hohe Phosphatzufuhr hat laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) „nachteilige gesundheitliche Effekte und sollte daher vermieden werden.“ Wenn Phosphathaltige Lebensmittel in großen Mengen gegessen werden, kann dadurch der Calciumspiegel im Blut sinken.  

Dieses Produkt ist keine geeignete Calciumquelle und sollte laut WHO auch nicht an Kinder beworben werden. Der Fettgehalt überschreitet den für Kinderprodukte erlaubten Wert deutlich.

Nestlé Nesquik Duo – Vitamine in der Schokokugel

Zuckrige Palmöl-Kakao-Kugerl, die damit werben 7 Vitamine und Mineralstoffe zu enthalten, haben wir ebenfalls in unsere Liste mit aufgenommen. Sie sind für uns ein Ideales Beispiel dafür, wie anscheinend mit nährwertbezogenen Aussagen versucht wird, das Image des ungesunden Schokofrühstücks zu verbessern. Die Zutatenliste ist lang. Darunter finden wir ungünstige Fette wie Palmöl, Sonnenblumenöl, Butterreinfett und jede Menge Zucker. Laut WHO sollte dieses Produkt nicht an Kinder beworben werden. Der Zuckeranteil ist einfach zu hoch. Da finden sich gesündere Lebensmittel, um den Vitaminbedarf von Kindern zu decken.

Ovomaltine der Klassiker- viele Vitamine, aber noch mehr Zucker

10 Vitamine und 2 Mineralstoffe in einer Dose: Das Ovomaltine Kakaopulver ist ein weiteres angereichertes Lebensmittel, das alles andere als ausgewogen ist. Mehr als 50 Prozent Zucker sind in der Dose, davon gleich fünf verschiedene Zuckerarten. 

Auf der Packung behauptet der Hersteller “2 Portionen sorgen für einen schwungvollen Tag!”. Wenn der Zuckerschock erstmal vorbei ist, sollen wohl die Vitamine und Spurenelemente „zur Verringerung der Müdigkeit“ und „zu einer normalen geistigen Leistung beitragen“. Diese Angaben sind zulässig. Und Vitamine dürfen beworben werden, wenn davon eine bestimmte Menge im Produkt drin ist. Doch genau das ist das Problem:  Wir fordern, dass Produkte, die jede Menge Zucker enthalten und nicht ausgewogen sind, nicht mit Health Claims werben dürfen.

Wie ist es möglich, dass Ungesundes mit Vitaminen und Mineralstoffen werben darf?

Gesundheitswerbung auf Lebensmitteln – rechtliche Lage

Das Hervorheben von Vitaminen und Mineralstoffen oder Aussagen zu einer gesundheitlichen Wirkung des Lebensmittels sollten längst strengen Regeln unterliegen. Derzeit sieht es so aus: Wenn eine bestimmte Menge an einem Nährstoff enthalten ist, dürfen Hersteller gesundheitsbezogene Aussagen dazu machen. Die sind in einer Liste festgelegt. Das Problem: Auch unausgewogene Lebensmittel dürfen mit Vitaminen und Mineralstoffen aufgepeppt und dann groß damit beworben werden.

EU-Kommission muss Klarheit schaffen

Seit 2006 bildet die EU-Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel die Basis für gesundheitsbezogene Werbung. Doch ein wesentlicher Teil ist damals offen geblieben: Eigentlich sollte die EU-Kommission schon seit 2009 Nährwertprofile für Gesundheits- und Nährwertwerbung vorlegen. Darin sollte der maximale Fett-, Zucker-, oder Salz-Gehalt für Lebensmittel festgelegt werden, die sich mit Gesundheitswerbung schmücken wollen. Doch ein diesbezüglicher gesetzlich verpflichtender Rahmen fehlt bis heute.

Unser Fazit

Viele Lebensmittelhersteller versuchen, durch Gesundheits- und Nährwertwerbung ihre Produkte in ein besseres Licht zu rücken. Nutzen tut das vor allem dem Profit der Lebensmittelindustrie. Keines der Produkte aus unserer Recherche ist als ausgewogen oder gesund zu bezeichnen. Eher das Gegenteil ist der Fall. Alle werben aber mit Vitaminen oder Mineralstoffen. Sie sollen wohl den Anschein erwecken, sie seien "gesünder” als ihre Nachbarprodukte im Supermarktregal. Dabei wird durch die Zugabe von Vitaminen und Mineralstoffen den Produkten nur oberflächlich ein gesünderer Anstrich verpasst. Ohne die Vitamine wären all die Produkte wohl nichts „Besonderes”. 

foodwatch fordert: Nur gesunde und ausgewogene Produkte sollten mit Gesundheitsbotschaften beworben werben dürfen. Die Einführung von Nährwertprofilen ist überfällig, da sie verhindern könnten, dass Hersteller fett-, salz- oder zuckerreiche Lebensmittel durch gesundheits- und nährwertbezogene Angaben einen gesunden Anstrich verpassen und uns Konsument*innen so in die Irre führen.