Nachricht 23.11.2012

Teuer ist, wenn es Landliebe ist

Landliebe-Milch kostet pro Liter bis zu 50 Cent mehr als andere Milch. Mit Werbeversprechen wie „artgerechter Tierhaltung“, „strengen Kriterien der Babynahrung“ und „ausgewählten Bauernhöfen“ begründet der Hersteller Campina den hohen Preis. foodwatch kritisierte im April 2008, dass Campina diese Versprechen nicht belegen kann und der immense Mehrpreis nicht gerechtfertigt ist. Tausende Verbraucher hatten sich bei Campina deshalb beschwert. Seit Oktober 2008 ist die Milch nun „ohne Gentechnik“. Das freut viele Verbraucher, bei den Bauern kommt allerdings nur ein Cent mehr pro Kilogramm Milch an. Auch das also kein Grund für 50 Cent Aufpreis. Campina hält die Kritik für unberechtigt, tut sich aber nach wie vor schwer, Mehrpeis und Qualitätsversprechen überzeugend zu erklären.

Ok, manche Anforderungen gehen laut Campina (mittlerweile oder irgendwann einmal) tatsächlich über den gesetzlichen Mindeststandard hinaus: Seitdem die Kühe „ohne Gentechnik“ und ohne Zutaten aus Übersee gefüttert werden, spricht Campina von „traditioneller Fütterung“. Und für vier von fünf Kühen will Campina Weidegang erstritten haben. Pech für Kuh Nummer fünf und zwanzig Prozent der „Landliebe“-Kunden – da muss „artgerecht“ irgendwie im Stall stattfinden anstatt auf der Weide. Außerdem darf laut Campina ab 2013 zum Beispiel keine Milch von Kühen mit Euterverletzungen mehr abgeliefert werden, die die Milch verunreinigen könnten. Bisher scheint das bei Landliebe also erlaubt zu sein, obwohl ausdrücklich mit „Gesundheit und Wohlergehen der Milchkühe“ geworben wird. Eklig ist so, tiergerecht ist anders.

foodwatch hatte zur Überprüfung der Aussagen zu „traditioneller Fütterung“ nach den Fettsäuren in der Milch gefragt. Ein hoher Gehalt an Omega-3-Fettsäuren würde für eine Fütterung mit viel Grünfutter sprechen. „Für Landliebe stellen wir diesen Gehalt an Fettsäuren im Endprodukt nicht fest, da es für Landliebe kein relevantes Kriterium ist“, weicht Campina aus. Immerhin haben Vergleichstests von Stiftung Warentest (Mai 2011, Fettarme Frischmilch) und Ökotest (April 2012, Butter) für Landliebe keine besonders hohen Grünfutteranteile ermittelt.

Produkte außerhalb des „Basissortiments“

Völlig stumm blieb Campina trotz mehrerer Nachfragen von foodwatch zu denjenigen Landliebe-Produkten, die nicht zum sogenannten Basissortiment von Milch, Naturjoghurt, Schmand und Co. gehören (und nicht mit „traditioneller Fütterung“ beworben werden): Ob für Eiscreme, Milchreis, Schulmilch, Puddings und Fruchtjoghurt in Landliebe-Verpackungen die Landliebe-Qualitätsversprechen gelten, wird bei Campina seit Mitte 2011 „ermittelt“. Am 21.07.2011 hieß es dazu: „Ihre weiteren Fragen benötigen noch einige Bearbeitungszeit. Wir kommen deswegen unaufgefordert auf die Sache zurück.“ Was am 09.08.2011 geschah: „Die weiteren ausstehenden Fragen zum Thema Eis und weitere Lizenzprodukte sind noch in der Bearbeitung und wir kommen deswegen auf die Angelegenheit zurück.“ Hm. Weil seitdem nichts zurückkam, hakte foodwatch nach, so dass Campina eineinhalb Jahre später, am 14.11.2012, wissen ließ: „Hinsichtlich Ihrer unter Ziffer 1. gestellten Fragen betreffend unsere Lizenzprodukte müssen wir noch einige Ermittlungen einholen. Wir werden uns hierzu zeitnah bei Ihnen melden.“

Und das kann dauern…

Fazit Die Marketingprofis von Campina sind schnell bei der Hand mit Versprechungen (Qualität, Tierhaltung, Fütterung) und verlangen dafür einen saftigen Sofort-Aufpreis. Um den zu erklären, benötigen sie Zeit, Zeit und nochmals Zeit.

Ergänzung vom 16.01.2013: Kurz nach Veröffentlichung dieses Beitrags erreichte uns am 28.11.2012 eine Antwort von Campina zu den Lizenzprodukten außerhalb des "Basissortiments": Für Milchprodukte wie Fruchtjoghurts und Desserts werde dieselbe Milch verwendet wie für die Landmilch ("ohne Gentechnik"). Das gelte jedoch nicht für das Eis, das in Landliebe-Verpackungen verkauft wird. Campina sei hierzu in Verhandlung mit dem Produzenten (R&R Eiscreme). Wir halten Sie auf dem Laufenden...