Bundesministerium für Schönfärberei

Hallo und guten Tag,

eine gekonnte Selbstdarstellung gehört in der Politik dazu. Das sei also auch einer Regierungsbehörde zugestanden. Aber wenn das vielfältige und vielfache Leiden von  Nutztieren in der regierungsamtlichen Kommunikation so umfassend ausgeblendet wird, dass die Darstellung mit der Realität kaum noch etwas zu tun hat, ist das nicht in Ordnung. Die Bundesregierung und ihre Behörden sind mit ihrer Website „Tierwohl stärken“ bei ihrer Darstellung der Tierhaltung in deutschen Ställen näher bei Hochglanzprospekten über Bullerbü als bei einer realistischen Schilderung des häufig traurigen und viel zu häufig schmerzhaften Alltags der Nutztiere. 


Mit objektiver Information von mündigen Bürgerinnen und Bürgern hat das nichts zu tun. Die wird aber offensichtlich gewünscht und gebraucht. Denn in fast allen Umfragen zum Thema landwirtschaftliche Tierhaltung wird der Wunsch geäußert, dass die Tiere gesund und frei von Leid gehalten werden sollen. Immer mehr Menschen stellen sich auch die Frage, wie viele Tiere in Deutschland zu Ernährungszwecken gehalten werden können, ohne Umwelt-, Tierschutz und Gesundheitsziele zu verfehlen. 


Wenn Sie auch der Meinung sind, dass die Bundesregierung und ihre Behörden bei der Darstellung der Tierschutzsituation in der Landwirtschaft der Wahrheit und nicht der Schönfärberei verpflichtet sind, dann helfen Sie uns dabei solche Praktiken aufzudecken und zu beenden. Werden Sie Förderin/Förderer von foodwatch.

Blickt man auf die Unterseite „Nutztiere“ auf der Website „Tierwohl stärken“, die einen „Blick in den Stall“ zu geben verspricht, werden einem ausgewählte Idyllen und Musterbetriebe gezeigt. Wie z.B. ein Betrieb im Sauerland, der Mutterkuhhaltung zur Fleischerzeugung betreibt. 


Diese Haltungsform, bei der das Kälbchen bei seiner Mutter bleiben kann und von dieser aufgezogen wird, ist im Vergleich zur Milchviehhaltung eine echte Seltenheit. Dort werden die Kälber nach wenigen Stunden oder Tagen von ihren Müttern getrennt, damit diese die Milch für den Verkauf geben können. 


Bei dem auf „Tierwohl stärken“ ebenfalls vorgestellten Milchviehbetrieb heißt diese mutterkuh-lose Kälberaufzucht dann „Kindergarten“ - mit Milch aus dem Automaten statt aus dem Euter. Einen Betrieb mit ganzjähriger Anbindehaltung, in dem noch etwa jede siebte Milchkuh in Deutschland lebt, sucht man auf „Tierwohl stärken“ vergeblich. Dort haben die Kühe kaum mehr Bewegungsfreiheit, als sich hinzulegen und aufzustehen. Ihr gesamtes Leben lang. 


Beim „Blick in den Stall“ eines Schweinemastbetriebes  präsentiert „Tierwohl stärken“, wie Veränderungen bei der Fütterung, bei der Lüftung und bei der Wasserversorgung dafür sorgen können, „dass die Schweine sich wohlfühlen. Sie leben stressfreier, zufriedener und gesünder. Das sehen die Landwirte am Verhalten der Tiere. Die Schweine legen sich hin, wenn sie zufrieden und satt sind, sie suhlen sich, wenn Wasser von oben auf sie herabsprenkelt.“ Man könnte meinen, hier werden Eindrücke von einer „Schweine-Wellness-Farm“ wiedergegeben. Das ist schön für die Schweine auf diesem Bauernhof, aber keinesfalls repräsentativ für die Schweinehaltung in Deutschland. 


Die weit verbreiteten Tierschutzprobleme werden entweder ausgeklammert oder schön geredet, wie unter der Rubrik “Leben im Stall“. Dort werden die perforierten Betonspaltenböden, auf denen etwa 90 % aller Mastschweine stehen müssen, sogar als „Vorteil“ dargestellt: „Durch sie kann der Harn abfließen und Kot durchgetreten werden“.


Wir sind der Meinung, dass mit einer solch manipulativen Darstellung gezielt der Versuch unternommen wird, die Bürger und Bürgerinnen für dumm zu verkaufen. Wenn Sie das auch so sehen, dann werden Sie Förderer/Förderin von foodwatch.

Für die – viel zu häufig viel zu traurige - Realität scheint sich das BMEL nicht zu interessieren. Oder will uns die Regierung schonen? Müssen, wollen wir „geschont“ werden, wenn es um die alltäglichen Zumutungen der Nutztiere geht?

  • Rinderhaltung: Etwa die Hälfte der Tiere leidet unter Lahmheiten und Stoffwechselstörungen, sehr häufig auch unter äußerst schmerzhaften Euterentzündungen. Rund zwei Drittel der Tiere müssen aufgrund von Krankheiten vorzeitig geschlachtet werden.
  • Geflügel: Jede zweite Legehenne leidet unter Knochenweiche und Knochenbrüchen. Eine Folge der hohen Legeleistung: Das für die Eierschalenbildung notwendige Calcium wird den Knochen entzogen. 

Wir meinen: Der erste Schritt zum dringend nötigen Tierschutz ist es, die Realität in Deutschlands Ställen, in jedem einzelnen Tierhaltungsbetrieb zu erfassen und zu veröffentlichen. Objektiv und belegt mit wissenschaftlich validen Zahlen und Fakten.


Bis heute verweigert die Bundesregierung die Einführung eines dafür nötigen betriebsgenauen Tiergesundheits-Monitorings.  Nicht, weil es zu kompliziert oder zu teuer wäre (das ist es nicht). Sondern weil damit sofort das Illusionstheater aufhören und wirksame Maßnahmen zum Tierschutz ergriffen werden müssten. 
Stattdessen bekommen wir von unserer eigenen Regierung eine Scheinwelt vorgegaukelt, damit wir uns besser fühlen. Doch genau das wollen wir nicht.


Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass die Tiere auf allen Höfen und in allen Ställen ein wirklich  gutes Leben haben. Und wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns als Fördermitglied von foodwatch dabei unterstützen.

Vielen Dank und herzliche Grüße
Ihr     
Matthias Wolfschmidt
Internationaler Kampagnendirektor