Nachricht 29.08.2018

Angeblich „günstige“ Schulmilch oft teurer als im Supermarkt

Trotz der steuerfinanzierten Subventionen sind Schulmilchgetränke in Nordrhein-Westfalen zum Teil deutlich teurer als Standardprodukte im Supermarkt, wie ein Preisvergleich von foodwatch zeigt. Das staatliche Programm ist aufgrund von kleinen Verpackungen und einem hohen bürokratischen wie logistischen Aufwand so ineffizient, dass die Fördergelder vor allem im System versickern.

Der Preis-Check von foodwatch zeigt: Frische Vollmilch kostet derzeit im Handel 69 Cent und fettarme Frischmilch 61 Cent pro Liter. Für die täglichen Trinkpäckchen des Schulmilchprogramms dagegen zahlen Eltern 30 Cent pro 250 Milliliter, auf den Liter hochgerechnet sind das 1,20 Euro – ein Preisaufschlag von 74 Prozent bei Vollmilch und sogar 97 Prozent bei fettarmer Milch. Auch frische Kakao-Milch ist beim Discounter günstiger erhältlich als über das Schulmilchprogramm. Zudem verlangt der Molkereikonzern FrieslandCampina, mit seiner Marke „Landliebe“ der einzige überregionale Schulmilchlieferant, für die gleichen Produkte von den Eltern in Nordrhein-Westfalen zum Teil deutlich mehr Geld als in anderen Bundesländern. Die Landliebe-Schulmilch ist in NRW zum Beispiel 50 Prozent teurer als in Hessen.

Ministerium und Milchindustrie loben Schulmilchprogramm

Aus Sicht von foodwatch ist es irreführend, dass die Landesregierung ihr Schulmilchprogramm mit dem Hinweis auf den angeblich „günstigen Preis“ bewirbt. So heißt es auf der Schulmilch-Internetseite des verantwortlichen Landesumweltministeriums: „Durch dieses Finanzierungsprogramm können Milch und Milchprodukte in Kindergärten und Schulen zu einem günstigen Preis angeboten werden.“ Bemerkenswert: Diese Aussage wird wortgleich auch von der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW verwendet.

„Von wegen billig: Wenn Eltern oder Schulen den Kindern regelmäßig Milch anbieten wollen, können sie das erheblich günstiger organisieren als über das staatliche Schulmilchprogramm in NRW. Es ist schon eine Form von Abzocke, wenn die Schulmilchpackungen als besonders ‚günstig‘ beworben werden, obwohl Eltern im Supermarkt teilweise deutlich weniger zahlen würden. Das Schulmilchprogramm in NRW ist überzuckert und überteuert.“
foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker

Nur noch drei Bundesländer fördern Zucker-Milch

Nordrhein-Westfalen ist neben Berlin und Brandenburg das einzige Bundesland, das noch gezuckerte Milchprodukte wie Kakao fördert. Nach Kritik von foodwatch hatte die verantwortliche Umweltministerin Ursula Heinen-Esser vergangene Woche eine Evaluation des Schulmilchprogramms bis zu den Herbstferien angekündigt, dann solle eine Entscheidung fallen. Genaue Kriterien für die Evaluation nannte die Ministerin nicht. Zuvor hatte Hessen auf die Kritik reagiert und angekündigt, die Kakao-Förderung zu stoppen. Die Europäische Union will aus gesundheitlichen Gründen nur noch Produkte ohne Zuckerzusatz im Rahmen ihres Schulprogramms fördern. Vier Bundesländer – NRW, Hessen, Berlin und Brandenburg – haben jedoch eigens Ausnahmeregelungen geschaffen, um doch noch gezuckerte Produkte subventionieren zu können.

15 Prozent der Kinder und Jugendlichen gelten als übergewichtig – ein wesentlicher Grund dafür ist eine unausgewogene Ernährung. Besonders der zu hohe Konsum gezuckerter Lebensmittel wird von Ernährungswissenschaftlern, der Ärzteschaft und der Weltgesundheitsorganisation gleichermaßen bemängelt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sieht in ihren offiziellen Empfehlungen für die Verpflegung in Schulen keine Abgabe von Milchprodukten mit Zuckerzusatz vor.


Foto: © Christian Schwier, MP2 – fotolia.com/Montage: Roland Koletzki - foodwatch